c't 15/2016
S. 102
Praxis
Clever Zeit sparen
Aufmacherbild

Clever Zeit sparen

Dinge auf die Reihe kriegen – mit Konzept und Software

Haben Sie auch immer weniger Zeit für immer mehr Dinge, um die Sie sich kümmern müssen? Dann sollten Sie mit den richtigen Mitteln Ihre Aufgaben priorisieren, planen und Ihr Zeitmanagement kontrollieren. Das Smartphone und die Cloud helfen dabei.

Während ich diesen Artikel schrieb – wie immer unter Termindruck –, habe ich vier Meldungen auf Heise online veröffentlicht, an sechs Meetings teilgenommen, für zwei andere Artikel das Konzept gemacht, einem Kollegen etwas Text geliefert, etwa 80 E-Mails geschrieben und 12 Mal telefoniert: Das Phänomen nennt sich „Arbeitsverdichtung“ und betrifft nicht nur Journalisten.

Flache Hierarchien sind in, und das bedeutet eben auch mehr Verantwortung für den einzelnen Mitarbeiter. Der muss sich jetzt neben dem Tagesgeschäft auch um strategische Entscheidungen kümmern – gerne in langen, abteilungsübergreifenden Meetings. Und dann ist da noch das Grundrauschen, das zur Arbeit dazugehört: Kollege X will mal schnell was erledigt haben und die Assistenz braucht dringend eine Entscheidung zur Dienstreise im August.

Technische Kommunikationshilfen, die den Arbeitsalltag eigentlich vereinfachen sollen, verstärken paradoxerweise in vielen Fällen das Problem. So wird neben der E-Mail – die man auf jeden Fall für den Kontakt zum Kunden benötigt – auch ein Social Intranet aufgesetzt, zusätzlich zum Wiki und dem Firmen-Messenger. Man muss also etliche Kanäle im Auge behalten, um auf dem Laufenden zu bleiben.

Was also tun? Bessere (Selbst-)Organisation kann helfen, im Arbeitsalltag nicht unterzugehen – und im Privatleben natürlich auch. Dieser und die folgenden drei Artikel geben Ihnen dazu Handreichungen. Selbstmanagement-Methoden wie „Gettings Things Done“ (GTD) helfen, Aufgaben richtig zu priorisieren. Mit Kalendern wie Exchange/Outlook oder Google Calendar behält man seine Termine immer im Blick. Eine noch so genaue Planung nutzt Ihnen allerdings nichts, wenn Sie den Erfolg Ihrer Maßnahmen nicht messen. Nur so können Sie feststellen, ob Ihr Zeitmanagement erfolgreich war.

Produktivitätsgift Synchronizität

Der Schlüssel zur Produktivität ist, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren und nichts anderes nebenher zu tun. Im Idealfall kommt man so in einen Flow, in dem man alles andere ausblendet und eine Aufgabe sehr zielgerichtet und schnell abarbeitet: Der Idealzustand für maximale Produktivität – das kann jeder bestätigen, der das schon einmal erlebt hat.

Die Kommunikationskultur vieler Unternehmen macht es heute aber fast unmöglich, sich auf eine einzige Sache zu konzentrieren. Denn es gibt oft keine Kultur des „Jetzt nicht, später“ jeder hat stets für jeden da zu sein.

Besonders deutlich wird das beim Thema E-Mail. Das sollte eigentlich ein asynchrones Medium sein: Man bearbeitet E-Mails, wenn man Zeit hat – so die Theorie. In vielen Unternehmen wird das konsequent ignoriert. Wer nicht zügig auf Mails antwortet, ist faul oder unfähig oder beides. Diese Haltung führt dazu, dass viele Anwender das E-Mail-Programm immer geöffnet haben und alle paar Minuten nach neuen Nachrichten sehen – oder sich sogar per Alarm darüber informieren lassen.

Das aber ist Gift für die ursprünglich in Angriff genommene Arbeit. Schon wer nur mal eben nach neuen Mails schaut, ist bereits raus aus dem Flow. Und oft bleibt es nicht dabei. Man scannt die Betreffzeilen der neuen Nachrichten, und vielleicht antwortet man auch schon mal. Dann hat man sich aber mit mehreren Dingen befasst, die nichts mit der Aufgabe zu tun haben, welche ursprünglich erledigt werden sollte. Studien belegen, dass es nach einer solchen Unterbrechung mehrere Minuten dauert, bis man sich wieder auf die ursprüngliche Aufgabe konzentrieren kann.

