c't 19/2018
S. 84
Test
Günstige Bluetooth-Kopfhörer
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Soul per Funk

Günstige Bluetooth-Kopfhörer zwischen 20 und 60 Euro

Kabel sind out – nicht erst, seit bei vielen Smartphones die Klinkenbuchse fehlt. Bluetooth-Kopfhörer gibt es bereits ab 20 Euro – aber taugen die was?

Es gibt kaum ein technisches Gerät, bei dem Kabel so nervig sind wie bei einem Kopfhörer – gerade, wenn man unterwegs ist. Ständig baumelt einem die Strippe im Gesicht herum, verheddert sich, bleibt irgendwo hängen. Der Autor hätte einmal fast seine Smartphone-Buchse geschrottet, als das Kopfhörer-Kabel im Zug an einer Armauflage festhing. Mit Drahtlos-Hörern kann das nicht mehr passieren.

Glücklicherweise ist Musikhören mit Bewegungsfreiheit ein billiges Vergnügen: Schon ab 20 Euro bekommt man einen Bluetooth-Kopfhörer. Für diesen Test haben wir uns bewusst für preisgünstige Modelle entschieden. Wer gibt schon 300 Euro für ein Edelmodell als Alltagskopfhörer aus, gerade wenn dieser auch am Strand, bei der Gartenarbeit oder beim Sport zum Einsatz kommen soll? Wir haben neun Modelle mit einer Preisobergrenze von 60 Euro ausgewählt. Dabei haben wir uns an den „Meistverkauft“-Listen mehrerer Preissuchmaschinen orientiert. Ins Testlabor haben wir uns ausschließlich konventionelle Kopfhörer mit Bügel geholt, wobei sechs Geräte auf dem Ohr aufliegen („On-Ear“) und drei das Ohr umschließen („Over-Ear“). Außerdem mussten alle Kandidaten ein eingebautes Mikrofon mitbringen; schließlich will man den Kopfhörer unterwegs nicht abnehmen, wenn das Telefon klingelt. Bis auf den JBL JR300BT haben alle Steuerungstasten eingebaut, mit denen man pausieren, vor- oder zurückspulen und die Lautstärke ändern kann. Auf Wunsch kann man alle Kopfhörer bis auf die von JBL, Sony und Philips mit einem 3,5-mm-Klinkenkabel betreiben – das ist praktisch, wenn der Akku mal leer ist.

Klangqualität

Bei Preisen zwischen 20 und 60 Euro haben wir keine gehobene HiFi-Qualität erwartet und waren am Ende positiv vom Klang der Testkandidaten überrascht: Die meisten Kopfhörer eignen sich nicht nur für Podcasts, sondern machen tatsächlich auch beim Musikhören Spaß. Nur das preisgünstigste Modell im Test – der Aita BT809 für 22 Euro– fiel klanglich deutlich ab. Immerhin bieten alle getesteten Kopfhörer ein solides Bass-Fundament, was man von den vielen Billig-Stöpseln, die sich über die Jahre in der Technik-Schublade angesammelt haben, nicht behaupten kann.

Den Klang haben drei Tester nicht nur mit ihren eigenen Ohren eingeschätzt, sondern es kamen auch künstliche zum Einsatz: Mit dem EARS-Kunstkopf von Minidsp haben wir den Frequenzgang gemessen. Als Vergleichskopfhörer kam der sehr neutral klingende Sennheiser HD600 zum Einsatz. Dieser spielt allerdings mit rund 280 Euro preislich in einer ganz anderen Liga als die Testkandidaten.

Die meisten Kopfhörer haben an ihrem Kabelanschluss eine Impedanz von 32 Ohm. Sie lassen sich also problemlos an mobilen Abspielgeräten mit geringer Ausgangsspannung betreiben. Die Hersteller drucken auf den Verpackungen häufig Angaben zum Frequenzbereich oder der Größe des Wandlers. Diese Werte sagen allerdings nichts über den Klang aus, zumal dieser sehr stark von der Polsterung und vom Sitz abhängt. Schließen die Kopfhörer beispielsweise das Ohr nicht dicht ab, dann bricht die Basswiedergabe stark ein.

Ein Beispiel: Von allen Geräten gefiel unseren Testern der Bass beim JBL am besten, einem Gerät mit eher geringem 32-cm-Membrandurchmesser, aber dafür starkem Anpressdruck. Da jedoch jeder Mensch andere Ohren und eine andere Kopfform hat, sollten Sie ein Modell vor dem Kauf unbedingt selbst ausprobieren.

Starke Akkus

Positiv überrascht waren wir auch von der Akkulaufzeit: Wer jeden Werktag beispielsweise eine Stunde in öffentlichen Verkehrsmitteln Musik hören möchte, kommt mit jedem der getesteten Geräte eine ganze Woche mit einer Akkuladung aus: Schlusslicht ist (wieder) der Aita BT809 mit 6 Stunden Laufzeit, alle anderen Geräte schaffen mindestens 12 Stunden – Sony und Panasonic sogar 42 respektive 35 Stunden. Gemessen haben wir die Laufzeit übrigens mit einem Mix aus Musik und Hörbüchern bei einem Schalldruckpegel von 80 Dezibel. Erstaunlich: Bis auf eine Ausnahme hielten alle Kopfhörer länger durch als vom Hersteller angegeben. Lediglich das Billigmodell von Aita erreichte statt der versprochenen 8 Stunden nur 6. Den Vogel schießt Sony mit seinem WH-CH500 ab: Statt der angegebenen 20 Stunden hielt der Kopfhörer doppelt so lange durch.

