c't 25/2016
S. 142
Kaufberatung
Kopfhörer mit Geräuschunterdrückung
Aufmacherbild

Von Ruhe und Rauschen

10 Kopfhörer mit Active Noise Cancelling

Hörer über die Lauscher stülpen, einschalten und alles um einen herum verstummt – dieser Erwartung wird selbst das beste Active Noise Cancelling (ANC) nicht gerecht. Gute ANC-Kopfhörer dämmen immerhin genügend Alltag weg, um trotzdem Musik bei moderater Lautstärke genießen zu können.

Der Begriff „Active Noise Cancelling“ (ANC) weckt die Erwartung, dass damit ausgestattete Kopfhörer den Umgebungslärm tatsächlich ausknipsen. Deutlich besser beschreiben „Active Noise Control“ und „Active Noise Reduction“ die Wirkung des Verfahrens: Es geht um eine Reduktion des Umgebungslärms.

Hierzu nehmen ANC-Kopfhörer die Umgebung mit Mikrofonen auf und spielen Gegenschall hinzu, der den Außenlärm aufhebt. Wie gut das klappt, hängt vom Frequenzbereich ab – am einfachsten lassen sich tiefe Frequenzen filtern. Hochfrequente Störungen sind hingegen schlecht zu kompensieren, zumal sich deren Wahrnehmung schon durch leichte Bewegungen deutlich ändert.

Das ANC zugrundeliegende Prinzip ist uralt – das erste Patent wurde 1936 veröffentlicht. Der erste praktische Einsatzbereich waren Kopfhörer für Piloten, damit sich das Cockpit-Personal miteinander unterhalten konnte, ohne zu brüllen. Versuche zum Einsatz von ANC-Techniken in Autos und Flugzeugen waren teils erfolgreich, aber nicht kosteneffizient: Je größer der stillzulegende Raum ist, desto mehr Aufwand muss man betreiben, damit der Gegenschall keine störenden Artefakte erzeugt. Am besten funktioniert aktive Geräuschreduktion in kleinen Räumen – und die Ohrmuschel eines Kopfhörers ist ein sehr überschaubarer Raum.

Noise Cancelling: Grundprinzip

Genug Theorie: Bei der Vorbereitung der Titelstrecke „Billig gegen teuer“ [1] warfen Kollegen die Frage auf, ob es bei den ANC-Kopfhörern keine gangbaren Alternativen zu den ziemlich teuren Produkten von Bose & Co. gibt. Die Suche nach preiswerten Noise-Cancelling-Kopfhörern führte durch Dutzende von Online-Rezensionen; die interessantesten Modelle wurden bestellt und mit den bekannten Größen verglichen. Und plötzlich waren zehn ohrumschließende ANC-Kopfhörer im Haus, zu Preisen zwischen 24 bis 400 Euro. Alle wurden sowohl unter Bürobedingungen getestet als auch im Heise-Server-Raum.

Für den ersten großen ANC-Vergleich hatte sich ein Redakteur ins Flugzeug gesetzt. Danach entdeckten wir, dass der Server-Raum des Heise-Gebäudes ein ähnliches Lärmprofil besitzt wie eine Flugzeugkabine: In den Höhen pfeifen und rauschen die Lüfter; in den Mitten sirren Festplatten-Arrays. Den Untergrund bildet die enorme Klimaanlage, deren Röhren bis in Subbass-Tiefen heruntergeht. Vorteile des Server-Raums: Man muss bei der Sicherheitskontrolle nicht die Schuhe ausziehen und hat mehr Zeit zum Testen.

Von zwei Ausnahmen mit AAA-Batterien abgesehen enthalten alle Kopfhörer fest eingebaute Akkus, die per Micro-USB-Kabel aufgeladen werden. Die preiswertesten Geräte sind kabelgebunden; den schnurlosen Modellen liegen Audiokabel bei, um sie beispielsweise im Flugzeug strippengebunden zu betreiben.

Der c’t-Link am Artikelende führt zu Einzelfotos aller im Folgenden vorgestellten Kopfhörer.

Sparhörer ab 26 Dollar

Beim auch als „Airline Aviation Headset“ angebotenen Active Noise Cancelling Headphone mit „Super Bass“ von „Insermore“ machte schon der Preis misstrauisch: In chinesischen Online-Shops ist der kabelgebundene Kopfhörer für unter 26 US-Dollar zu haben; auf Amazon gibt es ihn unter der Marke „MonoDeal“ für 40 Euro. Das einzig Lobenswerte an unserem Testexemplar war der Tragekomfort – das Plastik-Headset macht keinen robusten Eindruck; der Klang ist dumpf und bassarm. Das Noise Cancelling wirkt nur in einem engen mittleren Frequenzbereich – spitzer und dumpfer Lärm kommen fast ungehindert durch.

