c't 10/2017
S. 98
Test
Samsung Galaxy S8 und S8+
Aufmacherbild

Cinemascope-Smartphones

Samsung Galaxy S8 und S8+ im Test

Mehr Display, weniger Rand: Samsungs neue Smartphone-Topmodelle Galaxy S8 und S8+ zeigen, wie die Zukunft aussieht. Weniger beeindruckend: Der zurzeit noch sehr blutleere Assistent Bixby.

Hand aufs Herz: Können Sie die Smartphone-Modelle der letzten zwei, drei Jahre auf Anhieb voneinander unterscheiden? Bei schnellem Hinsehen? Wir auch nicht, so einheitlich ist das Smartphone-Hardware-Design geworden. Die neuen Samsung-Topmodelle S8 und S8+ erkennt dagegen jeder sofort. Fast die gesamte Vorderseite besteht aus Display, die berüchtigten schwarzen Ränder oben und unten sind extrem schmal, außerdem gibt es den für Samsung typischen Menü-Knopf nicht mehr.

Das nahezu vollflächige Display ist mehr als eine schnöde Designverbesserung, denn bei gleicher Handy-Größe bekommt man viel mehr Display-Fläche fürs Geld. Zum Vergleich: Das Gehäuse des Galaxy S8 ist schmaler als das des Vorgängers S7 (68 mm vs. 69,6 mm) und lediglich 6 mm höher – und trotzdem passt ein 5,8-Zoll-Display rein (147 mm Diagonale), beim S7 reichte es nur für 5,1 Zoll (130 mm). Das S8+ kommt mit 6,2-Zoll-Bildschirm (157 mm). Und obendrein: Hat man sich einmal an den Bildschirm mit dünnem Rand gewöhnt, sehen alle anderen Smartphones altmodisch aus. Man muss deshalb kein Hellseher sein, um zu prognostizieren, dass in naher Zukunft alle (besseren) Handys ohne dicke Ränder auskommen werden.

Das „Infinity-Display“ – so das Werbe-Buzzword – ist keine Erfindung von Samsung. Der chinesische Hersteller Xiaomi hat mit dem Mi Mix bereits im letzten Jahr ein ähnliches „Randlos“-Design vorgelegt; allerdings ist das Gerät offiziell nie in Deutschland erschienen. Und: Das elegant-filigrane S8 fühlt sich deutlich besser an als das ziemlich klobig wirkende Mi Mix – und sieht mit den abgerundeten Kanten auch faszinierender aus.

Handhabungsprobleme haben sich daraus bei uns nicht ergeben. Trotz großer Hände lösten wir keine Touchscreen-Aktionen mit dem Handballen aus – beim S7 Edge passierte das hin- und wieder. Die abgerundeten Kanten haben allerdings andere Nachteile: Sie verursachen bei heller Umgebung eine schmale Reflektionslinie (siehe Video zum Artikel).

Trotz des nahezu randlosen und abgerunden Displays traten bei uns keine versehentlich Touchscreen-Tipper auf.

Bewegende Bilder

Schaut man Videos im Vollbild, wirken vertikale Kameraschwenks etwas wobbelig. Ansonsten ist Videoschauen eine Wucht auf dem S8 und natürlich noch mehr auf dem größeren S8+. Sobald die Smartphones Videoinhalte erkennen, blenden sie ein Icon ein, mit dem man das Video aufs Gesamtdisplay hereinzoomen kann. Das Seitenverhältnis von 18,5:9 liegt ungefähr in der Mitte zwischen dem Unterhaltungselektronik-Standard 16:9 und dem von den meisten Kinofilmen verwendeten 21:9 (bzw. 2,39:1).

Tatsächlich wird das 18:9-Seitenverhältnis (entspricht 2:1) von Univisium verwendet, das seit einigen Jahren für ein einheitliches Seitenverhältnis im Kino und Fernsehen sorgen soll. Abgesehen von einigen Kinofilmen kommt das Format in einigen Video-on-Demand-Serien wie House of Cards, Stranger Things oder Transparent zum Einsatz.

Auch einige Apps profitieren vom Vollflächendisplay: In den Einstellungen unter „Anzeige“/“Vollbild-Apps“ lässt sich festlegen, welche Programme sich komplett auf dem Display ausbreiten und die Benachrichtigungsleiste oben plus Android-Buttons unten ausblenden dürfen.

Zur visuellen Faszination tragen nicht nur das ungewöhnliche Seitenverhältnis und das randarme Display bei, sondern auch die kontrast- und farbstarke Darstellung: Eingebaut sind sowohl beim S8 als auch beim S8+ OLED-Displays mit einer Auflösung von 2960 × 1440 Pixeln. Dass die Subpixel wie bei Samsungs AMOLED-Technik üblich nicht gleichmäßig verteilt, sondern in einer sogenannten Pentile-Matrix angeordnet sind, kann man mit bloßem Auge nicht erkennen – dafür ist die Auflösung zu groß.

