c't 19/2016
S. 44
News
Game Developers Conference

Der Vulkan brodelt

Game Developers Conference: Über Vulkan und alte Helden

Spieleentwickler sind von der neuen 3D-Schnittstelle Vulkan begeistert und sehen in ihr viel Potenzial. Doch auch alte Haudegen kamen zur GDC Europe, etwa John Romero. Der erzählte, nach welchen Programmierregeln er Klassiker wie Wolfenstein, Doom und Quake entwickelte.

Die diesjährige Spieleentwicklerkonferenz GDC Europe stand im Zeichen der neuen 3D-Schnittstelle Vulkan. Das Anfang 2016 fertiggestellte Low-Level-API ermöglicht es Entwicklern, hardwarenäher zu programmieren und moderne Prozessoren und Grafikchips besser auszulasten, als es Direct3D 11 oder OpenGL erlauben. Außerdem läuft Vulkan nicht nur auf Desktop-Hardware, sondern auch auf Mobil-Chips und auf beliebigen Betriebssystemen.

Doom läuft mit Vulkan mehr als 30 Prozent schneller als unter OpenGL – sofern man eine aktuelle AMD-Grafikkarte einsetzt.

Auf der GDC Europe feierte Vulkan sein Halbjähriges und Vertreter der Firmen AMD, ARM, Croteam, Imagination Technologies, Nvidia und Samsung zogen Bilanz. Dabei war man sich einig: In den sechs Monaten wurde verdammt viel auf die Beine gestellt. Croteams Chief Technology Officer Alen Ladavac, der unter anderem für das 3D-Knobelspiel Talos Principle verantwortlich zeichnet, lobte die seit dem ersten Tag funktionierenden Treiber, die Geschwindigkeit der Schnittstelle und die dadurch möglichen Leistungsverbesserungen. Als bestes Beispiel diente der neue Vulkan-Renderpfad des Spiels Doom, der auf AMD-Grafikkarten spürbar höhere Bildraten erzeugt als OpenGL. Die Entwickler freute es, dass sie ihre Titel mit Vulkan direkt anpassen können und nicht abschätzen müssen, wie sich der Direct3D- oder OpenGL-Grafiktreiber verhält – der sei bisher eine Art Black Box, so Ladavac.

Verbesserungswürdig sei allerdings die Dokumentation der Schnittstelle und der 3D-Chips, schließlich benötigen Vulkan-Programmierer tiefere Kenntnisse über die verwendete 3D-Hardware. Auch einen rascheren Update-Zyklus der Spezifikation wünschten sich manche Entwickler, die durch die vielen Mitbestimmer im Khronos-Konsortium Defizite sehen.

Richtig Bewegung gibt es bei den Implementierungen: Von Talos Principle, dem Echtzeit-Strategiespiel Ashes of the Singularity und dem E-Sports-Hit Dota 2 gibt es schon Vulkan-Versionen. Die Unreal Engine unterstützt bereits Vulkan; Unity, Frostbite und die CryEngine sollen nachziehen. Selbst für den Spielkonsolen-Emulator Dolphin gibt es ein Vulkan-Backend, ebenso für den Uralt-Klassiker Quake 1.

Romeros Erbe

Apropos Quake: Dessen Mitentwickler John Romero geisterte auch über die Konferenz und hielt einen Vortrag über die ersten Jahre des Kult-Entwicklerstudios id Software. Demnach hat das kleine id-Team mit weniger als 10 Entwicklern innerhalb von fünfeinhalb Jahren 28 Spiele entwickelt. Burn-out-Zustände gab es laut Romero nicht, denn man hatte Spaß an der Arbeit, war nicht durch Social Networks abgelenkt – und außerdem richtete man sich nach effizienten Programmierprinzipien. So sei es laut Romero immens wichtig, einfachen und klaren Code zu schreiben, der für jedes Spiel einzigartig ist. Für neue Spiele sollte man von vorn anfangen und keinen alten Code umbiegen. Der Code und die Arbeit des jeweiligen Programmierers müssen so transparent wie möglich sein; Romero zufolge sei es das Schlimmste, wenn sich einzelne Coder zu einer Art Black Box entwickeln. Treten Bugs auf, sollen Entwickler diese sofort beheben und nicht auf lange Fixing-Listen setzen – erst wenn der jeweilige Fehler behoben ist, soll man weiterarbeiten; nur so erhalte man sich ein stabiles Fundament für die jeweilige Anwendung. Klingt trivial, ist aber heute offenbar nicht mehr üblich.