Aber woher weiß man überhaupt, wann die Hörer an die Steckdose müssen? Klassische Ladestandanzeigen hat nämlich keines der Geräte, stattdessen muss man den Akkustand im gekoppelten Mobilgerät ablesen. Das klappt bei iPhones und iPads automatisch – sie zeigen den Ladestand direkt nach dem Koppeln in der Statusleiste an und auf Wunsch in der „Batterie“-Anzeige auf dem Widget-Bildschirm. Bei Android-Mobilgeräten wird die Restlaufzeit im Bluetooth-Dialog angezeigt. Nur beim ansonsten sehr gelungenen Skullcandy Grind fehlt die Funktion, er kommuniziert die Ladeinformationen nicht an das gekoppelte Mobilgerät – und man kann sich die Restkapazität auch nicht auf Knopfdruck ansagen lassen.

Erfreulich dagegen: Die Bluetooth-Kopplung funktionierte ausnahmslos mit allen Testgeräten einwandfrei und schnell, und zwar sowohl mit Android als auch mit iOS. Einige Hersteller versprechen eine noch schnellere Kopplung per NFC: Hier muss man den Kopfhörer lediglich ans Smartphone halten, um die Bluetooth-Verbindung herzustellen. Eigentlich ist die Funktion aber unnötig: Ob man den Kopfhörer nun manuell in den Kopplungsmodus versetzt – meist mit längerem Drücken des An-/Aus-Knopfes – oder NFC benutzt, machte für uns keinen großen Unterschied. Vor allem, weil man die Kopplung ja nur einmal durchexerzieren muss – danach verbinden sich Mobilgerät und Kopfhörer nämlich automatisch, wenn der Hörer eingeschaltet wird.

Da es sich um Allround-Kopfhörer für unterwegs handelt, haben wir auch bei der Alltagstauglichkeit genau hingeschaut: Lassen sich die Steuerknöpfe blind bedienen? Wie ist die Verständlichkeit beim Telefonieren? Und vor allem: Kann man die Kopfhörer auch über Stunden bequem tragen? Die Ergebnisse finden Sie in den Einzelbesprechungskästen auf den vorherigen Seiten.

Noise-Cancelling?

Zum Kasten: Wie legal sind Kopfhörer auf dem Rad?

Etwas kurios fallen Werbe-Formulierungen einiger Hersteller aus, die sich fast so wie „Noise-Cancelling“ anhören. So bewirbt Motorola seine Pulse-Escape-Hörer mit „Noise insulation“, die Caps von Fresh’n Rebel würden laut Website dagegen durch „die geschlossene Rückseite Umgebungsgeräusche in Zügen, Flugzeugen und Autos blockieren“. In Wahrheit bedeutet das lediglich, dass die Test-Kopfhörer allesamt (wie so gut wie alle günstigen Geräte) eine geschlossene Charakteristik haben und dadurch rein mechanisch ein wenig die Umgebungsgeräusche dämmen. Mit aktivem Noise-Cancelling hat das nichts zu tun. Tatsächlich fiel im Test auf, dass die Dämmwirkung nicht nur mit der Konstruktion zu tun hat, sondern auch ganz profan mit dem Anpressdruck der Hörer. Ohnehin: Nicht jeder Kopfhörerträger will Geräuschdämpfung. Schließlich eignen sich die Kopfhörer auch ausgezeichnet fürs Fahrrad oder für den Sport – was ja beides häufig auf der Straße stattfindet. Je mehr man dabei von den Umgebungsgeräuschen abgeschirmt ist, desto größer die Gefahr, dass man ein heranrauschendes Fahrzeug überhört. Übrigens: Die Nutzung von Kopfhörern im Straßenverkehr ist nicht per se verboten, siehe Kasten „Musik auf dem Rad“. Wegen der starken Dämmung ungeeignet fürs Rad – aber dafür gut für die Nerven von Mitfahrern in der U-Bahn – sind die beiden Hörer von JBL sowie die Caps von Fresh’n Rebel.

Fazit

Tabelle
Tabelle: Bluetooth-Kophörer

So richtig schlecht ist nur einer der Testkandidaten: Das 22-Euro-Modell von Aita – da helfen auch MicroSD-Slot und Radiofunktion nicht. Das Teil ist klapperig, sitzt schlecht und klingt vor allem deutlich blecherner als die Konkurrenz.

In Sachen Klangqualität schafft es der Motorola Pulse Escape nur auf den vorletzten Platz: Er bietet zwar viel Bass, produziert ansonsten allerdings einen leicht muffigen, etwas breiigen Sound. Auch Tragekomfort und Verarbeitung haben uns nicht überzeugt.

Besser, aber leider nicht viel, gefiel uns der Panasonic. Er saß bei allen Testhörern zu locker, war ein klein bisschen zu bassschwach, außerdem in den Mitten leicht vernuschelt – dass er als einziger den qualitativ höherwertigen AptX-Codec unterstützt, hilft deshalb leider wenig.

Alle anderen Hörer leisten sich keine so deutlichen Schnitzer. Am angenehmsten zu tragen fanden unsere Testhörer die Fresh’n Rebel Caps, Skullcandy Grind sowie die Philips-Hörer. Auch der JBL T450BT trägt sich angenehm und sieht wertig aus, wenn man den etwas hohen Anpressdruck und die Dämpfung mag.

Und auch wenn sie natürlich nicht ganz die HiFi-Qualitäten von deutlich teureren High-End-Hörern bieten: Klanglich spielen JBL T450BT und Skullcandy Grind in diesem Test am besten auf. Sie machen in allen Genres Spaß und bieten genug Bass-Fundament für House und Hip-Hop, aber auch genug Räumlichkeit und Details für analogere Musikrichtungen. (jkj@ct.de)