c't 22/2020
S. 30
Aktuell
Online-Werbemarkt

Keine Cookies – auch kein Problem

Onlinewerbung floriert in der Krise

Dank des Siegeszugs der programmatischen Werbung trotzt die Online-Werbebranche der Corona-Krise. Dem Wegfall der Cookies sehen die Werber optimistisch entgegen.

Von Torsten Kleinz

Pünktlich zur Branchenmesse Dmexco konnte der Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) erstaunlich positive Zahlen vermelden (siehe ct.de/yw5m). Während der Werbemarkt für Reisen im Verlauf der Coronakrise fast komplett weggebrochen war, fingen andere Branchen wie der Handel die ausgefallenen Umsätze weitgehend auf. Für das gesamte Jahr 2020 erwartet die Werbebranche einen Umsatz von 3,93 Milliarden Euro, ein Wachstum von 8,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.

Das programma­tische Advertising konnte seinen Anteil am Werbemarkt sogar noch steigern.
Bild: OVK/BVDW

Eigentlich hatte die Werbebranche einen größeren Umsatzverlust durch die nachgezogenen Effekte der Datenschutz-­Grundverordnung erwartet. Denn bisher konnten deutsche Websites nach einer Regelung des Telemediengesetzes auch dann Cookies setzen, wenn die Nutzer nicht explizit der Speicherung zugestimmt hatten. Doch der BGH hatte dem ein Ende bereitet (siehe c’t 14/2020, S. 48). Dadurch drohte der Werbewirtschaft eines der zentralen Elemente für die Personalisierung wegzufallen.

Unverminderter Datenhunger

Doch diese Befürchtungen haben sich bisher nicht bestätigt. Im Gegenteil: Das programmatische Advertising, bei dem über Echtzeitbörsen personalisierte Werbung versteigert und auf tausenden verschiedenen Websites und Apps ausgespielt wird, konnte seinen Anteil am Werbemarkt sogar noch steigern – von 62 Prozent im Jahr 2019 auf 67 Prozent im laufenden Jahr. Dieses Wachstum geht zu Lasten der klassischen Werbebuchungen, die in Jahresfrist von 1,367 auf 1,287 Milliarden Euro zurückgingen.

Ein Teil des Erfolgs ist auf neue Cookie-­Banner zurückzuführen, die die Ablehnung der Datenverarbeitung zu einer schwer durchschaubaren Klickorgie machen. So hat Werbevermarkter Ströer in Feldversuchen zum Beispiel den Schließen-Button entfernt, der das einfache Ablehnen von Cookies möglich machte. Nach Angaben von Christopher Kaiser, stellvertretender Vorsitzender des OVK und CEO von Ströer Digital, bewirkten solche Banner enorme Zustimmungsraten von 80 bis 90 Prozent.

Einfaches Ablehnen von Cookies? Das ist bei diesem Consent Banner nicht vorgesehen.

Kritik an der irreführenden Gestaltung wollte er auf der Dmexco-Pressekonferenz nicht gelten lassen. So seien die Consent-Banner vor Einführung ausgiebig von Anwälten geprüft worden. „Die Form, in der das jetzt im Markt sehr einheitlich umgesetzt wird, ist in meinen Augen der beste Weg, wie man das machen kann“, sagte Kaiser.

Dennoch bereiten sich viele Anbieter auf eine Cookie-lose Zeit vor, weil Browser immer mehr Cookies mit den Voreinstellungen blockieren (siehe c’t 21/2019, S. 38). Sogar Google, selbst großer Werbevermarkter, hatte bereits angekündigt, dass sein Browser Chrome binnen zwei Jahren auf Third Party Cookies verzichten werde. Allerdings machte Google im Rahmen der Dmexco klar: Der Zeitplan ist nicht in Stein gemeißelt. Man werde die Unterstützung der Third Party Cookies nicht einstellen, ohne für Ersatzlösungen zu sorgen, die nicht nur das Targeting weiter ermöglichen, sondern auch andere Aspekte des Marketings wie die Erfolgskontrolle abdecken.

