c't 23/2016
S. 116
Test
Playstation VR
Aufmacherbild

VR fürs Wohnzimmer

Sonys Playstation VR mit 20 Spielen im Test

Bislang blieb Virtual Reality den Beweis schuldig, ob sie mehr ist als teures Spielzeug für Technik-Freaks. Mit der günstigen Playstation VR zeigt Sony nun, dass die Technik für den Massenmarkt taugt.

Als Oculus und HTC im Frühjahr mit ihren ersten VR-Brillen auf den Markt kamen, war die Verzückung groß: Die Rift ließ Anwender erstmals in Spiele eintauchen, mit den Hand-Controllern der Vive konnte man sogar hineingreifen. Seitdem haben Indie-Entwickler die App-Stores mit VR-Experimenten geflutet. Auf „das große Spiel“, die Killer-App, für die sich eine Investition von über 2000 Euro für eine Vive oder Rift nebst leistungsfähigem Rechner auch tatsächlich lohnt, warten Fans aber bis heute.

Sony hat sich mit der Playstation VR hingegen lange Zeit gelassen: Nicht nur um die Hardware zu optimieren, sondern vor allem, um mit einem großen Software-Angebot zu punkten. Gleich vom Start weg stehen 30 VR-Titel zur Wahl. Sie decken eine große Bandbreite ab: Online-Shooter, Autorennen, Puzzle- und Sportspiele, Horror-Adventures und futuristische Arcade-Spiele. Die 20 interessantesten davon besprechen wir in kurzen Einzeltests ab Seite 120.

Genug Leistung

Doch wird die Playstation 4 den hohen Leistungsanforderungen für VR überhaupt gerecht? Schließlich kann sie kaum mit einem 1500-Euro-PC mithalten. Um es kurz zu machen: Ja, sie wird. Die Konsole rendert alle VR-Spiele mit mindestens 60 fps. Eine kleine Anschlussbox, die zwischen PS4 und Fernseher per HDMI gesteckt wird, verdoppelt die Framerate von 60 auf 120 Hz. Dabei werden die Zwischenbilder anhand der Tracking-Daten von Kamera und Bewegungssensor interpoliert. Das Ergebnis ist eine butterweiche Bildwiedergabe, die das System auch seiner kurzen Latenz verdankt, die Sony mit 18 ms angibt. Nur wenn man sehr schnell mit dem Kopf wackelt, sind leichte Unschärfen und Geisterbilder zu erkennen – die in der Praxis aber kaum stören.

Um auf 60 Bilder in der Sekunde zu kommen, verringern die meisten Spiele die Render-Auflösung. Außerdem reicht die Leistung häufig nicht für Kantenglättungsfunktionen. Das etwas krümelige Bild stört besonders beim Rennspiel „Driveclub VR“ oder beim Weltraum-Shooter „Eve Valkyrie“, weil man Kurven und weit entfernte Gegner erst spät erkennt. Andere Spiele wie „Rez Infinite“, „Rigs“ oder „Superhypercube“ fangen dies mit ihrem exzellenten Grafik-Design auf, das zuweilen für echte Wow-Effekte sorgt – so tief steckt man drin im Geschehen. Laut Sony sollen künftige VR-Titel ohne anspruchsvolle Grafik sogar von Haus aus mit bis zu 120 Hz gerendert werden können.

Video: Sony Playstation VR: Verkabelung und erster Testlauf

Mit zum guten Eindruck trägt auch die Linsenoptik der VR-Brille bei. Im Unterschied zur Oculus Rift und HTC Vive verwendet Sony keinen Fresnel-Schliff, was unschöne Lichtstreuungen verhindert. Auch der berüchtigte Fliegengitter-Effekt fällt wenig ins Gewicht. Zwar ist die Auflösung des PSVR-Systems mit 1920 × 1080 Pixeln etwas kleiner als bei der Rift und Vive, dafür nutzt Sony aber für jede Grundfarbe gleich viele Subpixel (RGB-OLED-Matrix). Bei Oculus und HTC sind die Subpixel dagegen ungleichmäßig verteilt: Zwei Pixel teilen sich je zwei grüne, ein rotes und ein blaues Subpixel (Pen-Tile-Matrix). Das führt zu unschönen Treppenstufen-Effekten. Bei Sonys RGB-Matrix fransen Kanten deutlich weniger aus; Schriften sind gut lesbar.

