c't 1/2018
S. 126
Kinderleicht
Physik-Experimente mit dem Smartphone
Aufmacherbild

Labor in der Hosentasche

Experimentieren mit der Physik-App phyphox

Jedes Smartphone ist ein Mini-Physiklabor: Es enthält Sensoren für Licht, Beschleunigung, Magnetfeld und einiges mehr. Apps, die die Sensoren auslesen, gibt es viele. phyphox ist ein besonders gut gelungener Vertreter dieser Kategorie. Mit schlüssigem Bedienkonzept und gut gestaltetem Zusatzmaterial empfiehlt sich die App, um mit Kindern spannende Physik-Experimente auszuprobieren.

Zum Kasten: Der c’t-Tipp für Kinder und Eltern

Kinder hantieren virtuos mit ihren Handys, aber dass ihr Smartphone nicht nur zum Chatten und Selfies knipsen taugt, ist ihnen dabei nicht unbedingt bewusst. Tatsächlich enthalten sogar ältere Modelle schon jede Menge Sensoren. Gyroskop, Lichtsensor, Magnetometer – was zunächst spaßfrei klingt, macht in Kombination mit phyphox Lust auf Physik.

Die App phyphox wird an der RWTH Aachen entwickelt. Der Name (gesprochen: „Fie-fox”) steht für „physical phone experiments“. Das Tolle an dieser Physik-App: Man kann einfach seinen Spieltrieb ausleben und in allen möglichen Lebenslagen spontane Messungen durchführen – man kann aber auch ganz ernsthaft physikalische Phänomene erforschen.

Die vorbereiteten Experimente sind in der Physik-App phyphox nach Kategorien sortiert.

Um erst einmal die Bedienung kennenzulernen, empfiehlt sich einfaches Ausprobieren. Das kann zum Beispiel so aussehen: auf einen Stuhl mit Drehgestell setzen, aus der Rubrik „Sensoren“ den Eintrag „Gyroskop“ auswählen, Startpfeil antippen und losdrehen. Auch ohne den physikalischen Hintergrund zu studieren, erlebt man dabei ganz praktisch, wie die Kurven auf dem Handy-Display mit der Drehbewegung zusammenhängen. Falls auch ein Luftdrucksensor in dem Mobiltelefon steckt, könnte ein Aufzug das nächste Versuchsobjekt sein: einsteigen, Rubrik „Alltag“ und dort den Eintrag „Aufzug“ wählen, Startpfeil antippen und losfahren.

Auf dem Drehstuhl ein paarmal kräftig im Kreis gedreht – und schon zeigt phyphox faszinierende Kurven an.

Schnell wird klar: In der ersten Rubrik namens „Sensoren“ ist man richtig, um die Rohdaten der Handy-Sensoren auszulesen. Es gibt Einträge für die Beschleunigung (mit und ohne Erdbeschleunigung g), für Gyroskop, Lichtsensor, Barometer, Magnetometer des Handys und für die GPS-Daten. In den folgenden Rubriken, nämlich „Akustik“, „Alltag“, „Mechanik“, „Werkzeuge“ und „Zeitmessung“, finden sich dagegen fertig vorbereitete Messanordnungen zum Experimentieren; sie heißen „Fadenpendel“, „Magnet-Lineal“ oder „Optische Stoppuhr“. Jeder Eintrag umfasst auch eine kurze Einführung und zu vielen der vorbereiteten Experimente gibt es anschauliche Videos.

Schallgeschwindigkeit messen

Das Experiment zur Messung der Schallgeschwindigkeit, zu dem auch ein Video existiert, ist einerseits gut nachvollziehbar und andererseits schnell aufgebaut. Für die Umsetzung benötigt man zwei Smartphones mit installierter phyphox-App. Sie werden von zwei Personen bedient. Zwei Kinder ab etwa zehn Jahren können zu zweit experimentieren, ansonsten machen die Eltern mit.

In diesem Experiment soll die Zeit zwischen zwei Geräuschen gemessen werden. Beide Personen stellen sich dazu in einem definierten Abstand – beispielsweise fünf Meter – voneinander entfernt auf und wählen aus der Zeitmessung-Rubrik den Eintrag „Akustische Stoppuhr“. Hier kann man hinter dem Wort „Schwelle“ einen Wert zwischen 0 und 1 eintragen, um zu verhindern, dass ein zufälliges Umgebungsgeräusch die Messung startet. Der Wert sollte über dem dauerhaft hörbaren Umgebungsgeräusch liegen; das kann man vorab mit dem Experiment „Audio Oszilloskop“ messen. Wählen Sie ansonsten hier den Wert „0.2“, der für die meisten Smartphones bei normaler Zimmerlautstärke passen sollte, und justieren Sie ihn bei Bedarf durch Ausprobieren nach.

Beide Experiment-Teilnehmer legen ihr Smartphone nun messbereit vor sich. Eine Person klatscht in die Hände und beginnt damit die Zeitmessung beider Stoppuhren, wobei die Messung auf dem fünf Meter entfernt liegenden Smartphone Nummer zwei um die Zeitspanne verzögert startet, die der Schall für diese Entfernung benötigt. Dann klatscht die zweite Person und stoppt damit die Messung. Uhr Nummer zwei stoppt sofort, während Uhr Nummer eins ihre Messung erst beendet, wenn der Schall bei ihr angekommen ist. Die Schallgeschwindigkeit lässt sich nun berechnen, indem man die Entfernung zwischen beiden Smartphones mal zwei nimmt und durch die Zeitdifferenz der beiden Messungen teilt.

