c't 10/2018
S. 70
Praxis
Smartphone-Videos
Aufmacherbild

Telefonkino

Videos mit dem Smartphone drehen

Ob Erinnerungen an den Urlaub oder an die lieben Kleinen, ob Aufnahmen von Kätzchen, Downhill-Fahrten oder Konzerten – mehr als Ihr vorhandenes Smartphone benötigen Sie nicht, um ins Filmen einzusteigen.

Gehen Sie jetzt hinaus, den Frühling aufnehmen. Natürlich liefert Ihr Smartphone dabei keine so gute Qualität wie eine Videokamera für ein paar tausend Euro, aber vielleicht brauchen Sie die für Ihre Zwecke auch gar nicht. Zumal bietet das Handy ein paar Vorteile: Sie haben es immer dabei, können es leichter nahe am Boden oder über Kopf halten, am Fahrrad montieren oder in andere ungewöhnliche Positionen bringen. Die Videos können Sie schon unterwegs schneiden und online stellen.

Selbst einfache Smartphones reichen für erste Experimente, sofern sie eine Bedingung erfüllen: Videos in Full HD mit 60 Bildern pro Sekunde aufnehmen zu können. Sehr billige oder ältere Smartphones sind damit überfordert. Natürlich fangen Sie auch mit HD oder geringeren Auflösungen schöne Momente ein, aber die beeindrucken dann auf der heimischen Riesen-Glotze nicht mehr so sehr.

Für diesen Artikel haben wir uns die Video-Fähigkeiten einiger aktueller Smartphones näher angeschaut. Im Artikel ab Seite 74 lernen Sie Tricks für bessere Aufnahmen und Strategien für spannendere Filme, ab Seite 78 haben wir sinnvolles Zubehör wie Stative und Licht zusammengestellt und ab Seite 82 erklären wir die Tücken der Tonaufnahme. Kostenlose Schnittprogramme haben wir in [1] getestet, Tipps für den YouTube-Channel bringt [2]. Was Sie überhaupt filmen dürfen und rechtlich beim Veröffentlichen beachten müssen, erklärt [3]. Und wenn Sie dann doch einen echten Zoom oder bessere Optiken benötigen, hilft Ihnen [4] bei der Entscheidung, ob Sie lieber in eine Videokamera, eine Kompaktkamera oder eine Spiegelreflex investieren. Falls es ruppig wird, mag eine ActionCam [5] die richtige Lösung sein.

Video: Besser filmen: Videos mit dem Smartphone drehen

Handy-Tipps

Um herauszufinden, was die maximal zu erwartenden Videofähigkeiten sind, haben wir vier aus Smartphone-Sicht empfehlenswerte High-End-Geräte einem erneuten Test unterzogen: Apple iPhone X, Google Pixel 2, Huawei P20 Pro und Samsung Galaxy S9+. Um den Unterschied zu günstigeren Geräten herauszuarbeiten, haben wir außerdem aus der Mittelklasse das OnePlus 5T und das 150-Euro-Handy Nokia 3 verglichen.

Man kann ein Smartphone mit Rig, Leuchte und Mikro aufmotzen. Aber auch ohne das Zubehör eignet es sich gut zum Filmen.

Alle Geräte bis auf das Nokia 3 haben eine Video-Stabilisierung, doch die Ergebnisse fallen extrem unterschiedlich aus. Ein Grund ist, dass sich Smartphones bei Videos nicht alleine auf die optische Bildstabilisierung verlassen, sondern per Software kräftig mithelfen müssen. Das kostet besonders bei hohen Auflösungen und Frameraten ordentlich Rechenleistung.

Das Huawei P20 Pro stabilisiert Videos nur in Full-HD-Auflösung bei 30 Bildern pro Sekunde – Werte, die High-End-Smartphones wie das Galaxy S7 schon vor zwei Jahren beherrschten. Entsprechend wähnt man sich bei 4K-Material mitunter auf hoher See. Das Samsung Galaxy S9+ muss bei 4K und 60 Frames passen, das Pixel 2 bietet diese Kombi erst gar nicht an. Nur das iPhone X stabilisiert auch hier noch, stößt aber sichtbar an Grenzen. Apples Flaggschiff reduziert die Bewegung generell weniger aggressiv als andere, sodass kurze Stöße und leichtes Schwanken immer zu sehen bleiben. Das wirkt natürlicher und es treten kaum Verzerrungen auf.

Beim OnePlus 5T rastet das Bild besonders deutlich ein, sobald man mit der Kamera stillsteht, und es braucht beim nächsten Schwenk einen kurzen Augenblick, um der Bewegung zu folgen. Beim Laufen pumpt das Bild unangenehm. Den besten Kompromiss bekommt das Pixel 2 hin, das sehr stabile Bilder ohne störende Stabilisierungsartefakte aufnimmt.

Beim Aufzeichnen nutzen die Kamera-Apps der Hersteller fast immer variable Frameraten. Das heißt, sie passen die Bildwiederholrate nach oben oder unten an, wenn es die Situation erfordert; etwa wenn sich die Lichtverhältnisse ändern, bei schnellen Schwenks oder unschaffbaren Datenraten. Das fällt beim Anschauen in der Regel nicht auf, kann aber beim Schneiden etwa zu einer Asynchronität von Bild und Ton führen.

