MIT Technology Review 4/2020
S. 78
Fokus
Prognosen
Watkins sah Innovationen wie Mobiltelefone und Hochgeschwindigkeits­züge voraus. Bild: Shutterstock, Ladies Home Journal

Prophetisches von gestern

John E. Watkins jr. hat 1900 beschrieben, wie er die Welt in 100 Jahren sieht – und verblüffend oft recht behalten.

Von Joseph Scheppach

Zu Neujahr 1900, mitten im goldenen Zeitalter der ersten industriellen Revolution, veröffentlichte John Elfreth Watkins jr. (1852–1903) einen etwa 300 Zeilen langen Text. Auf Seite acht der US-Zeitschrift „Ladies Home Journal“ beschrieb er unter dem lapi­daren Titel „Was in den nächsten hundert Jahren passieren könnte“ verblüffend genau technische und gesellschaft­liche Entwicklungen des späten 20. Jahrhunderts: von Kochboxen über Videokonferenzen bis hin zu Tragflügelbooten.

Wer war dieser Mann? Viel ist nicht über ihn bekannt. Auf dem einzigen überlieferten Foto schaut uns ein freundlicher Herr mit Schnauzer entgegen. Watkins war ein leitender Eisenbahn-Ingenieur bei der Pennsylvania Railroad und brachte sich als Autodidakt Grundkenntnisse in Physik, Mechanik, aber auch in Ökonomie, Demografie und Statistik bei. Nachdem er durch einen Unfall 1873 sein rechtes Bein verlor, wurde er in New York Museumskurator und Publizist für Eisenbahntechnologie. Später arbeitete er als Kurator eines Industrie- und Haushalts­warenmuseums.