Aus einem solchen Teufelskreis kommen Sie nicht alleine heraus. Dieses Problem können Sie nur gemeinsam mit Ihren Mail-Partnern lösen beziehungsweise auf Firmen- oder Abteilungsebene. Einige Unternehmen haben ein Problembewusstsein für den Produktivitätskiller E-Mail entwickelt und rufen zu E-Mail-freien Tagen oder zur „Slow E-Mail“ auf, bei der man sich nur zweimal am Tag der Mail widmet. Es gibt noch etliche weitere Gründe, weshalb E-Mail nervt, und viele Tipps, wie man damit umgeht. Wir haben das Thema vor einem Dreivierteljahr in einem eigenen Schwerpunkt ausführlich beleuchtet [1].

Regengeprassel, Gewitteratmosphäre, Wind, Blätterrauschen, Wassergeplätscher, Feuerknistern und vieles mehr: Bei Noisli kann man sich seine individuelle Geräuschkulisse zusammenstellen.

Mitunter werden andere, neue Kommunikationsmittel als Ersatz für althergebrachte Medien wie E-Mail gepriesen. Doch auch diese helfen nicht, wenn sich darin schlechte Kommunikationsgepflogenheiten etablieren – seien es nun Intranets oder Messenger, wie das in Firmen derzeit populäre Slack. Die Redaktion des Online-Magazin Vice Motherboard setzte über einen längeren Zeitraum Slack als zentrales Kommunikationsmedium ein. Im Mai allerdings hat man den Stecker gezogen. Diskussionen bei Slack hätten zu viel Zeit gefressen, die dann zum eigentlichen Publizieren fehlte. Außerdem habe Slack die Mitarbeiter davon abgehalten, konzentriert am Stück zu arbeiten.

Tür zu, Kopfhörer auf

Es gilt aber nicht nur, die elektronischen Kommunikationskanäle zu bändigen. Eine gute E-Mail-Kultur nutzt gar nichts, wenn der Kollege, statt auf eine E-Mail zu warten, persönlich vorbeikommt: Herausgerissen ist man dann auch – und alle anderen Kollegen, die mit im Büro sitzen, ebenfalls.

Höhenverstellbare Schreibtischaufsätze ermöglichen es, schnell zwischen stehendem und sitzendem Arbeiten zu wechseln.

Sie müssen also dafür sorgen, dass Sie in Phasen, in denen Sie konzentriert arbeiten möchten, in Ruhe gelassen werden. Bei c’t zum Beispiel sind die Türen der Büros normalerweise geöffnet. Die Kollegen einiger Büros signalisieren mit geschlossenen Türen und Türschildern von Zeit zu Zeit unmissverständlich, dass sie nicht gestört werden möchten.

Das funktioniert natürlich nicht perfekt – es kann immer mal etwas Wichtiges zu klären geben und auch das Telefon klingelt manchmal. Aber die Kollegen, die so arbeiten, bestätigen, dass in den Phasen mit verschlossener Tür tatsächlich weniger Leute vorbeikommen und sie konzentrierter arbeiten können.

Kein Schnickschnack: Durch ihre reduzierte Bedienoberfläche sollen ablenkungsfreie Editoren wie Zenpen helfen, sich auf den Text zu konzentrieren.

In einem Großraumbüro haben Sie keine Chance, eine Tür zuzumachen. Dort müssen Sie versuchen, sich anders von Ablenkungsquellen abzukapseln. Gespräche anderer Kollegen oder andere störende Geräuschquellen lassen sich zum Beispiel mit Musik oder mit speziell dafür entwickelten Geräuschgeneratoren überdecken – per Kopfhörer, versteht sich, idealerweise einem Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung. Ein Kopfhörer sendet zudem ein starkes Signal an Kollegen aus – er zeigt ihnen schon von Weitem, dass Sie konzentriert arbeiten wollen.

Die Website Noisli hält kostenlos eine ganze Palette von Geräuschen bereit, die bei der Fokussierung helfen sollen. Bei myNoise.net können Sie sich sogar eine eigene Geräuschkulisse maßschneidern. Es gibt aber auch die Möglichkeit, sich durch Musik abzuschotten, zum Beispiel mit den pushenden Techno-Stücken bei jedentageinset.de.

