c't 16/2016
S. 118
Reportage
Mobile Payment
Aufmacherbild

Bye-bye, Bargeld

Mit dem Smartphone bezahlen

Cash und Karten sind out – zumindest glauben das die gerade aus dem Boden schießenden Mobile-Payment-Start-ups. Was ihnen Recht gibt: Man kann auf einmal in fast jedem Supermarkt mit dem Handy bezahlen.

Wussten Sie, dass man in praktisch allen deutschen Supermärkten per Smartphone bezahlen kann? Wir bislang auch nicht – denn jahrelang hat die Mobile-Payment-Branche zwar viel getrommelt, aber keine wirklich flächendeckend funktionierenden Lösungen an den Start gebracht. In den letzten Monaten ist jedoch viel passiert: Noch bevor die potenziellen Platzhirsche Google und Apple mit ihren „Pay“-Produkten hierzulande einen Fuß in der Tür haben, ist die Konkurrenz mit Macht vorgeprescht. Start-ups und Mobilfunk-Provider bieten sogenannte Wallets an, in denen man virtuelle Kreditkarten aufbewahrt – und damit fast überall bezahlen kann, wo das auch mit „echten“ Karten geht. Die Edeka-Gruppe hat für Netto-, Marktkauf- und Edeka-Märkte eigene Bezahl-Apps entwickelt; und auch die Bonuspunktesammler von Payback buhlen mit einem eigenen App-Bezahlsystem um Kundschaft an der Kasse. Und dann gibt es auch noch Systeme wie die anonyme Bitcoin-App Pey.

Doch zuerst zum Elefanten im Raum: Wofür soll Bezahlen mit dem Smartphone eigentlich gut sein? Gerade in Deutschland dürften sich das viele Menschen fragen – schließlich hat sich hierzulande noch nicht einmal die Zahlung per Bank- oder Kreditkarte so flächendeckend durchgesetzt wie beispielsweise in den USA oder in Schweden.

Handy ist eh in der Hand

Ein Argument für Mobile Payment ist sicherlich die immer stärkere Smartphone-Nutzung: Wer das Handy ohnehin den ganzen Tag in der Hand hält – zum Beispiel beim langweiligen Schlange stehen an der Supermarktkasse –, freut sich vermutlich darüber, wenn er direkt damit bezahlen kann.

Außerdem tendieren Portemonnaies heutzutage zu Überfüllung – meist nicht wegen des vielen Bargelds, sondern wegen zahlloser Bank-, Kredit-, Schlüssel-, Bezahl- und Kundenkarten. Die verfetten nicht nur die Geldbörsen, sondern sorgen auch für hektisches Gefummel an der Kasse. Die digitalen Wallets versprechen, den unübersichtlichen Kartenhaufen zu virtualisieren.

Händler zahlen weniger

Dass man hierzulande auf einmal in so vielen Geschäften mit dem Smartphone bezahlen kann, ist mit der grassierenden Handy-Manie allein nicht zu erklären. Schließlich durfte man vor wenigen Jahren in vielen Supermärkten noch nicht einmal mit EC-Karte bezahlen – Aldi zum Beispiel hat die Kartenzahlung erst 2009 flächendeckend eingeführt.

Kreditkartenzahlungen im Supermarkt sind ein noch jüngeres Phänomen und waren bis vor Kurzem noch unerhört. Der Grund für die neue Kartenliebe des Handels liegt (natürlich) am Geld: Im Dezember vergangenen Jahres hat die EU die Abgaben für Kredit- und andere Bankkarten gedeckelt: Banken dürfen bei Zahlung mit Debit-Karten (umgangssprachlich „EC-Karten“) nur noch ein Entgelt von 0,2 Prozent der Zahlungssumme erheben, bei Zahlungen mit Mastercard und Visa nur 0,3 Prozent – zuvor waren Abgaben von bis zu 3 Prozent fällig. Das Resultat: Fast überall kann man nun mit Karte zahlen, und auch die „Kartenzahlung erst ab 20 Euro“-Schilder verschwinden immer häufiger.

Wenig kontaktfreudig

Falls Sie sich jetzt fragen, was Kreditkarten mit Smartphone-Bezahlen zu tun haben: Ziemlich viel. In geschätzt 100 000 Geschäften in Deutschland, in denen das „Kontaktlos“-Wellen-Symbol von Visa und Mastercard prangt (siehe S. 122), kann man nicht nur mit Karte bezahlen, sondern auch mit Smartphone-Wallets wie Boon und künftig wohl auch mit Apple Pay oder Android Pay.

Die häufig in den USA anzutreffenden „Apple Pay accepted here“-Aufkleber sind deshalb ziemlich irreführend: Technisch handelt es sich beim Bezahlen mit Wallet-Apps (wie Apple Pay) um eine stinknormale Kartenzahlung – die auf dem bereits über 20 Jahre alten EMV-Standard fußt. Der Name bezieht sich auf die drei Firmen Europay, MasterCard und Visa, die den Standard 1993 ins Leben gerufen haben.

Ihre eigenen NFC-Labels wie PayPass (Mastercard) und PayWave (Visa) haben die Kreditkarten-Firmen zugunsten der Kompatibilität aufgegeben. Der Kunde kann davon ausgehen, dass alle Systeme funktionieren, wenn irgendwo das Kontaktlos-Symbol auftaucht, und zwar sowohl mit kontaktlosen Debit-Karten (Maestro von Mastercard, V Pay von Visa), Kreditkarten (Mastercard und Visa) sowie NFC-Wallets auf dem Smartphone. Zwar wäre es theoretisch denkbar, dass ein Händler kontaktlose Zahlungen eines Anbieters ablehnt – aber in der Praxis sollte das nicht vorkommen. Schließlich zahlt der Händler immer die gleichen (gedeckelten) Abgaben – und er will den Kunden ja mit einer möglichst großen Auswahl an Zahlungsmöglichkeiten glücklich machen.