Coden, coden, coden – aber nach Prinzipien! John Romero anno 1996

Nun mag sich der ein oder andere fragen, weshalb John Romero seit Ende der 90er trotz seiner Prinzipien keine erfolgreichen Spiele mehr zustande gebracht hat. Thematisiert hat Romero dies zwar nicht, aber wohl unfreiwillig einen Hinweis geliefert. So fragte ein Zuschauer, welches sein Lieblingsspiel sei. Romero zählte ein paar auf und blieb schließlich bei World of Warcraft hängen; dies habe er über Jahre exzessiv gespielt: mindestens sechs Stunden pro Tag in der Woche und über 12 Stunden an Wochenendtagen. Noch Fragen?

Romeros Programmierkollege John Carmack hat sich ebenfalls längst von id Software abgeseilt und arbeitet mittlerweile als Cheftechniker bei Oculus. Dem VR-Brillenhersteller gehts durch Facebook im Rücken gut, allerdings sagte der US-Marktforscher Paul Walker von EEDAR auf der GDC, dass die ganze VR-Branche hofft, endlich eine Killer-App zu finden. Derzeit bremsten zu teure Hardware und unattraktive Spiele den Absatz von VR-Brillen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Sind die verfügbaren Apps und Inhalte tatsächlich jene, die die Leute wollen? Walker zufolge sind Spieler aber durchaus gewillt, auch für vergleichsweise kurze VR-Spiele mehr als 20 US-Dollar auszugeben. Walker malte einen möglichen Weg hin zum VR-Mainstream, der allerdings bis 2020 dauere. Gegenüber c’t erwähnte Walker außerdem, dass er selbst skeptisch sei, ob VR überhaupt jemals Breitenwirkung entfalten werde.

Wissenschaftliches Crowd-Sourcing

Die isländischen Entwickler von CCP nutzten derweil ihr Online-Rollenspiel „Eve Online“ für wissenschaftliche Experimente. Im „Project Citizen“ arbeiteten sie mit den Universitäten in Reykjavik und Uppsala Konzepte aus, wie man Online-Spieler zur Auswertung und Kartierung menschlicher Proteine für den Human Protein Atlas heranziehen könnte. Dazu entwickelten sie ein Minispiel innerhalb der Eve-Online-Welt, in der Spieler auf Fotos menschliche Zellen nach bestimmten Vorgaben farbig markieren sollten.

Das Projekt sollte eigentlich zwei bis drei Monate dauern. Aber die Spieler hatten bereits in den ersten 24 Stunden über 463.000 Klassifikationen auf 14.500 Bildern durchgeführt. Innerhalb von 3 Wochen waren sie mit allen Bildern fertig. Während dieser Zeit spielten 50.000 Spieler das Minispiel und fanden drei bislang unbekannte Protein-Komponenten sowie 109 neue Protein-Kandidaten.

Allerdings eignen sich nicht alle wissenschaftlichen Fleißaufgaben für eine Integration in Spiele, erklärten Projektleiter Bergur Finnbogason und Attila Szantner. So muss sich die Aufgabe in zeitlich konstante Abschnitte aufteilen lassen, damit Spieler ihre Zeit zum Lösen der Aufgaben gut kalkulieren können. Um Spieler über einen längeren Zeitraum am Ball zu halten, implementierte CCP virtuelle Trophäen, die Spieler gewinnen können und ihre Reputation im Spiel dadurch steigern. CCP hat mit diesem ersten wissenschaftlichen Projekt unter dem Namen MMOS (Massive Multiplayer Online Science) eine allgemeine Schnittstelle und Datenbank für wissenschaftliche Minispiele in Eve Online implementiert. Mit ihr sollen künftig weitere Projekte folgen. Als Nächstes sei etwa in Kooperation mit der Universität in Genf die Suche nach Exoplaneten geplant. Sie soll bis Ende des Jahres in Eve Online starten. (mfi@ct.de)