c't 13/2018
S. 72
Hintergrund
Linux erfindet sich neu: Software-Vertrieb
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Linux erfindet sich neu

App-Formate sollen Softwareinstallation bei Linux revolutionieren

In der Linux-Welt reifen gerade größere Neuerungen heran, die an den Grundfesten von Debian, Ubuntu & Co. rütteln, darunter eine neue Firewall-Technik für den Kernel, eine Vereinfachung des Grafiksystems, frische Distributionsansätze und neue Verfahren zur Anwendungsinstallation. Viel davon ist überfällig: Linux wird dadurch besser, auch für den Desktop.

Die Linux-Welt hat keinen trendigen Vortänzer im Rollkragenpulli, der jährlich auf großer Bühne tolle Neuheiten anpreist. Es gibt auch niemanden, der die Marschrichtung vorgibt. Linux kann dadurch selbst in Zeiten träge wirken, wo gerade tolle Neuheiten durchstarten.

Spannend ist dabei immer wieder, wohin die Reise überhaupt geht. Mangels Zielvorgaben arbeiten Firmen und freie Entwickler an den Verbesserungen, die sie jeweils für richtig halten. Welche sich am Ende durchsetzen, hängt von der Akzeptanz in Markt und Open-Source-Community ab. Naturgemäß kommt es dabei zu Situationen, in denen zwei oder drei Lösungen um die Gunst von Anwendern und Admins buhlen.

Dank offener Entwicklungsprozesse und quelloffenem Code kann man diese Weiterentwicklung hautnah miterleben und sogar mitgestalten. Dabei den Überblick zu behalten ist allerdings nicht ganz einfach, denn die Open-Source-Welt ist riesig. Auch sie hat zudem gute und schlechte Selbstdarsteller – und Hypes natürlich auch. Solche gab es etwa um das Dateisystem Btrfs und den X11-Nachfolger Wayland: Die Vorschusslorbeeren und Hoffnung auf schon lange ersehnte Verbesserungen waren bei beiden bereits immens groß, als sie noch in den Kinderschuhen steckten. Erst jetzt entwachsen sie diesen langsam, wie die Artikel auf den folgenden Seiten zeigen.

Video: Nachgehakt

Manch größere Neuerungen schleichen sich aber geradezu heran – in diese Kategorie fallen etwa einige neue Ansätze für Linux-Distributionen, bei denen das Betriebssystem schreibgeschützt eingebunden wird und zum Update einen Neustart braucht (siehe S. 78). Zugleich wird anderswo an Grundfesten gerüttelt, denn trotz riesiger Softwareausstattung fehlen Linux-Distributionen immer mal wieder Programme oder sind veraltet. Hier setzen die noch jungen Techniken Flatpak und Snap an. Mit ihnen verschnürte Anwendungen versprechen, unter allen gängigen Distributionen zu laufen. Damit wollen sie Linux auch deutlich attraktiver für Firmen und Programmierer machen, die Anwendungen für Linux entwickeln. Anwender bekommen dadurch endlich die Flexibilität, die gerade Windows-Umsteiger anfangs vermissen.

Linux Apps

Dabei scheint das Installieren von Software auf den ersten Blick ein Problem zu sein, das Linux-Distributoren bereits super gelöst haben: Softwareverwaltung öffnen, Anwendung suchen und „Installieren“ anklicken – fertig. Zehntausende verschiedene Anwendungen lassen sich bei Mainstream-Distributionen so in Sekundenschnelle einrichten. Besser noch: Die zentrale Softwareverwaltung liefert auch alle Sicherheitskorrekturen, auf Wunsch sogar vollautomatisch.

Manche Linuxer belächeln deshalb Windows-Anwender nur müde, wenn die sich Office-Suite, PDF-Viewer, Browser, Mail-Client, Entpacker und vieles mehr händisch zusammensuchen müssen. Bei näherem Hinsehen zeigt sich aber: Der in der Linux-Welt gängige Ansatz, bei dem Software in Arch-, Debian- oder RPM-Paketen in distributionsspezifischen Repositories liegt, hat auch Schwächen.

Linux-Apps im Flatpak- oder Snap-Format finden sich in distributionsunabhängigen App-Stores; Snap hängt sehr stark am Tropf des Snap Store.

Der Kasten „Probleme klassischer Paketformate“ umreißt einige dieser Schwierigkeiten. Die Kurzfassung: Anwender hängen am Softwareangebot der Distributionen; wer eine dort fehlende Anwendung braucht, spezielle Fehlerkorrekturen benötigt oder neuere Programmversionen will, muss tricksen, weil Debian, Ubuntu & Co. sehr konservativ mit Updates sind. Für Entwickler ist es zudem schwierig, Linux-Programme installationsfertig anzubieten. Selbst Linux-Erfinder Linus Torvalds hat mal kritisiert, wie schwer es sei, Linux-Binaries seiner quelloffenen Tauchsoftware anzubieten; Windows und macOS zu unterstützen, sei viel leichter.

Neben diesen Schwächen entstehen mehr und mehr Sicherheitsbedenken: Klassisch installierte Software darf alles, was der Nutzer darf. Sprich, jedes Spiel oder eine nur schnell zum Antesten heruntergeladene Anwendung könnte in Ihren Dokumenten schnüffeln und diese sogar löschen. Durch die Arbeitsweisen moderner Malware wird das zunehmend zu einer Gefahr. Mobil-Betriebssysteme schieben daher seit Jahren immer neue Riegel vor, um Anwendungen zu isolieren; so schützen sie etwa Kontaktdaten vor dem Auslesen durch Programme, die diese nicht brauchen. Das soll auch für Linux her. Klassische Paketformate helfen da aber nicht.

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