Beeinflussen lässt sich das Verhalten bei keiner Hersteller-App und keiner uns bekannten App von Dritten. Pixel 2 und iPhone X versuchen über das gesamte Video hinweg, die Einzelbildrate möglichst konstant zu halten. Bei gutem Licht schafft das auch das Galaxy S9+. Das P20 Pro bekam dagegen statt eingestellter 60 nur 51 Frames pro Sekunde hin und schwankte immer um einige Zehntel. Dem Nokia 3 war im Dunkeln alles egal: Es ging auf zähe 16,7 Bilder pro Sekunde.

Wenig Licht und hohe Frameraten vertragen sich aber auch bei den High-End-Kameras nicht gut, sie rauschen dann deutlich. Besonders das Pixel 2 erinnerte an ein abgenudeltes VHS-Band. Das iPhone rauschte sichtbar, erhielt Strukturen aber besser als das S9+. Das filmte Samsung-typisch sehr hell und in knalligen Farben, aber die Rauschunterdrückung plättete Details. Lediglich Huawei war bei hoher Framerate etwas besser.

4K bringt Vorteile

Im Freien bei Tageslicht waren 4K-Aufnahmen entgegen der Erwartung zum Teil deutlich von den Full-HD-Videos zu unterscheiden, weil in der Ferne feine Strukturen und Details weniger verschwammen. Besonders das P20 Pro profitierte. Es lohnt sich also, auch mal mit 4K zu filmen und die Videos später in geringere Auflösungen zu konvertieren.

Um die 4K-Datenmenge zu bändigen, nutzen Huawei und Samsung optional das effizientere H.265 (alias HEVC), Apple bei 4K60 zwangsweise. Das können (im Gegensatz zu H.264) aber nicht alle Geräte abspielen und nicht alle Schnittprogramme schneiden, weshalb die Videos dafür konvertiert werden müssten. Außerdem sind dann einige Videoeffekte oder die Bildstabilisierung nicht verfügbar. Lediglich Apple lässt dank massiver CPU-Power alles zu. Das Nokia 3 nutzt noch den alten H.263-Standard, sodass selbst dessen 720p-Videos recht groß werden.

Auffällig matschig waren die Full-HD-Aufnahmen von Huawei auch bei gutem Licht, hier fiel es noch hinter das OnePlus zurück. Das hat auch mit Detailarmut zu kämpfen, wenn der Bildstabilisator aktiv ist; bei nicht stabilisierten Full-HD-Aufnahmen mit 60 fps hält es mit den Top-Modellen mit, braucht aber Stativ oder Gimbal. Wenig qualitative Unterschiede sind zwischen Galaxy S9+, iPhone X und Pixel 2 bei guten Lichtverhältnissen auszumachen. Sie erhielten Details am besten und überstrahlten den bedeckten Himmel kaum. Das Pixel 2 zeigte die realistischsten Farben, das iPhone dramatisierte den Kontrast etwas, das Galaxy betont Grün und Rot etwas übermäßig. Das Nokia 3 rauscht schon bei bedecktem Himmel und schluckt feine Details wie Grashalme und Gehwegkanten; die Kompression vermatscht zusätzlich.

Tele-Linse

Geräte mit Doppellinse profitieren in der Regel auch beim Filmen mit optischem Tele. Sie schalten beim Heranholen dynamisch zur Telekamera um, sofern das Licht reicht. Lediglich beim OnePlus 5T klappte das Umschalten nicht, hier kam immer die Weitwinkellinse zum Einsatz.

Je nach Motiv ist der kleine Perspektivenwechsel mal mehr, mal weniger sichtbar, eine erkennbare Unterbrechung gibt es aber nicht. Besonders das Huawei P20 Pro kann selbst bei zehnfachem Zoom noch mit scharfen Details aufwarten, solange man in 4K filmt und das Licht hell genug ist. Das iPhone X beschränkt je nach Lichtverhältnissen und Auflösung die maximale Zoomstufe. Die anderen Geräte ließen immer den vollen Zoom zu, auch wenn das in Pixelbrei endete, ohne die zweite, weniger lichtempfindliche Linse zu nutzen. Auch der hybride Zoom hält natürlich nicht mit den echten Zoom-Optiken von Videokameras mit – die Doppelkameras verschaffen aber mehr Flexibilität als Einzellinsen.

Fazit

Einige vor allem der teuren Geräte werben mit Fähigkeiten wie Super-Zeitlupe oder -Zeitraffer. Das ermöglicht Ihnen den einen oder anderen überraschenden Clip, macht Filme aber nicht besser.

Tabelle
Tabelle: Video-Smartphones

Insgesamt bietet das iPhone X über alle Auflösungen und Lichtverhältnisse hinweg knapp das beste Ergebnis. Es ist nicht überall Spitze, aber allen Situation gewachsen. Die übertriebenen Farben des Samsung muss man mögen, doch die Detailschärfe bei gutem Licht ist enorm. Das Pixel 2 hat klare Schwächen bei wenig Licht, doch eine sehr gute Bildstabilisierung und tolle Tageslicht-Aufnahmen. Dem Huawei P20 Pro ziehen die Detailarmut bei Full-HD-Auflösung und bei anspruchsvolleren Einstellungen der fehlende Stabilisator den Zahn.

Aber auch die Mittelklasse-Leistung eines OnePlus 5T reicht, um Interesse am Filmen zu bekommen. Lediglich schlechte Videos à la Nokia 3 dürften einem dem Spaß vermiesen und zu wenig Experimenten einladen. (jow@ct.de)