c't 1/2022
S. 58
Titel
Open Source Hardware
Bild: Albert Hulm

Technik selbst gestalten

Open-Source-Hardware: verstehen, bauen, nutzen und verbessern

Wenn man seine eigenen Geräte selbst zusammenschraubt, weiß man am besten, was drinsteckt und wie man sie nach einem Defekt wieder zum Laufen bringt. Doch man muss das Rad nicht immer wieder selbst neu erfinden: Nachhaltige Open-Source-Hardware plant und baut man gemeinsam mit anderen. Wir bringen Sie auf den aktuellen Stand.

Von Maximilian Voigt und Dr. Daniel Wessolek

Heiligabend liegen unter vielen Tannenbäumen moderne technische Geräte. Doch wenn etwa die Actionkamera erst über den Download einer 350 MByte großen App auf das Android-Smartphone zum Funktionieren gebracht werden kann oder ein zur Aktivierung notwendiger Spezialadapter nicht im Lieferumfang ist, wird aus der Feststimmung Fruststimmung.

Das ist nur eines von zahlreichen Beispielen dafür, dass proprietäre Lösungen oft schlechter sind als offengelegte Technik. Viele Firmen entwickeln jeweils eigene Kabel, Schnittstellen und Accessoires, die nur zur eigenen Hardware kompatibel sind. Die Verbindung derart zugenagelter Hardware mit geschlossener Software verhindert, dass Verbraucher diese frei einsetzen können. Stattdessen sind sie beispielsweise gezwungen, sich ständig zusätzliche Nutzerkonten anzulegen, obwohl sie eigentlich nur ein Bild knipsen oder scannen möchten.

Auslaufende Updates, fehlende Ersatzteile, schlechte Dokumentation und Schikane-Chips in Druckerpatronen machen Geräte unbrauchbar. Das zieht Konsumenten nicht nur das Geld aus der Tasche, es ist auch umweltschädlich, besonders, wenn es um die Reparierbarkeit geht. Die Verbraucher verkümmern so zum Spielball der Tech-Konzerne.

Offene Hard- und Software könnte das ändern. Versierte Entwickler und Unternehmen sind damit in der Lage, Alternativen zu schaffen, die beispielsweise dem Nutzer der Actionkamera die Aktivierung beim Hersteller erspart. Doch nicht nur Privatleute, sondern auch Unternehmen und öffentliche Einrichtungen profitieren von der Open-Source-Gemeinschaft. In einer kürzlich erschienenen EU-Studie über die Auswirkungen von Open-Source-Hard- und Software auf technologische Unabhängigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Innovation in der EU-Wirtschaft heißt es: „Die Analyse schätzt ein Kosten-Nutzen-Verhältnis von über 1:4 [...] sowie mehr als 600 zusätzliche IKT-Neugründungen in der EU “ und weiter: „Der öffentliche Sektor könnte [mit Open-Source-Techniken] die Gesamtbetriebskosten senken, die Bindung an einen Anbieter vermeiden und so seine digitale Autonomie erhöhen“(alle Studien über ct.de/yvsp).

Damit nähert sich der politische Diskurs langsam an das an, was die Softwarebranche schon längst tut. So bilden frei lizenzierte Compiler, Frameworks, Bibliotheken oder der Linux-Kernel das Rückgrat zahlreicher digitaler Anwendungen. Während Open-Source-Software hinter den Kulissen unserer Smartphones und Tablets längst den Durchbruch geschafft hat, steckt offene Hardware noch in den Kinderschuhen. Auch in der EU-Studie steht das Thema eher am Rande, verspricht aber Großes mit dem verheißungsvollen Titel „The next revolution: Open Source Hardware“.

Grundvoraussetzung Offenheit

Während das bei Software verhältnismäßig leicht von der Hand geht, indem die Entwickler Code und Dokumentation auf ein Repository bei GitHub oder GitLab pushen und eine offene Lizenz wählen, ist das Vorgehen bei Hardware etwas anders. Denn hier sind immer physische Objekte im Spiel. Man braucht Infrastruktur, Materialien und das Können, all das einzusetzen, um Gegenstände zu reproduzieren. Das stellt hohe Anforderungen an die Dokumentation.

Wie auch Open-Source-Software knüpft offene Hardware an ein Grundprinzip des Internets an: Wissen zu teilen und zu transformieren. Daher spielen das Urheberrecht und Lizenzen eine große Rolle, doch Open Source ist mehr als das: Im Zentrum stehen die Möglichkeiten, Software oder Hardware verstehen, reproduzieren oder verändern zu können.

Der Protos V2 von German RepRap beruht auf dem ersten Open-Source-3D-Drucker. Alle speziellen Einzelteile lassen sich per 3D-Druck herstellen.

Ganz allgemein definiert ist Hardware offen, „deren Baupläne öffentlich zugänglich gemacht wurden, sodass alle sie studieren, verändern, weiterverbreiten […], herstellen und verkaufen können“. Es geht bei Open-Source-Hardware weniger um das physische Endprodukt selbst als um seine Dokumentation, um Quelldateien wie CAD-Zeichnungen, Platinenlayouts oder Konstruktionspläne. Diese Dateien sollten in Formaten vorliegen, die anpassbar sind. Im Idealfall fußt offene Hardware auf leicht zugänglichen Materialien und offenen Standards, denn so steigen die Chancen, dass andere sie nachbauen und verwenden.

Die Reproduzier- und Reparierbarkeit eines Gegenstandes ist wichtiger als die durchgängige Offenheit seiner Einzelteile. Viele Komponenten von Open-Source-Hardware sind beispielsweise proprietär, so stehen Open-Source-Mikrochips noch am Anfang der Entwicklung. Offene Architekturen wie RISC-V versuchen, das zu ändern und sind eine wichtige Etappe auf diesem Weg.

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