c't 7/2023
S. 58
Titel
Günstige Telefone: Smartphones bis 200 Euro

Gegen den Trend

Zu gut für die Nische: Womit Einsteigersmartphones brillieren

Smartphones werden immer teurer, trotzdem fristen günstige Einsteigermodelle immer noch ein Schattendasein. Zu Unrecht, denn für viele Aufgaben sind sie hervorragend gerüstet.

Von Robin Brand

Etwa 560 Euro gaben Deutsche nach einer Erhebung des Branchenverbands Bitkom im vergangenen Jahr durchschnittlich für ein neues Smartphone aus. Vor fünf Jahren waren solche Preise noch dem High End vorbehalten. Mittlerweile tragen nur vierstellig teure Hochglanzsmartphones die neueste Technik mit sich herum. Doch wer braucht die überhaupt? Und wie viele technische Finessen sind 2023 in den Einsteigerbereich gewandert?

Welches die Stärken der Einsteigersmartphones sind und woran es hapert, klären wir im Test von fünf Modellen unter 200 Euro ab Seite 60. Ob und für wen die noch spartanischer ausgestatteten Feature-Phones eine Alternative sein können, haben wir anhand von sechs Tastenhandys mit den Betriebssystemen KaiOS, S30+ und Android Go (ab S. 67) untersucht. Im Folgenden erläutern wir, was Sie generell von diesen Geräteklassen erwarten dürfen – und was nicht.

Fangen wir mit den Kameras an, denn die sind der Hauptgrund, warum Top-Smartphones so viel teurer sind als die Einsteigergeräte – und auch, warum viele Menschen bereit sind, so viel Geld für ein Smartphone auszugeben. Dass ein 1000-Euro-Smartphone bessere Fotos schießt als eines, das ein Fünftel davon kostet, sollte niemanden überraschen. Doch nur weil es bessere Knipsen gibt, sind die der Einsteigergeräte noch längst nicht schlecht.

Schauen Sie mal Ihre Fotos auf dem Smartphone durch: Sie fotografieren hauptsächlich im Tageslicht? Dann kann auch die Kamera von manchen Einsteigergeräten ausreichen. Längst verbauen Hersteller auch in den günstigen Smartphones Kameras, die für den Schnappschuss im Alltag genügen. Worauf Sie verzichten müssen, sind nachtsehende Multikamera-Systeme, die Tele und Ultraweitwinkel zusätzlich abdecken und professionell anmutende Unschärfebereiche ins Foto zaubern.

Außer den deutlich besseren Kameras sind es vor allem die Chips mit bis zu zwanzigfacher Rechen- und Grafikleistung, über die sich High-End- und Oberklassesmartphones weit vom Einsteigersegment absetzen. Das sieht in synthetischen Benchmarks zwar eindrucksvoll aus. Aber wer nicht gerade anspruchsvolle 3D-Spiele spielt, exzessives Multitasking betreibt oder Videos schneidet, bringt diese Hochleistungschips kaum je an ihre Grenzen. Beim Billigsmartphone dagegen geht schon mal das Minimieren einer App mit unschön ruckelnder Animation einher. Dennoch: Die Anwendungen, die die meisten im Alltag überwiegend nutzen – Social-Media-, Messenger-, News-, Wetter- und Shopping-Apps etwa –, laufen problemlos. Nur beim Wechsel zwischen den Apps brauchen die einfacheren Geräte mal einen Gedenkmoment länger.

Lange Laufzeit, gute Displays

Einen Vorteil haben die schwächlichen Chips der Einsteigersmartphones gegenüber ihren auf Höchstleistung gezüchteten Geschwistern: Sie rufen stoisch ihre überschaubare Leistung ab, drosseln kaum und verbrauchen wenig Strom. Alle fünf Smartphones unseres Prüfstands glänzen mit langen Laufzeiten, manche sind sogar ausdauernder als High-End-Telefone.

Unter den günstigsten Smartphones haben wir einige mit konstraststarken und schnellen 90-Hertz-Displays entdeckt. Selbst helle OLEDs finden sich in einigen wenigen Sub-200-Euro-Smartphones. Die erzielen zwar keine Fabelwerte unter dem Messgerät, strahlen aber auch in der Sonne noch hell genug, damit man es sich draußen zum Surfen und Lesen gemütlich machen kann. Die noch schnelleren 120-Hertz-OLEDs mit WQHD-Auflösung und irrwitzigen Helligkeiten von 1000 cd/m2 und mehr bringen da im Alltag kaum spürbaren Mehrwert.

Einen netten Nebeneffekt bringen sowohl günstige Smartphones als auch Tastenhandys mit sich: Ihre aufs Wesentliche reduzierten Funktionen betteln weniger um Aufmerksamkeit. Und so können sie bereichernder sein als so manches Luxus-Smartphone. Denn wie eine nicht repräsentative Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum ergeben hat, kann sich schon eine einstündige Reduktion der Smartphonenutzung am Tag positiv auf Lebensstil und Wohlbefinden auswirken.

Bliebe die Frage nach der Haltbar- und Nachhaltigkeit. Die anfängliche Mehrinvestition in ein teureres Smartphone kann sich rechnen – nämlich dann, wenn man es länger nutzt. Das ist bei teureren Handys häufig der Fall, weil sie auf eine längere Lebensdauer ausgelegt sind. Auch Wasser- und staubdichte Gehäuse behalten die Hersteller in aller Regel dem Premiumsegment vor. Das Billiggerät dagegen übersteht einen unfreiwilligen Tauchgang meist nicht. Während sich dieser Tod durch eigene Maßnahmen (Hülle, aufpassen) hinauszögern oder ganz verhindern lässt, tickt ein anderer Countdown schon ab Marktstart eines Billigsmartphones unerbittlich: Irgendwann bleiben die Updates aus – bei günstigen Smartphones deutlich früher als bei ihren teuren Geschwistern. Doch hier regt sich die EU.

Sie verpflichtet Hersteller ab 2024 im Rahmen einer neuen Ökodesign-Richtlinie, alle Smartphones fünf Jahre lang ab Ende des Inverkehrbringens mit Updates zu versorgen. Der Akku von Geräten, die nicht gemäß IP67 staub- und wasserdicht sind, muss sich wechseln lassen. Keine andere Gattung dürfte von diesen Regelungen so sehr profitieren wie die Einsteigersmartphones. Wenn die Hersteller allerdings die Mehrkosten für Updates und wertigere Gehäuse komplett auf ihre Kunden abwälzen, könnten die Geräte auch deutlich teurer werden.

Hat man kein Handy zum Weiterreichen, sind günstige Smartphones schon heute eine gute Wahl als erstes Telefon für den Nachwuchs, als Back-up-Smartphone für die Bikepacking-Tour oder einfach für Leute, die nicht viel mehr als telefonieren, browsen und simsen wollen. Denn für diese grundlegenden Funktionen reichen die Einsteigergeräte vollkommen. (rbr@ct.de)

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