MIT Technology Review 4/2020
S. 68
Fokus
Prognosen
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Was werden wird

Lässt sich die Zukunft wirklich berechnen? Kommt drauf an, was passiert ist.

Von Wolfgang Stieler

Was soll nur werden? Um in die Zukunft zu sehen, haben Menschen die absonderlichsten Dinge getan: In den Organen von Opfertieren gewühlt, in glitzernde Kristalle geblickt und Karten gelegt. Die Erfolge waren zweifelhaft und beruhten in der Regel darauf, die Vorhersage möglichst vieldeutig zu formulieren. Mit dem Aufschwung der Wissenschaft schwenkten Propheten auf andere Methoden um: Sie produzierten – nach exzessivem Studium wissenschaftlicher und technischer Literatur ­– so viele Prognosen, dass immer der eine oder andere Zufallstreffer unter ihnen war. Manchmal waren es sogar erstaunlich viele (siehe Seite 78).

Die Zukunft wirklich berechenbar zu machen, ist jedoch ein Produkt der neuzeitlichen Mathematik. Zwar waren bereits antike griechische Philosophen wie Heraklit und Demokrit davon überzeugt, dass es keine übersinnlichen Kräfte braucht, um die Zukunft vorherzusehen, weil das zukünftige Geschehen allein durch Naturgesetze bestimmt ist. Wie aber dieser „Determinismus“ funktionieren könnte, skizzierte erstmals der französische Mathematiker Pierre-Simon Laplace 1814. Er schrieb, wenn es einen rationalen „Weltgeist“ gäbe, der die Gegenwart mit allen Details kennt, könne dieser auch „die Vergangenheit und Zukunft des Weltgeschehens in allen Einzelheiten beschreiben“.