c't 15/2017
S. 36
News
Unity/Augmented Reality

Tango im Möbelhaus

Unity wappnet sich für Augmented Reality

Google, Microsoft und Apple arbeiten an unterschiedlichen AR-Konzepten. Sie alle setzen auf die Spiele-Engine Unity, deren neueste Version in Amsterdam vorgestellt wurde.

Auf seiner diesjährigen Entwicklerkonferenz in Amsterdam stellte Unity die neue Version 2017.1 seiner gleichnamigen Spiele-Engine vor. Eine Beta lässt sich bereits ausprobieren, die finale Fassung soll noch im Juli folgen. Die wichtigsten Neuerungen sind ein Sequenzer für Animationen namens Timeline, eine Automation von Kamerafahrten namens Cinemachine sowie ein neues Post-Processing-Paket, das unter anderem professionelle Farbkorrekturen erlaubt. Mit Timeline und Cinemachine lassen sich nicht nur Zwischensequenzen filmreif inszenieren, sondern auch beliebige Animationen innerhalb des Spiels. Kameras können Objekten automatisch folgen und auf andere Positionen umschalten, wenn die Spielfigur von einem Hindernis verdeckt wird. Dadurch verleihen Entwickler selbst Mobilspielen eine filmreife Anmutung, ohne eine Zeile Code schreiben zu müssen.

Auf Smartphone-Displays mit Googles Tango kollidieren reale Menschen derzeit noch mit digitalen Möbeln.

Im Zentrum des Interesses standen jedoch neue Anwendungen für Augmented Reality (AR). Zwar sind hierzu keine wesentlichen Neuerungen in 2017.1 enthalten, aber man blickt schon voraus auf das nächste Update 2017.2, das voraussichtlich zum Jahresende erscheint. Zu erwarten ist, dass es dann auch die kommenden VR- und AR-Frameworks von Apple und Microsoft direkt im Unity-Editor unterstützt.

Bei AR setzen Apple, Google und Microsoft unterschiedliche Schwerpunkte. Microsofts HoloLens ist bislang das einzige System, bei dem der Anwender eine Brille trägt, auf dessen durchsichtigen Displays Objekte direkt in der Umgebung platziert werden. Das nutzen zum Beispiel die Entwickler von VW, um neue Cockpit-Konzepte und die Ergonomie ihrer Armaturen zu testen. In Kombination mit einfachen Modellen aus Ton, auf die originale CAD-Daten projiziert werden, können sie Design-Änderungen wesentlich leichter ausprobieren als bisher. Sogar Visualisierungen aus dem Windkanal oder von Crash-Tests seien möglich. Da die HoloLens autark laufe und keinen schnellen VR-PC benötigt, relativierten sich auch die hohen Kosten von rund 3000 Euro pro Brille.

Dreifach-Scan

Google zielt mit seinem Projekt Tango weniger auf Forschung und Entwicklung, sondern auf kommerzielle Shop-Systeme. Die Entwickler zeigten eine App, mit der man virtuelle Möbel in einen realen Raum einpassen und das Ensemble gleich online bestellen kann. Solche Apps wären für Anbieter wie Ikea interessant. Dank des aufwendigen 3D-Scans ließe sich künftig auch berechnen, wenn digitale Objekte teilweise von realen Gegenständen verdeckt werden, sodass sie sich besser in die Umgebung einpassen. Eine Kombination mit Daydream, bei der der Anwender sich unter der VR-Brille ähnlich wie bei der HoloLens durch die von Tango aufgenommene 3D-Umgebung bewegt, sei angedacht, aber noch nicht spruchreif.

Der Nachtteil von Tango ist jedoch, dass es nur auf speziellen Smartphones läuft, wie dem Lenovo Phab 2 Pro und dem neuen Asus ZenFone AR (siehe Test in c’t 14/17, S. 104). Gleich drei Linsen scannen die Umgebung: eine normale Foto-Linse, eine Weitwinkel-Linse und ein Time-of-Flight-Sensor, der ein relativ akkurates 3D-Tiefenmodell der Umgebung erzeugt. Solange Tango jedoch nur auf wenigen Geräten läuft, dürften Hersteller kaum bereit sein, aufwendige AR-Apps für Tango zu entwickeln.

Apple verfolgt einen anderen Ansatz. Deren AR-Kit kommt mit einer gewöhnlichen Kamera aus, wie sie bereits jetzt in den iPhones eingebaut wird. Die können zwar kein so exaktes 3D-Abbild der Umgebung scannen wie Googles Tango, es reicht aber aus, um freie Flächen auf dem Boden und auf Tischen zu erkennen und dort digitale Objekte zu platzieren. Dank der breiten Hardware-Unterstützung dürften unter iOS 11 deshalb weitaus mehr AR-Apps entstehen als unter Android. Auch Google arbeite an einer Vereinfachung der Hardware-Voraussetzungen von Tango, damit es künftig mehr Smartphones unterstützen. Konkrete Details dazu wollte der Entwickler jedoch nicht preisgeben. (hag@ct.de)

Unity hat die Reisekosten des Autors zur Unite-Konferenz übernommen.