c't 7/2016
S. 48
News
Forschung

Neuer Rekord bei Patentanmeldungen in Europa

Das Europäische Patentamt in München hat 2015 mehr als 68 000 gewerbliche Schutzrechte für technische Neuentwicklungen erteilt – ein neuer Rekord. Bild: EPA

Das Europäische Patentamt (EPA) in München hat erste Statistiken für das Geschäftsjahr 2015 veröffentlicht. Danach stieg die Zahl der Patenteinreichungen im vergangenen Jahr um 1,6 Prozent auf rund 279 000. Den Status einer Patentanmeldung für den europäischen Markt erlangten 160 222 Einreichungen, ein Plus gegenüber dem Vorjahr von 4,8 Prozent. Die meisten Patentanmeldungen gab es 2015 erneut in der Medizintechnik mit einem Zuwachs von 11 Prozent auf knapp 12 500. Zum Medizintechnik-Sektor zählt das EPA beispielsweise intelligente Prothesen, OP-Roboter, Computertomographen oder auch neue Herzschrittmacher.

Platz zwei und drei der Technologiefelder mit den meisten Patentanmeldungen im Jahr 2015 belegen klassische IT-Themen. So verzeichnete das Segment „Digitale Kommunikation“ (z. B. elektronische Schaltungen, Verstärker, Dekoder) insgesamt 10 762 Patentanmeldungen (plus 3,2 Prozent), im Segment „Computertechnik“ (u. a. Hardware und Datenverarbeitung) wurden 10 549 Anträge auf Gewährung gewerblicher Schutzrechte gestellt (plus 7,8 Prozent). Den größten Zuwachs (plus 17,9 Prozent) gab es im Segment „Maschinen, Pumpen und Turbinen“ (insgesamt 6374 Patentanmeldungen), was EPA-Angaben zufolge vor allem zahlreichen Innovationen im Bereich Klimaschutz geschuldet ist.

Die meisten Patentanträge (2402) reichte im Jahr 2015 der niederländische Elektronikkonzern Philips ein, gefolgt von Samsung (2366) und LG (2091). Siemens schaffte es mit 1894 Patentanmeldungen auf Rang fünf, die Robert-Bosch-Gruppe belegt in der EPA-Statistik für 2015 Platz acht mit 1493 Anträgen. Das erfindungsfreudigste Land in Europa ist die Schweiz: Mit 873 Patentanmeldungen pro einer Million Einwohner lag die Schweiz 2015 deutlich vor den Niederlanden (419), Schweden (392) und Finnland (365). Deutschland belegt in diesem Ranking Platz sechs (307 Patentanmeldungen je eine Million Einwohner), ist in der Summe aber das EU-Land mit den meisten Patentanmeldungen (24 820).

Erteilt hat das Europäische Patentamt im Jahr 2015 insgesamt 68 421 gewerbliche Schutzrechte für technische Neuentwicklungen. Davon wurden 47 Prozent nichteuropäischen Unternehmen zugesprochen; fast 15 000 Patente gingen an US-Unternehmen. Den größten Sprung nach vorne machte China, das im vergangenen Jahr 1407 Patente zugesprochen bekam – ein Plus von 18,6 Prozent gegenüber 2014. Finanzzahlen für 2015 hat das Europäische Patentamt noch nicht vorgelegt – der Jahresumsatz dürfte aber erneut bei rund 1,6 Milliarden Euro liegen. 2014 erwirtschaftete das EPA einen Überschuss in Höhe von 151 Millionen Euro, der an die 38 Mitgliedsstaaten der Europäischen Patentorganisation (EPO) ausgeschüttet wurde. (pmz@ct.de)

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Verhaltenskodex für Virtual-Reality-Anwendungen

Immer mehr Menschen tauchen in Virtual-Reality-Umgebungen ab. Über Risiken und Nebenwirkungen wie Halluzinationen und Persönlichkeitsveränderungen erfährt man aber nur selten etwas.

Facebook, HTC, Microsoft, Samsung, Sony – die Liste der IT-Konzerne, die eigene Hard- und Software für Virtual-Reality-Anwendungen (VR) auf den Markt bringen wollen, wird immer länger. Die neuen Möglichkeiten, sich mittels VR-Brille und -Trackingsystem in virtuellen Umgebungen fast wie in der realen Welt zu bewegen, sind faszinierend – sie können aber auch ungeahnte Auswirkungen auf die Psyche und die Selbstwahrnehmung der Nutzer haben, warnen die Mainzer Wissenschaftler Michael Madary und Thomas Metzinger.

Die beiden Neurophilosophen der Uni Mainz haben sich in den vergangenen Jahren mit sogenannten Körperillusionen beschäftigt, also der Empfindung, einen Körper zu besitzen und kontrollieren zu können, der nicht der eigene ist. „Neue Studien zeigen, dass durch virtuelle Realitäten hervorgerufene Körperillusionen einen erheblichen Einfluss auf das emotionale Empfinden und das Verhalten der Nutzer haben – und diese Veränderungen dauern auch dann noch an, wenn sie die VR-Umgebung bereits wieder verlassen haben“, schreiben die Wissenschaftler in einem Beitrag für das Fachjournal „Frontiers in Robotics and AI“.

So wiesen US-Wissenschaftler beispielsweise nach, dass Probanden, die in virtuellen Umgebungen deutlich älter dargestellt werden als im realen Leben, die Tendenz aufweisen, mehr Geld für ihre Alterssicherung aufzuwenden. Virtual-Reality-Anwendungen könnten somit als „Einfallstor für mögliche psychologische Manipulationen“ missbraucht werden, warnen die Mainzer Forscher. Eine besondere Gefahr sehen die Wissenschaftler zudem in Inhalten wie Gewaltszenen und Pornografie. Hier steige für VR-Nutzer das „Risiko von psychischen Traumata“.

Die Wissenschaftler schlagen deshalb einen Verhaltenskodex für die Nutzung von Virtual Reality vor. Unter anderem müssten Anwender über Risiken wie Halluzinationen, Persönlichkeitsveränderungen und die Beeinflussung des Unterbewusstseins etwa durch Werbung informiert werden. Auch sehen die Forscher Regelungsbedarf in Sachen Überwachung und Datenschutz. „Wir rufen aber nicht nach allgemeinen Restriktionen bei der Nutzung von VR“, stellen sie klar. „Uns geht es darum, ethische Empfehlungen bereitzustellen, um existierende Risiken zu minimieren.“ Ihr Fachbeitrag „Real Virtuality: A Code of Ethical Conduct. Recommendations for Good Scientific Practice and the Consumers of VR-Technology“ kann über den nachfolgenden Link abgerufen werden. (pmz@ct.de)