Viele Anbieter fragen mit ihren Cookie-Bannern ohnehin nicht nur den derzeitigen Status quo ab, sondern bereiten sich bereits auf die Cookie-lose Zeit vor und holen beim Surfer ein Einverständnis zum Beispiel für Browser-Fingerprinting ein. Das Cookie ganz aufgeben wollen die meisten Adtech-Unternehmen nicht. So arbeitet der Werbeverband IAB am Projekt „Rearc“, das einen universellen Identifier schaffen will, der die Kopplung von Kundenprofilen weiterhin ermöglichen soll.

In Deutschland ist der Anbieter Net-ID dabei, eine Login-Allianz zu schmieden, bei der sich Nutzer mit den gleichen Zugangsdaten bei einer Reihe unterschiedlicher Anbieter einloggen können. Gewinnt das Konzept mehr Anhänger, könnten sich die Cookie-Banner in Login-Walls verwandeln, die den Zugang zu freien Inhalten nur noch nach Anmeldung erlauben.

First Party Tracking

Das Tracking wird dazu in Richtung der Website-Betreiber verlagert – First Party Data ist das neue Modewort der Branche. Statt Third Party Cookies in Websites und Apps einzubetten, die von Werbenetzwerken erfasst werden, sollen Handel und Medien die Daten erfassen oder Werbenetzwerken und Adtech-Firmen Zugriff auf ihre First-Party-Cookies geben.

Wie Targeting direkt beim Website-Betreiber konkret funktioniert, demonstrierte der Anbieter 1plusX mit seiner Predictive Marketing Platform für Verleger. Das Werbeprofil speist sich aus dem Artikel, den ein Nutzer im Augenblick betrachtet sowie aus seinen historischen Nutzungsdaten auf der Site. Mittels der gewonnenen Erkenntnisse sollen auch Redakteure wertvolle Daten bekommen, welche Inhalte beim Publikum besonders beliebt sind und wie sie optimal ausgespielt werden können.

Einen ähnlichen Ansatz verfolgt Burda­Forward mit seinem System „Sugarless“, das der Münchner Verlag kurz vor der Dmexco vorgestellt hatte. Statt nach dem persönlichen Interessenprofil des Nutzers richtet sich die ausgespielte Werbung danach, welche Inhalte sein Browser anzeigt. Dazu nutzt Burda ein neues System der Inhalteerkennung, das über die üblichen Taxonomien mit einigen hundert Schlagwörtern hinausgeht.

Als Alternative zum Tracking setzen immer mehr Medien auf ein tracking-­freies Abonnement, bei dem Leser zur Kasse gebeten werden. Für das Hamburger Magazin Spiegel ist dies derzeit ein Erfolgskonzept, wie Projektmanager Hannes Engler in Köln erläuterte. So zahlt mittlerweile eine fünfstellige Anzahl von Lesern für die Werbefreiheit – für Abonnenten des Print-Magazins kostet dies 2 Euro, für Nicht-Abonnenten 5 Euro pro Monat. Wer dieses Angebot jedoch ablehnt, erklärt sich automatisch mit der vollen Datenweitergabe zu Werbezwecken einverstanden.

Dass sich mit technischen Tricks und Überredung immer noch nicht alle Kunden adressieren lassen, haben mittlerweile auch die Werbenetzwerke eingesehen. So wirbt etwa das Anbieter Xandr dafür, dass Werbetreibende zusätzliche Kampagnen buchen, bei denen sie alle Personalisierungsoptionen deaktivieren und so die attraktive Zielgruppe der Cookie-Verweigerer erreichen. Das Schlagwort: „Simple Ads“. (jo@ct.de)

Zahlen BVDW/OVK: ct.de/yw5m

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