c't 19/2018
S. 80
Reportage
Raspi-Projekte: PC-Ersatz
Aufmacherbild

Reise ins Himbeerland

Raspberry Pi 3B+ statt Desktop-PC

Seit es den Raspberry Pi gibt, behaupten die Macher, er könne einen großen und teuren Desktop-PC ersetzen. Über die Jahre wuchs stetig seine Rechenleistung und die Unterstützung im Linux-Kernel reifte. Grund genug, seiner Tauglichkeit als PC-Ersatz mal wieder auf den Zahn zu fühlen.

Heute steht Programmierarbeit an, also starte ich die IDE PyCharm. Die möchte ein paar Sekunden das Projekt indexieren, also starte ich parallel Thunderbird, um schnell noch Mails abzurufen. Während das Mailprogramm noch die IMAP-Server abklappert, öffnet sich mein Firefox und fragt, ob ich 67 Tabs wiederherstellen möchte. Na klar! Das lässt mir gerade noch Zeit, Telegram zu starten, das als Electron-App nebenbei die Chromium-Engine hochfährt. Etwa eine halbe Sekunde nach dem Klick aufs Icon sind alle Programme einsatzbereit. Linux’ raffinierter Organisation von Rechenzeit und Festplattenzugriffen sei Dank.

Während ich noch meine E-Mails durchforste, entbrennt in meinem Büro eine Diskussion darüber, wie aufgeblasen moderne Software ist. Ich beteilige mich, indem ich an eine Wartezeit von skandalösen 1,5 Sekunden erinnere, die mein Anmeldemanager GDM gerade vertrödelt hat. „Wie viel unnötigen Kram berechnet die Software, wenn sie so lange braucht, ein Passwort zu prüfen und einen Desktop zu starten?“, frage ich in die Runde. Die Zustimmung meiner Kollegen stachelt mich an: „Ein Smartphone hat genauso viele Kerne wie mein PC. Ach was! Ich könnte sogar auf dem Raspi arbeiten!“ Ich ernte ein paar skeptische Blicke, was mich antreibt: „Mit der richtigen Software geht das bestimmt! Immerhin gibt es ja inzwischen den Raspi 3B+ mit 64 Bit, 1 GByte RAM und vier Kernen bei 1,4 GHz.“