Kamera unverändert

Die Hauptkamera-Hardware hat Samsung gegenüber dem Vorgängermodell S7 nicht verändert. In den S8-Modellen steckt der gleiche Sensor (12 Megapixel, Phasenerkennungs-Autofokus, optische Bildstabilisierung, Blende f/1,7), dessen Daten aber laut Hersteller vom schnelleren Prozessor aufwendiger verarbeitet werden sollen: Die neue „Multi-Frame“-Technik schießt laut Samsung grundsätzlich drei Fotos, sucht das schärfste aus und nutzt die anderen, um Bewegungsunschärfen wegzurechnen.

Die vorinstallierte Kamera-App beherrscht etliche animierte Masken, die sich automatisch über Gesichter legen.

Im Test haben wir allerdings keine relevanten Unterschiede zwischen den S7- und den S8-Fotos feststellen können – was aber kein Problem ist: Wir hatten noch kein Smartphone im Testlabor, das sichtbar bessere Fotos macht. Auch bei den bewegten Bildern gab es nix zu meckern. Wie das S7 zeichnet das S8 knackscharfe Videos auf, auf Wunsch sogar in 4K-Auflösung.

Gegenüber dem S7 hat Samsung die Frontkamera leicht verbessert: Statt mit 5 Megapixel fotografiert sie nun mit 8 MP. Auffälliger als die Hardware-Verbesserungen sind die vielen verspielten Filter, die nun standardmäßig in der Kamera-App für gute Laune sorgen. Wie bei der Social-Media-App Snapchat kann man den Fotografierten allerlei Comic-Tiermasken aufsetzen, die zum Teil auch animiert sind. Ein weiteres Feature für die Generation Selfie: Statt per konventionellem Screenshot lassen sich bewegte Bildschirminhalte per animierten GIF abspeichern – ohne Zusatz-Apps.

Das in Version 7.0 zugrunde liegende Android hat Samsung nur dezent angepasst – das war bei früheren Smartphones anders. Vermutlich hat sich der Hersteller deshalb auch von der berühmt-berüchtigten Bezeichnung „TouchWiz“ verabschiedet. Die gelungene Oberfläche des S8(+) nennt der Hersteller nun schlicht „Samsung Experience“. Schade allerdings, dass statt der aktuellen Version 7.1.2 nur Android 7.0 zum Einsatz kommt.

Bixby: Noch blöd

Die alte Nerd-Weisheit „Samsung kann Hardware besser als Software“ gilt trotzdem noch: Das Assistenzsystem Bixby, für das Samsung in der S8-Werbekampagne fleißig trommelt, entpuppt sich in der Praxis als uninspirierte Google-Now-Kopie – es befindet sich sogar an derselben Stelle, links neben dem ersten Desktop. Genau wie bei Google Now zeigt es das aktuelle Wetter und angeblich personalisierte Nachrichten über Samsungs Google-News-Klon Upday an. Im Test bekamen wir ausschließlich Schlecht-Journalismus à la „Diese eine Sache macht Menschen sofort attraktiv“ angezeigt; definitiv nicht das, was wir gerne lesen wollten.

Zurzeit ist Samsungs „Assistent“ Bixby nur ein müder Google-Now-Abklatsch.

Außerdem bindet sich Bixby in die Kamera-App ein: Ein Tipp aufs Bixby-Icon schaltet in einen Echtzeit-Erkennungsmodus, der zum Beispiel Produkte erkennen soll – genau wie die seit 2010 erhältliche Google-App Goggles. In unserem Test konnte die Bixby-Kameraerkennung aber nicht einmal Samsung-Produkte identifizieren. Erfolg hatten wir lediglich mit einem Coca-Cola-Logo sowie mit Barcodes.

Peinlich: Per Sprache kann man Bixby zum Marktstart noch nicht bedienen, auch nicht auf Englisch. Die Funktion will Samsung nachliefern. Den speziellen Bixby-Button auf der linken Gehäuseseite (unter dem Lautstärkeregler) darf man derweil nicht mit eigenen Funktionen belegen – Apps, mit denen man den Knopf umfunktionieren konnte, hat Samsung bereits per System-Update einen Riegel vorgeschoben.

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Tabelle: Benchmarks

Bixby zeigt vor allem, dass Samsung beim Geschäft mit den Kundendaten mitmischen will und die Smartphone-Käufer immer direkter drangsaliert, endlich einen Samsung-Account anzulegen. Die personalisierte Bixby-Anzeige funktioniert nämlich nur mit Account, genauso wie das Herunterladen von Bildschirmhintergründen und Themes.

Die S8-Smartphones lassen sich über drei unterschiedliche biometrische Merkmale entsperren: Fingerabdruck, Gesicht und Iris. Am bequemsten ist die Gesichtserkennung. Der Abgleich klappte im Test häufig in unter einer Sekunde. Leider ist die Funktion auch am unsichersten, so konnten wir die Technik im Test problemlos mit einem Foto austricksen, das auf einem anderen Smartphone angezeigt wurde. Samsung selbst betont, dass „Face Unlock“ vor allem eine Komfort- und keine Sicherheitsfunktion sei.

