c't 14/2017
S. 38
News
Chrome-Werbeblocker

Der Ein-bisschen-Werbeblocker

Paukenschlag für das kommerzielle Web: Ab 2018 will Google seinen Browser Chrome mit einem eingebauten Werbefilter ausliefern. Dieser soll aber nur die am meisten frustrierende Werbung aussortieren.

Ein Werbeblocker im Browser eines Werbeunternehmens – das klingt widersinnig. Aber für Googles Schritt gab es Vorzeichen: Bereits im September 2016 hatte Google die „Coalition for Better Ads“ mitgegründet, der heute unter anderem Facebook, die Werbeagentur Group M, Reuters und die Washington Post angehören. Ihr gemeinsames Ziel: das Werbeumfeld im Netz zu verbessern und damit die Verbreitung von Adblockern einzuschränken.

Im März stellte die Organisation dann ihren „Initial Standard“ für bessere Werbeanzeigen vor. Auf den Index stellt dieser insbesondere Popup-Anzeigen, Auto-Play-Videos mit Sound sowie Vorschaltseiten, die Leser erst nach einer Werbepause zum eigentlichen Inhalt weiterleiten. In Mobilbrowsern steht zudem aufdringlich blinkende Werbung auf der Liste unerwünschter Werbeformen. Anfang Juni kam dann die offizielle Ankündigung von Google: Ab 2018 soll der eigene Browser Chrome diesen Standard verbindlich umsetzen.

Erfolglose Selbstregulierung

Die Coalition for Better Ads informiert auf ihren Seiten detailliert über Werbeformen, die sie als nervig ansieht.

Einige Werbeunternehmen und Branchenverbände hatten zuvor bereits mehrere Jahre intern versucht, die Flut an immer aufdringlicheren Werbeformen einzuschränken, die sie als Grund für die Verbreitung von Adblockern identifiziert hatten - bisher ohne durchschlagenden Erfolg. Ein Grund dafür ist die rapide Ausbreitung des „Programmatic Advertising“, also die Versteigerung von Werbeplätzen in Echtzeit-Auktionen. Betreibern von Websites lässt diese Werbeform kaum noch Kontrolle darüber, welche Werbung auf ihren Seiten auftaucht.

Währenddessen wurden Adblocker immer mehr zum Mainstream-Produkt. So hat Mozillas Firefox bereits seit 2015 einen Tracking-Blocker eingebaut, der auch als Adblocker fungiert. Opera zog im Frühjahr 2016 mit einem internen Werbefilter nach. Apple ließ bereits 2015 für seinen Mobilbrowser Safari Adblocker zu und hat einen intelligenten Tracking-Schutz angekündigt.

Als weltweit meistverbreiteter Desktop- und Mobilbrowser hat Chrome aber einen viel größeren Einfluss. Anders als die Konkurrenz hat Google zugleich ein vitales Interesse daran, Werbung nicht komplett zu unterdrücken, sondern zu einem wesentlichen Teil weiter passieren zu lassen – schließlich ist Online-Werbung die Haupteinnahmequelle des Unternehmens.

Das Konzept eines gezielt durchlässigen Adblockers erinnert ein wenig an das Geschäftsmodell der Firma Eyeo, die den Werbeblocker Adblock Plus betreibt. Das deutsche Unternehmen bietet Werbetreibenden an, „akzeptable“ Anzeigen durchzuschleusen – verlangt von Großkunden dafür aber 30 Prozent des Werbeumsatzes. Auch Google gehört zu den Großkunden. Eyeo wird derzeit von sechs Medienhäusern verklagt; für Anfang 2018 wird ein Urteil des Bundesgerichtshofs erwartet.

Zwei Milliarden Nutzer

Der Chrome-Adfilter soll wesentlich mehr Werbeformen passieren lassen als Eyeos „Acceptabe Ads“-Programm. Außerdem verlangen Google und die Coalition for Better Ads keine Provision für durchgelassene Werbung. Darüber hinaus hat Chrome deutlich mehr Nutzer. Warb Eyeo 2016 mit 100 Millionen Installationen von Adblock Plus, konnte Google im selben Jahr zwei Milliarden aktive Installationen auf Desktops und Mobilgeräten verzeichnen.

Es geht um viel Geld: Nachdem Facebook im Sommer 2016 durch Änderungen im Quelltext viele Adblocker auf seiner Plattform außer Gefecht gesetzt hatte, konnte der Konzern im folgenden Quartal über eine Milliarde Dollar zusätzlicher Einnahmen ausweisen.

Zum Kasten: Adblocker sind ein Symptom

Google hat es mit seinem Werbegeschäft nicht so einfach. So erscheint Google-Werbung überall im Web – und muss daher über externe Adserver ausgeliefert werden, die leicht zu blockieren sind. Statt Adblocker technisch zu bezwingen, ist der Konzern daher darauf aus, den Nutzern das Gefühl zu geben, dass sie keinen Adblocker installieren müssen (siehe Interview).

Googles Werbefilter geht auch technisch neue Wege. Klassische Werbeblocker wie Adblock Plus nutzen aufwendig gepflegte Filterlisten, die Adserver, Werbeskripte und einzelne Werbeplätze identifizieren, und gezielt das Laden von Werbung verhindern. Andere Werbeblocker unterbinden gewisse Browserfunktionen, etwa das Öffnen einen Popup-Fensters.

Der Chrome-Filter baut hingegen auf der Infrastruktur des Konzerns auf. So hat Google in den letzten Monaten systematisch erfasst, welche Websites welche Werbemittel ausliefern. Kommt Google zum Schluss, dass eine Website unzulässige oder zu viel Werbung ausliefert, landet diese auf einer schwarzen Liste. Folge: Chrome wird auf dieser Website künftig alle Werbung filtern – auch zulässige Werbeformen und Google-Werbung.

Google setzt hier auf seine Marktmacht. Doch das alleine reicht nicht. Obwohl Google mit der Coalition for Better Ads eine eindrucksvolle Allianz geschaffen hat, muss sich der Konzern auf heftige Gegenwehr gefasst machen: So nennt der Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger das Vorgehen das Konzerns „heuchlerisch“ und befürchtet, dass Googles neue Regeln nur Google helfen sollen. Oliver von Wersch, der im Bundesverband Digitale Wirtschaft für das Thema zuständig ist, erhofft hingegen, dass Googles Vorstoß in der Branche das Bewusstsein dafür schärft, dass qualitativ hochwertige Werbung ihren Preis hat. Sie finden ein ausführliches Interview mit von Wersch unter dem c’t-Link am Ende des Artikels.

Als Friedensangebot hat Google parallel zu Ankündigung des Werbefilters das Programm „Google Contributor“ neu gestartet, mit dem Nutzer für den werbefreien Aufruf von Websites deren Betreibern bezahlen können. Ein Seitenabruf kostet hier zwischen einem und vier Cent. In das Programm hat Google auch einen Anti-Adblock-Filter integriert, der nicht zahlende Kunden mit Werbeblocker abweist. Dies bietet einen Vorgeschmack auf eine künftige Frontlinie: Bereits wenige Tage nach Veröffentlichung des Filters konnten mehrere Adblocker diese Sperre erfolgreich umgehen. (jo@ct.de)