Der AAA-batteriebetriebene 233621 H501 verspricht auf der Verpackung vollmundig „Ninety-two percent noise reduction“. Er ist in China ab 80 US-Dollar erhältlich. Optisch erinnern die Kopfhörer gewiss nicht von ungefähr an ältere Modelle der QuietComfort-Reihe von Bose. Der Klang ist dünn, das ANC reicht nicht einmal ansatzweise an das Original heran: In den Mitten und Tiefen funktioniert die Geräuschunterdrückung bestenfalls mittelprächtig, in den Höhen fehlt es an passiver Dämmung. Angesichts der Ergebnisse fragten wir uns, was die überschwänglichen Hobby-Rezensenten auf Amazon wohl geraucht haben.

Ähnlich enttäuschend war der Eindruck des bei Amazon mittlerweile nicht mehr gelisteten Bluetooth-Headsets Auna BNC-10, der aber auch mit den Labels Ausdom, Karak, Niub5 und Igadgitz ab 60 Euro erhältlich ist. Klanglich spricht der Kopfhörer zunächst an, doch auf Dauer nerven die überspitzten Höhen und der undifferenzierte Wummerbass. Das ANC rauscht sehr stark, ist aber so gut wie wirkungslos.

Mittelklasse ab 130 Euro

Also doch lieber Markenware? Unsere Überraschung war nicht schlecht, dass der 130 Euro teure Creative Aurvana ANC fast identisch zum 233621 H501 ist – auch das Noise Cancelling war genauso schwach. Noch mehr staunten wir, dass das vermeintliche Markenprodukt sogar noch einen Tick schlechter klang als der H501: belegte Höhen, stumpfer Bass.

Unterschiedliche Marken, gleiches Innenleben: Die ANC-Kopfhörer von 233621 und Creative unterscheiden sich primär in der Hörer-Abdeckung.

Der Sony MDR-ZX770BN kostet etwa dasselbe wie der Creative Aurvana ANC, bietet dafür aber deutlich mehr. Der Klang ist recht ausgeglichen, wenn auch bassarm. Das ANC rauscht relativ leise, entfaltet aber auch nur mittelprächtige Wirkung – insbesondere in den Höhen kommt noch viel Außenwelt durch, weil es an passiver Dämmung fehlt. Hier hilft es auch wenig, den Kopfhörer per Tastendruck den optimalen ANC-Modus auswählen zu lassen.

Diverse Knöpfe und Regler steuern die wesentlichen Funktionen der mit Bluetooth ausgestatteten ANC-Kopfhörer – im Bild der Sony MDR-ZX770BN. Ein Anschluss für ein Audiokabel sowie eine Micro-USB-Buchse zum Aufladen des Akkus sind immer dabei.

In derselben Preisklasse liegen der kabelgebundene Jabra Vega [2] und der schnurlose Plantronics Backbeat Pro [3], die aber beide recht stark rauschen und die Bassbetonung übertreiben. Der Backbeat Pro 2 (250 Euro) soll es besser machen – Test folgt.

Der Bluetooth-Kopfhörer JBL Everest Elite 700 [4] kostet 270 Euro, rauscht für den Preis allerdings relativ laut und schwächelt beim ANC vor allem im unteren Frequenzbereich. Höhen und Tiefen werden bei der Musikwiedergabe zwar deutlich betont, kommen aber trotzdem unverzerrt rüber.

Für 300 Euro bekommt man den kabellosen Sony MDR-100ABN. Er klingt ebenso sauber, aber natürlicher als der JBL Elite Everest. Das Noise Cancelling rauscht noch weniger als beim Sony MDR-ZX770BN, arbeitet aber wesentlich effektiver und reicht bis in die Tiefen. Gegen den MDR-100ABN sprechen nur zwei Schwachstellen: Große Ohren kommen unter den engen Ohrpolstern schnell ins Schwitzen; zudem sirrte das Testexemplar während der Bluetooth-Wiedergabe konstant in der rechten Ohrmuschel, was schnell nervt.

Königsklasse ab 380 Euro

Ab hier wird es richtig teuer: Der Bluetooth-Kopfhörer Bose QuietComfort 35 kostet 380 Euro Liste, ab 350 Euro Straße. Die Noise-Cancelling-Methoden des Herstellers werden gerne als Referenz betrachtet – tiefes Turbinenbrummen konnte bis vor Kurzem kein Konkurrent ähnlich effektiv herausfiltern.

