c't 3/2023
S. 38
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Vermisste Chips des Jahres 2022 und ein RISC-V-Rechnerlein

Apple M2 Pro, 3-Nanometer-Chips und Tachyum Prodigy haben eines gemeinsam: Sie kommen später als erwartet. Raspberry-Pi-Mastermind Eben Upton sieht bisher zu geringe RISC-V-Vorteile, aber ein Raspi-Konkurrent mit RISC-V legt los.

Von Christof Windeck

Schaut man zu Jahresbeginn zurück, fallen die nicht eingelösten Versprechen fürs Vorjahr ins Auge. Intel will nun endlich den Xeon SP Gen 4 mit 10 Nanometern (Intel 7) liefern (siehe S. 40). Aber wo bleiben die eigentlich längst erwarteten 3-Nanometer-Chips? Samsung hatte im Juni 2022 den Start der Fertigungstechnik 3GAE mit Gate-All-Around-(GAA-)Transistoren verkündet. Ende Juli wurden demnach solche Chips bereits an ungenannte Kunden ausgeliefert. Auch TSMC hat im vierten Quartal 2022 mit der Serienfertigung von N3-Chips losgelegt. Doch bisher hat noch kein Chiphersteller ein konkretes 3-Nanometer-Produkt angekündigt.

Erste Exemplare des Raspi-Konkurrenten StarFive VisionFive V2 mit RISC-V-Chip sind in Deutschland eingetroffen. Es gibt aber noch Probleme mit der Firmware., Bild: heise online/Dirk Knop
Erste Exemplare des Raspi-Konkurrenten StarFive VisionFive V2 mit RISC-V-Chip sind in Deutschland eingetroffen. Es gibt aber noch Probleme mit der Firmware.
Bild: heise online/Dirk Knop

Vielleicht warten die TSMC-Kunden auf die weiter optimierte N3E-Technik, die aber erst Ende dieses Jahres – also ein Jahr nach N3 – anlaufen soll. Denn wie Mitte Dezember bekannt wurde, gibt es ein Problem mit dem Flächenbedarf von SRAM-Speicherzellen in N3-Technik: Sie schrumpfen im Vergleich zu N5 nicht. Dass nicht wenigstens ein kleiner SRAM-Flächenvorteil möglich ist, hat es bei vergangenen Generationswechseln der Chipfertigungstechnik wohl noch nie gegeben. Und SRAM belegt bei modernen Prozessoren und Grafikchips einen erheblichen Teil der Chipfläche.

Der Umstieg auf neueste Fertigungstechnik ist sehr teuer, alleine die Belichtungsmasken für einen aktuellen Prozessor kosten um die 30 Millionen US-Dollar. Daher kalkulieren Chipfirmen sehr genau, unter welchen Bedingungen sich der Aufwand lohnt. Chiplet-Technik kann helfen, die Auswirkungen des SRAM-Skalierungsproblems abzumildern. Dabei stapelt man etwa einen Teil des Cache als Chiplet auf, das man mit älterer und billigerer Technik produzieren lässt. Das nutzt beispielsweise AMD bei den Ryzens und Epycs mit „3D V-Cache“. Doch der Aufwand fürs komplizierte (3D-)Packaging mehrerer Chiplets etwa mithilfe von Through Silicon Vias (TSV) kostet ebenfalls einen Aufpreis.

Fest steht jedenfalls: Apple brachte 2022 keinen M2 Pro und nutzt beim M2 weiterhin TSMC N5, ebenso wie beim Vorgänger M1 aus dem Herbst 2020. Die Fertigungstechnik N3 oder N3E würde vom Namen her jedenfalls gut zum M3 passen.

Auch der spannende, weil angeblich superschnelle Tachyum Prodigy ist 2022 nicht erschienen und soll also erst im laufenden Jahr gegen Intel Xeon, AMD Epyc und Nvidia H100 antreten.

Pro und contra RISC-V

Dass im Jahr 2023 ein Raspberry Pi 5 erscheinen wird, ist unwahrscheinlich. In einem Interview mit dem britischen YouTuber Chris Barnatt nannte Raspi-Mastermind Eben Upton 2023 ein „Erholungsjahr“. Die Raspi-Macher wollen nach den Lieferengpässen wieder in normales Fahrwasser kommen. Auch einem RISC-V-Raspi erteilte Upton vorerst eine Absage: Er erwartet bei Kosten, Performance und Software noch auf Jahre hinaus keine relevanten Vorteile im Vergleich zu ARM-Rechenkernen, jedenfalls bezogen auf Einplatinencomputer wie den Raspi.

Das sieht die Europäische Union ganz anders: Sie fördert bereits im Rahmen des EuroHPC Joint Undertaking (EuroHPC JU) die Entwicklung des „Rhea“-Prozessors mit ARM-Kernen und unter anderem RISC-V-Beschleunigern. Nun vergibt die EU weitere 270 Millionen Euro an Fördermitteln ausdrücklich für die Entwicklung starker RISC-V-Chips.

Ursprünglich hatte man schon 2021 den Europaprozessor Rhea der European Processor Initiative (EPI) erwartet, doch die mit seiner Entwicklung betraute Firma SiPearl lieferte auch 2022 nicht. Dabei ist Rhea eher als Testvehikel gedacht, erst der Nachfolger Cronos ist für den praktischen Einsatz etwa in EU-Supercomputern vorgesehen. Der hätte zwei Jahre nach Rhea starten sollen und ist nun also wohl erst 2025 zu erwarten.

Vom Raspi-Konkurrent StarFive VisionFive V2 mit dem chinesischen RISC-V-Chip JH7110 wurden erste Vorabversionen geliefert, bei denen es mit Linux aber noch deutlich hakt. Wir warten auf unser bestelltes Exemplar, das für Anfang Dezember versprochen war. (ciw@ct.de)

Podcast Bit-Rauschen: ct.de/ya9a

Kommentieren