Unsere Uhr Nummer eins stoppte 3,404 Sekunden zwischen beiden Klatschgeräuschen, Uhr Nummer zwei zeigte 3,375 Sekunden an. 10 Meter geteilt durch die Differenz von 0,029 Sekunden ergibt 344 m/s, was sehr genau der Schallgeschwindigkeit in Luft entspricht. Dass wir gleich beim ersten Ausprobieren – mit einem iPhone und einem Android-Gerät – auf Anhieb perfekte Werte messen konnten, war allerdings sicherlich Zufall. Generell sollten Sie beim Experimentieren mit phyphox im Hinterkopf haben, dass Handy-Sensoren nicht immer präzise arbeiten. Wenn dann noch ein improvisierter Versuchsaufbau hinzukommt, darf man nicht mit allzu exakten Versuchsergebnissen rechnen. Darum geht es beim Tüfteln mit phyphox aber auch nicht. Wichtig ist vielmehr die Erkenntnis, dass sich Alltagsphänomene mit den Sensoren eines Smartphones spielerisch erforschen lassen.

Die phyphox-Website steckt voller Anregungen für Experimente. Für viele der Vorschläge werden Alltagsgegenstände zweckentfremdet. So kann man das Smartphone in eine dicke Pappröhre stecken, die man so präpariert eine schiefe Ebene herunterrollen lässt – das Gyroskop zeichnet dann die zunehmende Geschwindigkeit der Drehung des Smartphones auf. Um die Zentrifugalbeschleunigung zu erforschen, lässt sich eine Salatschleuder verwenden: Das Handy wird dazu in das gut ausgepolsterte Sieb der Schleuder gelegt. Während es sich dreht, erfasst das Gyroskop die Winkelgeschwindigkeit der Salatschleuder und der Beschleunigungssensor misst die Zentrifugalbeschleunigung.

Mit Fernsteuerung

Wenn das Handy bei Experimenten wie diesen in einem Behälter verstaut wird, ergibt sich ein Problem: Der Startpfeil, der angetippt werden muss, um eine Messung zu starten, ist nicht frei zugänglich. Andererseits kann man aktuell in den Kurven, die phyphox aufzeichnet, nicht vor- und zurückscrollen. Messungen sollten daher so spät wie möglich vor Beginn des Experiments starten und unmittelbar danach stoppen, sonst wird am Anfang und am Ende eine lange Nulllinie aufgezeichnet. Hier kommt die Fernsteuerungsfunktion der App ins Spiel.

Zu allen Experimenten gibt es eine kurze Einführung. Häufig kann man sich auch ein Video dazu anschauen.

Das Smartphone, auf dem phyphox ausgeführt wird, lässt sich leicht mit einem PC oder Notebook verbinden: Der Rechner muss sich dazu im gleichen WLAN befinden. Wenn man die drei Punkte oben rechts antippt, erscheint ein kleines Menü, dessen vorletzter Eintrag „Fernzugriff erlauben“ lautet. Hier setzen Sie ein Häkchen. Nachdem Sie den Sicherheitshinweis mit OK als gelesen markiert haben, blendet die App unten eine IP-Adresse ein, über die PC oder Notebook Zugriff auf die phyphox-Installation auf dem Handy erhalten. Öffnen Sie am Rechner ein Browserfenster und tippen Sie dort die gesamte Zeile – also zum Beispiel „http://192.168.78.222:8080“ – in die Adresszeile ein. Es sollte sich am Rechner ein phyphox-Fenster öffnen, über das Sie nun die App fernsteuern können.

Im WLAN von Institutionen oder Firmen, beispielsweise im Schulnetz, kann es sein, dass die Sicherheitseinstellungen den Fernzugriff auf die App verhindern. Dann können Sie die Netzwerk-Verbindung alternativ über die „Mobiler Hotspot“-Funktion des Handys herstellen. Die Verbindung auf diese Weise herzustellen hat zusätzlich den Vorteil, dass sie sich durch ein Passwort schützen lässt.

Noch mehr Experimente

Die App wird derzeit weiter entwickelt. Einerseits ergänzen die Aachener Physiker nach und nach Funktionen, andererseits kommen regelmäßig neue Experimente hinzu. Zum RWTH Science Slam im November wurde ein Applaus-Meter veröffentlicht. Es verrechnet Dauer und Intensität eines Geräuschs, um einen Score zu ermitteln: Je länger und je lauter das Geräusch, desto höher der Wert des Scores. Solche vorbereiteten Experimente lassen sich nachträglich in die App laden.

Es gibt auch einen Experiment-Editor, mit dem sich Experimente ansehen und beliebig modifizieren lassen. Profi-User legen damit eigene Experimente an, die sie für andere Anwender zur Verfügung stellen können.

Auf der phyphox-Website gibt es nicht nur regelmäßig neue Experiment-Vorschläge, sondern auch didaktisch gut aufbereitetes Zusatzmaterial, das man als PDF herunterladen kann.

Ein Tipp zum Schluss: Schauen Sie sich den „Weihnachtsempfänger“ aus der Rubrik „Spaß“ an. In dieser phyphox-Ergänzung geht es darum, die – etwas fiesen – Pfeiftöne eines Videos von der phyphox-Website zu dechiffrieren. Jeder Pfeifton setzt sich aus zwei Frequenzen zusammen. Die App bestimmt diese Frequenzen und zeichnet für jeden Ton einen Punkt in ein Koordinatensystem ein, wobei die beiden Frequenzen die x- und y-Position darstellen. Nach und nach entsteht aus diesen Punkten ein Bild … Probieren Sie es aus! (dwi@ct.de)