c't 3/2023
S. 134
Wissen
Optische Prozessoren

Lichtschalter

Aufbau und Elemente superschneller optischer Digitalcomputer

Photonen statt Elektronen: Optische Prozessoren versprechen enorm hohe Taktfrequenzen bei minimalem Energiebedarf. Sie sollen übernehmen, wo herkömmliche Halbleitertechnik an Grenzen stößt. Mehrere Firmen legen praktische Grundlagen für optische Schaltungen.

Von Dr. Michael Kissner

Wer an Computer und Halbleiterchips denkt, hat Elektronik im Sinn. Elektronen und elektrische Signale bilden bisher die Grundlage der digitalen Datenverarbeitung. Das gilt etwa für aktuelle Prozessoren für PCs, Smartphones, Server und Netzwerkrouter, die als Logikschaltungen auf Siliziumwafern produziert werden. Dabei bescherte das „Moore’sche Gesetz“ der Branche jahrzehntelang stürmisches Wachstum: Immer kleinere Strukturen ermöglichten es, mit jeder neuen Chipgeneration die Anzahl der Transistoren und somit auch der Funktionen enorm zu steigern. Und die Miniaturisierung der Transistoren minderte viele Jahre lang fast automatisch auch deren Stromdurst oder ermöglichte alternativ höhere Taktfrequenzen, also mehr Rechenleistung.

Doch längst stößt die Entwicklung an Grenzen. Transistoren schrumpfen zwar weiterhin, aber ihr Energiebedarf sinkt nicht mehr stark genug. Um Abermilliarden Transistoren untereinander zu verschalten, sind vergleichsweise lange elektrische Leitungspfade in den Chips nötig. Entlang dieser Leitungen entstehen parasitäre Kapazitäten und Induktivitäten, die Signale verzögern und dadurch den Anstieg der Taktfrequenz bremsen. Wie die jüngsten CPU- und GPU-Generationen von AMD, Intel und Nvidia zeigen, fressen viele neue Chips unter Volllast deutlich mehr Energie als ihre Vorgänger.

Die Funktionselemente eines photonischen Chips (hier sind es Teststrukturen, etwa Ringresonatoren) bestehen unter anderem aus Lichtwellenleitern statt wie bei elektronischen Chips aus Halbleitermaterialien und metallischen Leitungspfaden.
Die Funktionselemente eines photonischen Chips (hier sind es Teststrukturen, etwa Ringresonatoren) bestehen unter anderem aus Lichtwellenleitern statt wie bei elektronischen Chips aus Halbleitermaterialien und metallischen Leitungspfaden.

Schließlich steigt der Aufwand für Entwicklung und Fertigung von Chips mit feineren Strukturen immer steiler an. Man schätzt die Kosten für die Entwicklung eines komplexen 5-Nanometer-Prozessors auf über 100 Millionen Euro. Ein Satz Lithografiemasken für einen derartigen Chip kostet um die 30 Millionen Euro, ein EUV-Lithografiesystem über 130 Millionen Euro und ein ganzes Fertigungswerk über 5 Milliarden. Nur wenige Hersteller auf der Welt halten da noch mit. Chips der modernsten Bauart rechnen sich nur noch in Millionenstückzahlen oder wenn sie pro Stück mehrere tausend Euro kosten. Anders gesagt schrumpft die Zahl der sinnvollen Einsatzbereiche, je teurer die Entwicklung eines Chips ist.

Alternative Licht

Angesichts der Nachteile und Beschränkungen klassischer Halbleiterchips suchen Forscher schon lange nach Alternativen – und optische Computer sind eine naheliegende Idee. Bei schneller Datenübertragung haben Elektronen längst ausgedient: Supercomputer, Rechenzentren und Telekommunikationsnetze nutzen Glasfasern, also optische Wellenleiter. Sie übertragen Signale anders als Kupferkabel über mehrere Kilometer nahezu verlustfrei. Nutzt man mehrere unterschiedliche Wellenlängen – quasi unterschiedliche Farben –, lassen sich mehrere Kanäle durch dieselbe Faser leiten. Daher kommt beispielsweise die Glasfaserverkabelung für Haushalte (Fiber to the Home, FTTH) mit Einzelfasern aus: Hin- und Rückleitung nutzen unterschiedliche Wellenlängen.

Optische Verfahren sind auch bei der Speicherung von Daten etabliert, von der CD bis zur Blu-ray Disc. Sie verlieren zwar bei Endverbrauchern rasant an Bedeutung, werden aber in Rechenzentren durchaus noch genutzt. Die optische Datenverarbeitung ist hingegen Neuland, könnte man meinen. Tatsächlich aber erhielt der Computerpionier John von Neumann schon 1957 das Patent für einen optischen Transistor. Es gibt bloß bisher keine Großserientechnik. Zahlreiche Institute und Unternehmen arbeiten an miniaturisierten optischen Funktionselementen sowie an Verfahren, um diese zu komplexen Rechenwerken in Chipgröße zu kombinieren.

Mit der gängigen Fertigungstechnik für Complementary Metal Oxide Semiconductors (CMOS) auf Siliziumscheiben lassen sich solche optischen Prozessoren bisher nicht herstellen. Daher ist es auch nötig, eine kostengünstige Massenfertigungstechnik für optische Digitalschaltungen zu entwickeln. Auch dabei gibt es Fortschritte.

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