c't 18/2018
S. 32
News
Bitcoin und Umweltsch(m)utz
Aufmacherbild

Reingewaschen

Umweltfreundliches Bitcoin-Mining statt Kohlestromveredelung

Bitcoin ist nicht nur als Währung für Kriminelle und Terroristen verrufen, auch das Bitcoin-Mining gilt als üble Verschwendung von Kohle- und Atomstrom. Damit mutiert jede Transaktion zur Umweltsünde. Dabei schließen sich Umweltschutz und Bitcoin nicht aus, wie eine umweltfreundliche Mining-Farm in Norwegen beweist.

Bitcoin sei eine horrende Stromverschwendung, jede Transaktion eine Umweltsünde, behaupten manche Kritiker. Und sie haben Recht, gemessen am Energieverbrauch sind Bitcoin & Co. im höchsten Maße ineffizient: Digiconomist hat ausgerechnet, dass das Bitcoin-Netzwerk aktuell so viel Strom pro Jahr benötigt wie ganz Österreich (73 TWh/Jahr). Demnach würden 4 Bitcoin-Transaktionen genauso viel Strom verbrauchen wie eine vierköpfige Familie im ganzen Jahr (900 kWh/Transaktion).

Die Zahlen des Digiconomists sind nicht unumstritten und versuchen auch, Aspekte wie Kühlung und Netzwerkinfrastruktur zu berücksichtigen. Doch selbst wenn man den Stromverbrauch wohlwollend nur anhand der Hash-Leistung des Bitcoin-Netzes (ca. 45 EH/s) und der Leistungsaufnahme der jüngsten Generation Bitcoin-Miner (1,35 kW für 14,5 TH/s) hochrechnet, kommt man auf einen Stromverbrauch von 35 TWh pro Jahr oder 450 kWh pro Transaktion.

In der Lefdal-Mine in Norwegen werden die Container von Northern Bitcoin mit je 210 Bitcoin-Minern über- und nebeneinander gestapelt. Die Kühlung erfolgt mit Gletscherwasser aus dem benachbarten Fjord.

Wahnsinn mit Methode

Der eigentliche Wahnsinn liegt aber nicht im momentanen Stromverbrauch, sondern in dessen Entwicklung über die Zeit. Die lässt sich sehr gut an der Hash-Rate des Bitcoin-Netzwerks ablesen, denn die Effizienz der Bitcoin-Miner hat sich in den letzten zwei Jahren nicht wesentlich verändert. Hatte das Bitcoin-Netzwerk Anfang 2017 noch eine Leistung von etwa 2,5 EH/s (Exa-Hashes pro Sekunde), stieg sie bis Januar 2018 um den Faktor 6 auf rund 15 EH/s an. In den letzten sechs Monaten hat sie sich noch einmal auf nunmehr rund 45 EH/s verdreifacht.

Betrachtet man den Zeitraum von Januar 2017 bis heute, so stiegen die Hash-Leistung und damit der Stromverbrauch fast um den Faktor 20. Das Ergebnis, also die Anzahl der verarbeiteten Transaktionen und der von den Minern berechneten Blöcke, blieb jedoch unverändert: Noch immer dauert es 10 Minuten, bis die Bitcoin-Miner rund 2000 Transaktionen verarbeitet haben. Und daran wird sich auch zukünftig nichts ändern. Weiteres Wasser auf die Mühlen der Kritiker ist, dass über die Hälfte aller Miner noch immer in China stehen, wo 75 Prozent des Stroms aus Kohle, Öl und Gas gewonnen werden. Schlimmeres ist für die Umwelt kaum vorstellbar.

Der exorbitante Stromverbrauch des Bitcoin-Netzwerks hat allerdings auch einen positiven Nebeneffekt: Er schützt die Kryptowährung vor Manipulationen, wie sie in jüngster Vergangenheit bei Bitcoin Gold stattfanden. Dort wurden über Tage hinweg Transaktionen rückabgewickelt und so insgesamt 18 Millionen Euro erbeutet, indem Angreifer das reguläre Miner-Netz mit geheimen Mining-Farmen mit einem Vielfachen der regulären Hash-Leistung regelrecht überfuhren. Bei Bitcoin wäre ein solcher Angriff allein aufgrund des benötigten Stroms undurchführbar. Ein schwacher Trost angesichts der dafür aufgewendeten Energiemenge.

Wie umweltfreundliches Bitcoin-Mining aussehen kann, durften wir uns auf Einladung von Northern Bitcoin in Norwegen ansehen: Die in Frankfurt am Main ansässige Firma baut Mini-Rechenzentren mit 210 Bitcoin-Minern in Standard-Container, verschifft sie nach Norwegen und stellt sie dort in ehemaligen Bergwerken in unmittelbarer Nähe von Fjorden auf. Etwa in der Lefdal-Mine, die 180 Kilometer nördlich von Bergen an der Westküste Norwegens liegt.

