c't 4/2016
S. 102
Kaufberatung
Flatrate statt TV
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Screenshot: Blender Foundation, www.sintel.org

Video total

Flatrate statt Fernsehen

„Smart, aber lahm“ – in dieser Rubrik haben die meisten Kunden ihre Erfahrungen mit dem vernetzten Unterhaltungsangebot der ersten Smart TVs verbucht. Nun sorgt eine neue Generation flotter Settop-Boxen für unterhaltsame Fernsehabende, die prall gefüllten Kataloge der Flatrate-Anbieter liefern das passende Guck-Futter.

Wer wissen will, was „Fernsehen“ heutzutage ist, muss nur ein paar Vorschulkinder beobachten. Für sie ist das Familien-Tablet ganz selbstverständlich auch „TV-Gerät“. Kommt tatsächlich mal eine Sendung mittels TV-Signal ins Wohnzimmer, sind sie verwundert, dass sich diese nicht anhalten oder zurückspulen lässt.

Mit linearem TV-Programm vergangener Tage hat der moderne Medien-Mix immer weniger gemein: Stetig wachsende Bandbreite, leistungsstarke Prozessoren und effiziente Video-Codecs sind der Mix, der Video-Streaming attraktiver macht als den klassischen Digital-TV-Empfang. Wer noch keinen passenden Smart TV hat oder mit einem lahmen Fernseher geschlagen ist, kann unter einer ganzen Reihe leistungsstarker TV-Boxen wählen, die diverse Videoangebote schnell und problemlos auf den Bildschirm bringen.

Inzwischen sind die ersten VoD-Angebote technisch an der klassischen TV-Übertragung vorbeigezogen – mit On-Demand-Videos in ultrahoher Auflösung mit 3840 × 2160 Bildpunkten (Ultra High Density, UHD). Passende Fernsehsendungen lassen hingegen immer noch auf sich warten – und bis 4K-Sendungen im Free TV laufen, dürften noch Jahre vergehen.

Dass Video-Flatrates in aller Munde sind, ist durchaus kein Zufall. Die ersten Streaming-Portale sind zwar schon seit ein paar Jahren aktiv, aber erst mit dem Deutschland-Start des US-Anbieters Netflix ist das Thema ins Bewusstsein einer breiten Masse vorgedrungen: Das Säbelrasseln der Werbeschlacht zwischen Netflix und dem Handelsriesen Amazon war kaum zu überhören. Immer mehr Menschen stellen die Frage: „Glotzt du noch oder streamst du schon?“

Testfeld

In Deutschland stellen fünf Flatrate-Anbieter ein Rundum-Angebot bereit: Amazon Prime Video, Maxdome, Netflix, Sky Online und Watchever. Außen vor gelassen haben wir Dienste wie MUBI und Realeyz Plus, die sich auf Arthouse-Filme spezialisiert haben und daher nicht in direkter Konkurrenz zu den großen Anbietern stehen. In unserer Kaufberatung ab Seite 108 erfahren Sie, wie sich die Dienste auf den beliebtesten TV-Boxen wie Apple TV, Google TV und Fire TV nutzen lassen.

Wer auf den Geschmack gekommen ist, wird sich schnell fragen, ob man nicht ganz ohne klassisches TV-Signal auskommt. Wie das klappt, verrät unser Praxis-Artikel ab Seite 110. Der Report ab Seite 114 beschäftigt sich schließlich mit der illegalen „Konkurrenz“ der Video-Flatrates und bewertet rechtlich, wovon man die Finger lassen sollte – und was noch okay ist.

Video-Flatrates

Das Streamen von Videos ermöglicht neue Komfort-Funktionen. Bei Amazon Prime Video lassen sich via X-Ray Informationen zu den in einer Filmszene aktiven Schauspielern oder zur Filmmusik abrufen.

Die Flatrate-Angebote lassen sich untereinander nur schwer vergleichen, weil Amazon und Netflix mittlerweile stark auf Eigenproduktionen – sogenannte „Originals“ – setzen. Alle getesteten Dienste werben darüber hinaus mit exklusiven Serien.

Allerdings wird letzterer Begriff teilweise recht stark gedehnt: So führte Amazon „Revenge“ und „Scandal“ und Maxdome „Hannibal“ in dieser Kategorie auf, obwohl sich die Exklusivität zum Testzeitraum jeweils nur auf eine Staffel beschränkte. Der Rest war auch in anderen Flatrate-Angeboten enthalten.

Um uns einen Überblick zu verschaffen, ermittelten wir wie in [1] zunächst, wie viele Titel die einzelnen Dienste überhaupt im Sortiment haben. Das Angebot der Dienste glichen wir dann mit einer Liste von 25 Serien ab, die wir aus den aktuellen Charts der deutschen Fanseite Serienjunkies.de und der US-Seite TV.com gebildet hatten, sowie die Allzeit-Charts, die 25 beliebte Produktionen der vergangenen Jahre enthielt. Letztere ermittelten wir aus Aufstellungen bei TV.com und der Internet Movie Database.

Immer häufiger bieten VoD-Dienste zudem US-Serien bereits kurz nach der TV-Ausstrahlung an. So feierten etwa die Episoden von „The Shannara Chronicles“ bei Amazon schon einen Tag nach der US-Ausstrahlung Deutschland-Premiere. Netflix brachte seinerseits „Shadowhunters“ und Sky Online „Billions“ – letztere Serie aber nur im englischen Original mit deutschen Untertiteln.

Im Ergebnis wartet man hier also wieder wie beim klassischen Fernsehen Woche für Woche auf eine neue Folge. Dieses Modell wollten die VoD-Dienste eigentlich begraben, indem sie den Kunden generell die Möglichkeit bieten, mehrere Folgen einer Fernsehserie am Stück anzuschauen.

Tatsächlich haben gerade Serien ein hohes Suchtpotenzial, da sie Episode an Episode reihen und den Spannungsbogen meist durch einen Cliffhanger am Ende der Folge kräftig anspannen. Die Versuchung, zumindest noch in die nächste Folge hineinzulinsen, ist groß. Statt zwei Episoden flimmern beim Serienmarathon, dem sogenannten „Binge Watching“, oft ganze Staffeln über den Schirm.