Die Königsklasse unter den ANC-Kopfhörern: Bose QuietComfort 35 (rechts), Sennheiser PXC 550 Wireless (links) und Sony MDR-1000X (unten)

Beim konsequent auf ANC optimierten Design bleibt jedoch der Klang deutlich zurück: Bässe wirken etwas undifferenziert, die abgesenkten Mitten lassen Streicher verblassen. Im Bluetooth-Modus fehlt dem QC 35 der AptX-Codec, weshalb Android-User lieber zum kabelgebundenen QuietComfort 25 [5] greifen sollten, der 90 Euro weniger kostet. iOS-Benutzern kommt der QC 35 hingegen mit dem hochwertigen Bluetooth-Codec AAC entgegen.

Zum Kasten: So klingt ANC

Die leichte Bauweise und das ANC-Verfahren von Bose haben eine Achillesferse: Hochfrequenten Störgeräuschen kann der Kopfhörer weder passiv noch aktiv etwas entgegensetzen. Beim QC 25 führte das zur irritierenden Situation, dass der Tester bei einem Flug mit den Kopfhörern auf den Ohren einer vier Reihen entfernten Konversation Wort für Wort folgen konnte – ohne ANC verschwand das Gespräch im Dröhnen der Kabine. Auch das Schreien von Babys wird mit ANC eher verstärkt als gedämpft. Bose nennt diese Schwachstelle ein Feature – so könne man die Flugbegleiter verstehen, ohne dafür den Kopfhörer abnehmen zu müssen.

Für dieses „Problem“ hat die Konkurrenz eine elegantere Lösung gefunden: Hält man beim Sony MDR-1000X [5] die Handfläche vor die rechte Hörmuschel, schaltet der Kopfhörer kurzzeitig auf Durchzug. Dann ertönen Ansagen ebenso glasklar wie wohlgemeinte Ratschläge („Sieht voll albern aus, wie du die Hand auf den Hörer legst“). Mit AAC sowie AptX bedient Sony sowohl Android als auch iOS mit hochwertigen Bluetooth-Codecs. Die Wiedergabe steuert ein Touchpad im rechten Hörer; das Noise Cancelling lässt sich mit einem „Optimizer“ an die aktuelle Umgebung anpassen. In den meisten Situationen erzielt der Optimizer keine merkliche Verbesserung – anders im in allen Tonlagen lärmenden Server-Raum: Hier war das tiefe Grollen der Klimaanlage nach der Anpassung plötzlich weg.

Und was passt am MDR-1000X wieder nicht? Über den Klang kann man nicht klagen – der Kopfhörer betont den Bassbereich zwar ein bisschen, gibt sich ansonsten jedoch keine Blößen. Aber auch bei diesem Kopfhörer hat Sony die Entstörung nicht im Griff: Bucht sich in der Nähe ein Handy per GSM ins Netz ein, ertönt im Hörer ein lautes Störgeräusch. Im ICE kann das sehr nerven, zumal der MDR-1000X zusätzlich bei Tunneln laut ploppt. Ach ja, und: Für Menschen mit Segelohren ist er ein bisschen eng gebaut. Und er kostet 400 Euro.

Preislich sieht es beim Sennheiser PXC 550 Wireless [6] nicht besser aus. Auch hier steuert ein Touch-Feld am rechten Hörer die Lautstärke und Wiedergabe. Ein Doppeltapser reicht kurzzeitig Außengeräusche durch, was genauso albern aussieht wie beim Sony MDR-1000X. Zunächst klingt der Kopfhörer ein bisschen arg neutral – klasse für Klassik, aber bei Dance-Tracks muss man doll aufdrehen, bis die Bässe die nötige Wucht entwickeln. Drückt man am rechten Hörer auf einen kleinen Knopf, wird aber alles gut: Dann sagt eine etwas streng klingende Dame „Effektmodus Club“ und der Hörer hebt Bässe und Höhen an – aber so, dass sie weder undifferenziert loswummern noch spitz ins Gehör stechen. Mit der App CapTune für Android und iOS kann man sein eigenes Preset zusammenstellen, das dann als „Effektmodus Regisseur“ direkt im Hörer gespeichert wird.

Das Noise Cancelling lässt sich in zwei Stufen hochschalten: Im adaptiven Modus I variiert die Wirkung je nach Umgebungslärm. Richtig laute Umgebungen mit tiefen Störgeräuschen filtert der PXC 550 aber erst im Modus II gut weg. Insgesamt liegt das ANC in etwa gleichauf mit dem Sony MDR-1000X.

Wo ist hier der Haken? Für hochwertige Bluetooth-Verbindungen unterstützt Sennheiser nur AptX, aber kein AAC, was ihn für iOS-Geräte weniger attraktiv macht. Freilich lässt sich der PXC 550 – wie alle hier vorgestellten Bluetooth-Kopfhörer – auch mit Kabel betreiben, was etwa im Flugzeug praktisch ist. Aber dann kann man auch gleich zum PXC 480 greifen, der zwar nur Kabelbetrieb unterstützt und kein adaptives ANC besitzt, dafür aber auch 100 Euro weniger kostet.