Bitcoin in Grün

Der Strombedarf der Mining-Farmen wird vollständig aus Überkapazitäten der lokalen Wasserkraftwerke gedeckt, die aufgrund des Netzausbaus nicht oder nur mit erheblichen Leitungsverlusten ins Ausland exportiert werden könnten. Es gibt auch keine konventionellen Kraftwerke innerhalb Norwegens, die entlastet werden könnten – 95 Prozent des norwegischen Stroms werden aus Wasserkraft gewonnen, vier Prozent aus Windkraft. Ohne die Bitcoin-Farmen würde einfach etwas mehr Wasser der Bergseen durch die Flüsse in die Fjorde fließen, anstatt durch Tunnel und Turbinen der Wasserkraftwerke abgeleitet zu werden.

Die Kühlung der Mining-Farmen ist ebenfalls äußerst umweltfreundlich: Dazu dient das vorbeifließende Fjordwasser. Dabei nutzt die Lefdal-Mine überwiegend den hydrostatischen Druck aus, der aufgrund des Wasserspiegels im Fjord und dem tiefer gelegenen Bergwerk entsteht. Die Pumpen müssen lediglich die Reibungsverluste in den Kühlwasserleitungen, im Wärmetauscher und im internen Süßwasserkreislauf ausgleichen. Klassische Klimaanlagen, wie sie in Rechenzentren in Deutschland erforderlich sind, braucht man in der Lefdal-Mine nicht.

Daraus ergibt sich ein handfester wirtschaftlicher Vorteil für Unternehmen wie Nothern Bitcoin, die ihre Rechenzentren dort aufstellen: Bei klassischem Design benötigt man für ein Rechenzentrum fast die gleiche Energie zur Kühlung, die man in den Betrieb der Rechner steckt – denn die Rechner setzen nahezu den gesamten Strom in Wärme um.

In Deutschland aufgestellt würden sich die Stromkosten von gut 15 Cent pro Kilowattstunde inklusive Netzdurchleitungsgebühren und EEG-Umlage praktisch verdoppeln, um auch die Kühlung abzudecken. In Norwegen ist nicht nur die Kühlung vernachlässigbar günstig, auch der Strompreis beträgt mit 3,2 bis 4,5 Cent pro Kilowattstunde nur einen Bruchteil dessen, was man in Deutschland bezahlt. Damit arbeitet Northern Bitcoin auf einem ähnlichen Preisniveau wie Miner in China: Dort kostet die Kilowattstunde zwar subventioniert nur 2 Cent, die Mining-Farmen müssen aber aufgrund des Klimas gekühlt werden, was den Energieaufwand verdoppelt.

Neue Heimat

Das Beispiel Northern Bitcoin zeigt, dass umweltfreundliches Bitcoin-Mining nicht nur theoretisch, sondern sogar wirtschaftlich möglich ist. Allerdings ist das Ausbaupotenzial begrenzt: Der Betreiber der Lefdal-Mine schätzt, dass in der Region 6,7 Terawattstunden überschüssiger Strom pro Jahr für den klimaneutralen Betrieb von Mining-Farmen zur Verfügung stehen. Das reicht für eine halbe Million Bitcoin-Miner.

Die Hash-Leistung von aktuell 40 bis 50 EH/s lässt aber darauf schließen, dass es über 3 Millionen aktive Bitcoin-Miner gibt – Tendenz stark steigend. Gut die Hälfte davon, also über 1,5 Millionen Miner, werden noch immer in China vermutet und müssen nach dem von der chinesischen Regierung verkündeten Ausstieg in naher Zukunft neue Standorte finden. Norwegen wird nur einem Teil der Mining-Farmen eine neue Heimat bieten können – die übrigen werden sich dort ansiedeln, wo der Strom am billigsten ist, egal woher dieser stammt.

Deshalb wird Bitcoin auch zukünftig ein ziemlich schmutziges Geschäft bleiben – aber auch, weil die Hash-Rate des Bitcoin-Netzwerks immer weiter steigt. So wird immer mehr Energie für eine Bitcoin-Transaktion ver(sch)wendet, denn die Kapazität der Kryptowährung bleibt ungeachtet der Anzahl der Miner immer die gleiche. Es bleibt zu hoffen, dass die in zwei Jahren anstehende Halbierung der Belohnung für die Miner dem wahnsinnigen Anstieg der Hash-Rate ein Ende setzt. Denn damit werden sich auch die Einkünfte der Mining-Farm-Betreiber faktisch halbieren – vorausgesetzt, es kommt zu keinem neuen Höhenflug des Bitcoin-Kurses. (mid@ct.de)