c't 26/2017
S. 112
Hintergrund
Browser: Firefox Quantum
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Mozilla greift an

Firefox Quantum: Neustart für Mozillas Browser

Ein Webbrowser soll stabil sein, vor allem aber schnell. Genau das leistet Googles Chrome, weswegen viele Firefox-User übergelaufen sind. Nun greift Mozilla wieder an: Der Open-Source-Browser ist schneller geworden, belegt weniger Speicher und sieht wieder zeitgemäß aus. Genügt das, um alte Fans zurückzuholen und neue zu gewinnen?

Firefox 57: Das hört sich wenig spektakulär an. Doch der Browser mit der krummen Versionsnummer ist laut Mozilla „das größte Update aller Zeiten“ und die „Wiedergeburt von Firefox“. Wir haben genau hingesehen: In diesem Beitrag erklären wir, was Mozilla alles verändert hat. Auf Seite 114 lesen Sie, wie sich Firefox Quantum im direkten Vergleich mit Chrome, Edge und Safari schlägt. Weil Quantum eine neue Schnittstelle für Browsererweiterungen nutzt, klären wir ab Seite 120, welche praktischen Extensions weiterhin funktionieren. Wenn Ihnen da eine fehlt: Ab Seite 124 lesen Sie, wie Sie eigene Add-onsfür den neuen Firefox programmieren. Bonus-Feature: Die funktionieren dann auch mit Chrome und Edge.

Sieben Millionen Zeilen

Mozilla hat kaum ein Bit auf dem anderen gelassen. Mehr als sieben Millionen Zeilen Code ihres Browsers haben die Entwickler überarbeitet, das sind rund 75 Prozent des Quelltexts.

Viele wesentliche Teile wurden neu geschrieben, zum Beispiel die CSS-Engine Quantum CSS. Sie arbeitet besonders schnell, weil sie mehrere Prozessorkerne nutzt. Das macht derzeit kein anderer Browser. Ebenfalls neu sind der Scheduler Quantum DOM und der Netzwerk-Stack Quantum Networking. Firefox fragt DOM, welche Tabs der User aktiv nutzt. Diese Information reicht der Browser dann an den Netzwerk-Stack weiter. Der kann so wiederum bevorzugt diejenigen Ressourcen abrufen, die in Verbindung mit den aktiven Tabs stehen. Hänger durch allzu beschäftige Hintergrund-Tabs gehören mit diesen Neuerungen der Vergangenheit an. Insgesamt ist der Browser im Vergleich zu den Vorversionen wesentlich schneller geworden – das zeigen nicht nur Tests im Labor (siehe Grafik unten), vor allem berichten das fast alle Nutzer, die den runderneuerten Browser ausprobiert haben.

Firefox gibt Gas

Mozilla hat auch lieb Gewonnenes aufs Altenteil geschickt, zum Beispiel die althergebrachten XUL-Erweiterungen. Firefox Quantum akzeptiert nur noch WebExtensions, genau wie Chrome und Edge. Dieser Schritt hat für viel Unmut unter Entwicklern besonders beliebter Add-ons gesorgt. Diese waren gezwungen, ihre Erweiterungen neu zu entwickeln – oder zu beerdigen. Mittlerweile sind etwa 6000 der rund 20.000 bisherigen Firefox-Erweiterungen auf WebExtension portiert worden.

Auch das alte Theme-System hat Mozilla ausgetauscht. Diese Änderung geht einher mit einer Umstellung der Bedienoberfläche. Das neue Photon UI wurde in vielen Details an die der anderen Browser angepasst und beispielsweise mit schlankeren Tab-Reitern und einem umgebauten Menü versehen. So eignet es sich besser für die Bedienung mit dem Finger und mit hochauflösenden Bildschirmen.

Firefox Quantum hat eine nüchternere Bedienoberfläche und ein neues Menü erhalten -- die größten Veränderungen finden sich aber unter der Haube.

Bereits 2013 begann die Mozilla-Stiftung, an einer neuen Browser-Engine namens Servo zu arbeiten. Dabei kommt eine neue Programmiersprache namens Rust zum Einsatz. Sie soll Buffer-Overflows und ähnliche Sicherheitsprobleme vermeiden helfen, die die bisherige Entwicklung mit C++ mit sich brachte. Doch erst Ende 2016 kündigte Mozilla das ehrgeizige Vorhaben an, Firefox Komponente für Komponente zu erneuern.

Schon in den letzten vier Versionen Quantum wurden einige wesentliche Teile ausgetauscht und somit Grundlagen für die Renovierung des Browsers gelegt. Mit der Windows-Version von Firefox 53 etwa hat Mozilla den GPU-Prozess ausgelagert, also den Teil des Codes, der mit der Grafikkarte kommuniziert. Release 54 brachte die Multiprozess-Architektur (Quantum DOM), die die geöffneten Seiten auf mehrere Prozesse verteilt und für eine bessere Priorisierung der anstehenden Aufgaben sorgt. Firefox 57 ist der wichtigste Schritt im Erneuerungsprozess, aber nicht der Abschluss. Firefox 58 etwa soll den Datenschutz nochmal verbessern, indem er das sogenannte Canvas Fingerprinting unterdrückt – weitere wichtige Entwicklungsschritte werden folgen.

Eine der größeren Veränderungen hat Mozilla erst für Version 60 oder später vorgesehen: WebRender arbeitet so ähnlich wie eine Spiele-Engine und bezieht die GPU stärker ein, was die Performance verbessern und den Akku schonen soll. Ist keine GPU vorhanden, wird sie simuliert.

#heiseshow: Firefox 57 - Ein Quantum Trost oder echter Neuanfang? Video: https://www.youtube.com/watch?v=Ly8He-5cc_Q

Das Netz braucht Firefox

Das Netz wäre ärmer ohne Firefox. Der quelloffene Browser bildet die Grundlage anderer Open-Source-Projekte wie den Tor-Browser, mit dem man anonym im Internet surfen kann. Er ist ein wichtiges Testfeld für neue Techniken. Und ganz grundsätzlich belebt Konkurrenz das Geschäft. Kurzum: Es ist gut, dass Mozilla seinem Browser mit viel Engagement eine Verjüngungskur verpasst. Geben Sie Firefox (wieder) eine Chance: Die Entwickler haben ganze Arbeit geleistet, die Erneuerung ist gelungen. (jo@ct.de)