Man muss allerdings darauf achten, dass das Headset exakt vor den Augen platziert ist – sonst wird das Bild unscharf. Der Sweetspot, also der Schärfepunkt, ist bei Sony deutlich kleiner als bei Rift und Vive. Damit haben etwa Personen mit sehr großem Pupillenabstand (IPD) Probleme, da dieser nur per Software ausgeglichen wird. Ein Kollege mit 7,5 Zentimeter IPD sah die Spiele immer nur auf einem Auge scharf. Außerdem scheint das PSVR-Display ein wenig langsamer zu schalten als die Konkurrenz: Bei schnellen Kopfbewegungen erkennt man Schlieren und Schattenbilder. Dennoch: Alles in allem gefällt uns der Bildeindruck des PSVR-Headsets mindestens ebenso gut wie bei Oculus und HTC.

Fernseher ade

Diese Anschlussbox wird zwischen Konsole und Fernseher geklemmt und schleift das HDMI-Signal durch. Sie erzeugt Zwischenbilder und berechnet 3D-Audio für Kopfhörer.

Grundsätzlich lässt sich die Playstation VR auch ohne Fernseher betreiben. Alle Menüs, normale Spiele und Filme (3D-Blu-rays allerdings nur monoskopisch) sieht man dann auf einer virtuellen Leinwand, die vor dem Spieler zu schweben scheint. Das funktioniert nicht nur mit der Playstation-Konsole, sondern man kann beliebige Geräte mit HDMI-Ausgang ans Headset anschließen und dieses als Sichtgerät einsetzen – im Test klappte das zum Beispiel problemlos mit einem Raspberry Pi 3 Modell B.

Die Größe der virtuellen Leinwand lässt sich in drei Stufen einstellen: Bei der kleinsten passt das gesamte Bild in Blickfeld, bei der größten muss man den Kopf bewegen, um alles sehen zu können. Das funktioniert gut, auch wenn der Auflösungsverlust deutlich auffällt – schließlich müssen sich beide Augen ein Full-HD-Display teilen. Sony-Interactive-Chef Shuhei Yoshida brachte es auf Twitter auf den Punkt: „Die Funktion ist großartig, wenn man sich volle Immersion mit riesigem Bild wünscht. Nicht so großartig ist sie, wenn man grafische Details sehen will.“

Hat man einen Fernseher angeschlossen, kümmert sich die PSVR-Anschlussbox (offiziell „Prozessoreinheit“ genannt) um die Bildausgabe. Während die Brille mit 90 oder 120 Bildern pro Sekunde versorgt wird, bekommt das TV-Gerät ein 60-Hz-Signal. Bei den meisten Spielen zeigt der Fernseher das, was auch im Headset zu sehen ist – allerdings unverzerrt und monoskopisch. Einige Titel wie das kostenlose „Playroom VR“ zeigen auf dem Fernseher etwas anderes als auf dem Headset an, so dass zwei Spieler gegeneinander spielen können. Unschön: Die Prozessoreinheit hat einen Lüfter, dessen Rauschen im Betrieb aber in dem der PS4 untergeht. Allerdings schaltet sich der Lüfter der PSVR-Box nicht immer aus, wenn die PS4 in den Ruhemodus geht – dazu muss man die Konsole oftmals ganz ausschalten.

Einen weiteren Schönheitsfehler leistet sich Sony beim Anschluss von UHD-Fernsehern: So kann die PSVR-Box zwar hohe Auflösungen von bis zu 2160p durchleiten, jedoch nur im Farbformat YUV420. HDR10-Signale der PS4 und PS4 Pro gibt sie leider nicht weiter. Sony hofft, den Mangel mit einem Firmware-Update beheben zu können. Laut Datenblatt unterstützt der in der Box eingesetzte HDMI-Transceiver ADV7626 von Analog Devices Farbtiefen bis 48 Bit. Allerdings beherrscht er nur den Kopierschutz HDCP 1.4 und nicht die neueste Version 2.2. Zur Not müssen Anwender zur HDR-Weiterleitung auf einen HDMI-2.0a-Splitter oder -Switch zurückgreifen, die es für rund 20 Euro im Handel gibt.

Videos