c't 13/2018
S. 48
News
Polizeigesetz Niedersachsen
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Foto: Christian Dittrich/dpa

Precrime im Norden

Niedersachsen zieht nach zum bayerischen Polizeigesetz

Polizisten in Niedersachsen sollen Bürger künftig bereits bei einer „dringenden Gefahr“ nahezu unbegrenzt ausspähen dürfen und Personen ohne Gerichtsverfahren für zweieinhalb Monate wegsperren.

Die rot-schwarze Landesregierung in Hannover hat einen Entwurf zur Reform des Polizeigesetzes in den Landtag eingebracht, in dem sich viele Parallelen zum bayerischen Vorreiter finden (siehe c’t 6/2018, S. 34). Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius (Bildmitte) betont, dass die Regierung „auf eine möglichst ausgeprägte Balance zwischen Freiheit und Sicherheit geachtet“ habe. Offenbar möchte er den Ball flach halten, nachdem in München 30.000 Gegner vom Bündnis „NoPAG“ gegen das bayerische Polizeiaufgabengesetz (PAG) demonstriert hatten.

Der SPD-Politiker kritisierte den bayerischen Sicherheitskurs zwar verbal, im konkreten Gesetzentwurf (siehe ct.de/yqh2) bleibt von diesem Lippenbekenntnis allerdings kaum etwas übrig. So soll die Polizei in Niedersachsen ihre kleinen und großen Lauschangriffe künftig bereits präventiv zur Abwehr einer „dringenden Gefahr“ starten. Darunter versteht die SPD-CDU-Koalition nicht nur eine erhöhte Gefahr für Leib und Leben, sondern auch „für Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt“. Werden dabei Personen als gefährlich eingestuft, kann sie die Polizei in Niedersachsen ohne Anklage und Gerichtsverfahren bis zu 74 Tage ins Gefängnis sperren. Für einen solchen „Unterbindungsgewahrsam“ von zweimal 30 plus maximal 14 Tage genügt jeweils ein Richterbeschluss. Die Unterschiede zum vielgescholtenen Konzept der „drohenden Gefahr“ aus München: minimal.