Wenn Sie die Kommunikationskanäle und das Arbeitsumfeld im Griff haben, können Sie aber immer noch selbst der Grund für eine Ablenkung sein: Neigen Sie zum Prokrastinieren? Schnell hat man mal den Browser mit der News-Site aufgemacht, wenn die Gedanken nicht fließen wollen – man könnte ja was verpassen. Dann ist man aber schon wieder gedanklich weg von dem, was man eigentlich machen wollte.

Eine Reihe von Tools kann Ihnen helfen, wenn Sie zu solchem Aufschiebeverhalten neigen und sich selbst ein wenig mehr maßregeln wollen. StayFocusd zum Beispiel ist eine Chrome-Erweiterung, mit der Sie sich den Zugriff auf Zeit raubende Websites beschränken.

Eine umfassendere Prokrastinationsbremse lässt sich mit den Bordmitteln von Windows realisieren: In den Kontoeinstellungen legen Sie dazu ein neues Kind-Konto für sich selbst an. Mit den Kinderschutzeinstellungen legen Sie nun die Apps fest, die dieses Konto starten dürfen, und beschränken den Zugriff auf vorgegebene Websites.

In Bewegung bleiben

Ein schlecht platzierter Monitor, ein falsch eingestellter Tisch oder einfach nur zu wenig Bewegung wirken sich negativ auf die Konzentrationsfähigkeit aus, verursachen Kopf- und andere Schmerzen oder andere gesundheitliche Probleme.

Ohnehin sollten Sie nicht stundenlang in einer Position verharren, sondern immer in Bewegung bleiben. Wenn Sie sitzen, sollten Sie möglichst häufig Ihre Sitzposition wechseln, zum Beispiel zwischen weit vorn und weit hinten auf dem Stuhl. Ideal wäre es, wenn Sie öfter zwischen Sitzen und Stehen wechseln. Besonders gut geht das mit elektrisch höhenverstellbaren Schreibtischen. Wir haben dem Thema Ergonomie vor einiger Zeit einen Schwerpunkt gewidmet, in dem wir auch solche Tische getestet haben [3, 4]. Wenn Sie nicht gerade konzentriert arbeiten – stehen Sie immer mal auf und laufen Sie ein paar Schritte. Ein Spaziergang eignet sich, um nach ein paar Stunden Büroarbeit den Akku wieder aufzuladen.

Für Augen ist es anstrengend, ihre Empfindlichkeit immer wieder zwischen einem hellen Display und dem nur schummrig beleuchteten Büro umstellen zu müssen. Daher sollten Sie immer das Licht von Monitor und Büro anpassen. Die App f.lux stellt die Farbtemparatur von Monitoren abhängig von der Uhrzeit ein, um Ermüdungseffekte zu vermindern. In Monitoren sollten sich keine Lichtquellen spiegeln.

Der Körper braucht Pausen, um sich zu erholen. Ein bewährter Wert sind zum Beispiel fünf Minuten Pause nach 25 Minuten Arbeit, wie sie die Pomodoro-Technik vorsieht (siehe den folgenden Artikel). Aber auch wer Pomodoro nicht einsetzt, sollte sich gelegentliche Auszeiten gestatten. Ich gönne mir ab und zu eine Viertelstunde mittäglichen Power Nap – nach dem das Gehirn wie frisch formatiert ist: Die ganzen Gedankenbruchstücke vom Vormittag, die im Hinterkopf noch kreisten, sind danach weg. Unternehmen wie Google richten für das gezielte Erholen ihrer Mitarbeiter eigens Ruheräume ein.

Grenzen ziehen

Die hier und in den folgenden Artikeln vorgestellten Konzepte und Anwendungen können Ihnen helfen, Ihre Produktivität zu erhöhen – aber nicht beliebig. Irgendwann schlägt die Selbstoptimierung in Selbstausbeutung um. Spätestens wenn Sie feststellen, dass Sie trotz guter Planung Ihre Aufgaben nicht in der zur Verfügung stehenden Zeit bewältiget bekommen, sollten Sie mit Ihrem Chef sprechen.

Mit den in dem Artikel ab Seite 116 vorgestellten Methoden können Sie ihm dann detailliert belegen, wie viel Zeit Sie auf welche Aufgabe verwendet haben. Und wenn Sie Ihr Arbeitsfeld mit GTD analysiert haben, können Sie ihm auch gleich Vorschläge unterbreiten, welche Jobs vielleicht nicht so wichtig sind und wegfallen können. (jo@ct.de)