c't 1/2019
S. 44
Hintergrund
Cloud-PCs
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Schwere Wolken

Warum Cloud Computing boomt

IaaS, VDI, PaaS: Cloud Computing liegt schwer im Trend, inklusive vieler hochtrabender Abkürzungen. Neu ist, dass die Cloud nicht mehr nur ein Unternehmensthema ist – es gibt auch immer mehr Angebote für Otto-Normal-PC-Benutzer. c’t gibt Orientierung in der dichten Wolkendecke.

Der PC ist tot“ – dieser Spruch kursiert seit Jahren in der Technikwelt. Er stimmt allerdings nicht: Die Verkäufe von echten, physischen Rechnern geht zwar zurück, dafür zieht jedoch die Nutzung virtueller Computer in der Cloud immer stärker an. Die Branche knackt schon 2021 die 200-Milliarden-US-Dollar-Umsatzmarke, sagen die Analysten von Gartner voraus. Zum Vergleich: Mit physischer Computer-Hardware wurden laut Ibisworld in diesem Jahr 271 Milliarden Dollar umgesetzt.

Auch für Privatanwender wird Cloud-Computing immer interessanter – etliche Cloud-PC-Dienstleister vermieten inzwischen leistungsstarke PCs für rechenintensive Aufgaben wie Spiele, 4K-Videoschnitt oder 3D-Modeling. Damit lassen sich nicht nur alte Rechner länger nutzen, sondern auch Systemgrenzen überwinden: Windows-Software läuft unter Linux und auf dem Mac. Und plötzlich taugt sogar das olle Billig-Notebook oder das Android-Tablet für die neuesten Spiele.

All das funktioniert so flüssig, dass man als Benutzer den Unterschied zu einem lokalen High-End-PC gar nicht bemerkt – zumindest behaupten das die Anbieter (Test ab Seite 46). Auf Seite 54 lesen Sie, wie das Ganze technisch funktioniert.

Fernschreiber

Die Idee, den Computer nicht direkt beim Nutzer aufzustellen, sondern in einem speziellen (Server-)Raum, ist fast so alt wie der Computer selbst: In den sechziger Jahren kommunizierten viele Rechner über Fernschreiber (Teletypewriter), später kamen dann die sogenannten „Glass Teletypes“ mit Bildröhre und Tastatur. Solche Terminals blieben bis zum Personal-Computer-Boom Anfang der 80er-Jahre Standard. In den 90ern versuchte Sun mit eigenen Network-Computern, die auf Server zugriffen, den PC zu verdrängen – vergeblich. Nach rund vierzig Jahren Desktop-PC gibt es nun einen neuen Ansatz, den Rechner wieder in die Serverräume wandern zu lassen – diesmal allerdings übers Internet mit dem eigenen „Terminal“ verbunden statt über ein lokales Netz.

Rechenkapazität zu mieten, statt sie sich in Form von physischen Computern zu kaufen, ist in den letzten Jahren vor allem ein Unternehmensthema gewesen. Zu den Pionieren gehörte der Internethändler Amazon, der 2006 seine „Amazon Web Services“ (AWS) gründete und die „Elastic Compute Cloud“ (EC2) vorstellte – AWS ist bis heute Marktführer beim Cloud-Computing. Zwei Jahre später kam Google mit seiner App Engine, 2010 startete Microsoft mit Azure. Das sind die drei größten Akteure in der Wolke, sie alle bieten als grundlegende Dienstleistung IaaS an, also „Infrastructure as a Service“, sprich: Braucht man ein bisschen (oder viel) Rechenpower oder Speicherplatz, kann man sich diese einfach kurzfristig mieten und damit den eigenen Rechner beziehungsweise die eigene Rechnerfarm unterstützen. Auf IaaS bauen etliche andere „aaSe“ auf, von A (AaaS, Analytics as a Service) bis Z (ZaaS, Zenoss as a Service, für Netzwerk-Monitoring), Kuriositäten wie MaaS (Malware as a Service) inklusive.

Am bekanntesten dürfte allerdings SaaS (Software as a Service) und PaaS (Platform as a Service) sein. Letzteres ist quasi die mittlere Schicht zwischen IaaS und SaaS – Laufzeitumgebungen sind beispielsweise oft PaaS.

Immer populärer wird auch die Verlegung des Desktop-PCs in die Cloud (Desktop as a Service, DaaS) – zum Beispiel für klassische Büroarbeitsplätze. Admins müssen sich dann nicht mehr darum kümmern, das von den Mitarbeitern genutzte Betriebssystem abzusichern beziehungsweise aktuell zu halten. DaaS ist sozusagen das Rundum-Sorglos-Desktop-Paket aus der Cloud. Die häufig synonym verwendete VDI-Technik (Virtual Desktop Infrastructure) setzt dagegen auf eigene Administration.

Latenz und Grafik

Marktanteile der Cloud-Anbieter

Die uns bislang bekannten Clients für DaaS oder VDI hatten allerdings gemeinsam, dass sie nicht für grafikintensiven und verzögerungsarmen Betrieb optimiert waren. Sprich: Tabellenkalkulation ist kein Problem, Videoschnitt oder sogar Spiele klappten nicht. Das Gleiche galt für das Windows-Fernzugriffsprotokoll RDP (Remote Desktop Protocol) und VNC-Lösungen (Virtual Network Computing) wie TeamViewer.

Die ab Seite 46 getesteten Dienste sind dagegen allesamt auf latenzarmen Betrieb getrimmt. Sie geben den Bildschirminhalt als Videostream aus, kodiert wird der Stream in Quasi-Echtzeit direkt auf der GPU des Cloud-PCs im Rechenzentrum – und das dank spezialisierter Recheneinheiten in den Grafikchips sogar ohne kostbare Rendering-Leistung abzuknapsen.

Das funktioniert erstaunlich gut. Allerdings, und das ist zurzeit noch das größte Problem, nur mit stabilem, latenzarmem und schnellem Internetzugang. Alles unter 25 Mbit/s macht wenig Spaß. Sind die Voraussetzungen jedoch erfüllt, kann der Wolken-PC tatsächlich eine sinnvolle Alternative zum eigenen Rechner sein. (jkj@ct.de)