Ferner liefen

Wo wir schon dabei waren, haben wir versuchsweise ein paar In-Ears mit ANC mitgetestet sowie einen On-Ear-Kopfhörer. On-Ears liegen auf den Ohren, statt sie zu umschließen, weshalb sie passiv nicht so gut dämpfen. So arbeitet das ANC des kabellosen Bang & Olufsen BeoPlay H8 in den Mitten befriedigend, lässt aber in den Höhen zu viel durch (ca. 350 Euro).

Auch wenn die Geräuschunterdrückung in den tiefen Frequenzen nicht so effektiv ist wie bei den Top-Produkten der Konkurrenz, kommt basslastige Musik immer noch laut und deutlich durch – weil der BeoPlay H8 diesen Frequenzbereich stark anhebt. Der daraus resultierende Sound klingt nicht schlecht, ist aber Geschmackssache.

Die Bassbetonung gehört beim Hersteller zum Konzept: Die In-Ears Bang & Olufsen BeoPlay H3 ANC (ca. 220 Euro) klingen ähnlich wie die On-Ears. Eigentlich sollten ANC-In-Ears dadurch, dass sie direkt im Ohrkanal stecken, die Umgebung besonders gut wegfiltern können, doch beim H3 ANC bleibt die Geräuschunterdrückung in den unteren Tiefen weit hinter den Erwartungen zurück.

Wie der H3 ANC lagern auch die In-Ears von Bose und Sony den zur Signalverarbeitung benötigten Akku in ein Kästchen aus, das am Kabel kurz vor dem Stecker hängt. Beim Sony MDR-EX750NA (ca. 120 Euro) fallen die Mikrofone am Ende der etwas lang geratenen Stöpsel ins Auge. Die Geräuschreduktion ist gerade noch durchschnittlich, erlaubt sich aber auch keine Blöße in einzelnen Bereichen. Anders beim Bose QuietComfort 20 (270 Euro): Der dämpft zwar Mitten und Tiefen sehr gut, lässt aber Sirren und Fiepen so gut wie komplett durch – was bei In-Ears schon fast ein Kunststück ist.

Fazit

Bei keiner anderen Produktkategorie rächt es sich so sehr, beim Kauf zu knausern. Alle getesteten vermeintlichen Schnäppchen enttäuschen durch unbefriedigende Geräuschreduktion und kläglichen Klang. Auch von den Mittelklasse-Geräten kann keines langfristig überzeugen.

Wer wenig ausgeben will und wirklich nur Ruhe braucht, ist mit Ohrschützern („Kapselgehörschutz“) oder Ohrstöpseln aus Wachs oder Schaumstoff besser bedient. Die reduzieren zwar tiefe Frequenzen nicht so gut wie ANC-Kopfhörer, dämpfen dafür jedoch gleichmäßig. Einen guten Kopfhörerschutz Stufe II bekommt man schon für unter 30 Euro. Rauschen tun diese Lösungen zwar auch – das ist dann aber das eigene Blut, kein digitales Artefakt.

Tabelle
Tabelle: Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung (ANC)

Gute ANC-Kopfhörer sind geradezu unverschämt teuer, das Geld aber auch wert. Wer ein billiges Exemplar kauft, gibt letztlich mehr aus als jemand, der von vornherein zu einem teuren Modell greift. Hat man einmal einen Top-ANC-Kopfhörer auf den Ohren gehabt, mag sich nicht mehr lange mit weniger zufriedengeben. Sparen kann man allenfalls, indem man eine Modellvariante ohne Bluetooth nimmt – aber wer wirklich Ruhe will, will auch Ruhe vom Kabel.

Die Top-Produkte von Bose, Sennheiser und Sony stehen fast auf einer Stufe – würde sich nicht jeder Hersteller seinen eigenen Patzer leisten. Der Bose QuietComfort 35 hat das Manko der kaum gefilterten hohen Frequenzen, wozu der unausgeglichene Sound und die fehlende AptX-Unterstützung kommen.

Der Sennheiser PXC 550 Wireless gibt sich weder beim Klang noch beim Noise Cancelling irgendwelche Blößen – das Fehlen des AAC-Codecs wird aber insbesondere iPhone-7-Besitzer schmerzen. Der Sony MDR-1000X macht zwar bei den Codecs und dem Noise Cancelling alles richtig, ist aber schlecht entstört und liegt etwas zu dicht auf den Ohren, um längere Zeit bequem zu sein. (ghi@ct.de)