Cooler und vor allem sicherer ist die Entsperrung per Iris-Scan. Wie beim nicht mehr erhältlichen Galaxy Note 7 erfasst das S8 die Iris per Frontkamera und Infrarot-LED – Letztere ist notwendig, um die Struktur der Regenbogenhaut optimal zu erfassen. In der Praxis funktionierte das Entsperren per Iris fast genauso schnell wie bei der Gesichtserkennung. In unter einer Sekunde war der Desktop da. Allerdings gilt das nur, wenn man keine Brille trägt; mit Sehhilfe dauerte es bei uns auch schon mal drei Sekunden.

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Tabelle: Laufzeiten

Als drittes Biometrie-Merkmal erfasst das S8 – wie die meisten aktuellen Smartphones – den Fingerabdruck. Allerdings ist dieser etwas ungünstig auf der Rückseite neben der Kameralinse platziert; man muss also immer aufpassen, dass man das Objektiv nicht mit Fingerabdrücken verschmiert.

Sauschnell

Absolut keine Blöße gibt sich Samsung mit dem eingebauten SoC – sowohl in Sachen CPU als auch GPU. Während in Europa der hauseigene Exynos 8895 zum Einsatz kommt, wird in US-Geräten der Snapdragon 835 verbaut. Unsere Testmuster mit Exynos 8895 waren die schnellsten Android-Smartphones, die wir jemals im c’t-Testlabor hatten. Coremark erreichte im Multithread-Benchmark einen Wert von fast 63.000, mehr als bei jedem anderen Smartphone inklusive iPhone 7. Allerdings drosselt der Exynos-SoC bei Dauerbelastung kurzzeitig – beim vierten Coremark-Durchlauf haben wir nur noch einen Wert von 40.000 gemessen, der SoC erholte sich aber schnell wieder. Beide Geräte, S8 und S8+, erzielten bei den Benchmarks gleiche Werte.

Bei der Laufzeit gibt es ebenfalls nichts zu meckern: Das S8 holt aus seinem nicht austauschbaren 3000-mAh-Akku 15,3 Stunden WLAN-Surfen bei 200 Candela Bildschirmhelligkeit – beim S7 waren es 15,2 Stunden. Das S8+ (mit 3500-mAh-Akku) schafft 16,8 Stunden (S7 Edge 16,6 Stunden).

Unter der Haube gibt es im Vergleich zum S7 einige interessante Neuerungen: So unterstützt das GPS-Modul neben GPS, Glonass und Beidou auch das europäische Satellitensystem Galileo. Außerdem ist Bluetooth 5.0 am Start, das unter anderem „Dual Audio“ beherrscht. Damit lassen sich zwei Bluetooth-Audiogeräte gleichzeitig vom Smartphone bespielen. Sinnvoll ist das zum Beispiel, beim Filmschauen zu zweit – mit Kopfhörern. Wer einen Raum per Dual-Audio mit zwei Bluetooth-Lautsprechern beschallen will, muss mit Echo-Effekten leben, denn die Tonausgabe ist nicht ganz synchron.

Als eines der ersten Smartphones beherrscht das S8 die DisplayLink-kompatible Videoausgabe per USB-C (bis zu 4K-Auflösung mit 60 Hz) – testen konnten wir die Funktion mangels Adapter noch nicht. Ältere Samsung-Telefone verwendeten dafür übrigens die MHL-Technik, beim S6 und S7 verzichtete man dagegen ganz auf Videoausgabe über USB.

Nicht testen konnten wir außerdem die zusammen mit dem S8 und dem S8+ angekündigten Zubehörgeräte DeX Station (Dock für den Desktop-Betrieb), Gear 360 (Rundum-Kamera) und Gear VR (Virtual-Reality-Headset); die Produkte sind bislang noch nicht erhältlich.

Fazit

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Tabelle: Android-Smartphones

Die beiden S8-Smartphones spielen in Sachen Design und Technik in der Champions-League, in Sachen Software leider nur in der Bezirksliga: Zwar hat uns die „Samsung-Experience“-Oberfläche insgesamt gut gefallen, der völlig unnötige und uninspirierte Bixby-“Assistent“ nervt jedoch gewaltig, zumindest in der aktuellen Software-Version. Glücklicherweise muss man das Teil nicht benutzen. Wer die Samsung-Oberfläche nicht mag, kann zudem einen alternativen Launcher installieren – Android sei Dank.

Hardware-technisch lässt das S8(+) jedoch keine Wünsche offen: Wasser- und Staubschutz nach IP68, Speicherkarten-Slot, lange Akkulaufzeit, Top-Kamera, beeindruckendes Breitbild-Display, 4 GByte RAM, superschneller SoC – diese Kombination bietet zurzeit kein anderes High-End-Handy. Allerdings lässt sich Samsung die Technik-Zauberei auch fürstlich bezahlen: Fürs S8 muss man 800 Euro, fürs S8+ 900 Euro auf den Tisch legen. (jkj@ct.de)