c't 29/2023
S. 3
Standpunkt
Bild: Mash

eIDAS: Die Leere füllen die Lobbyisten

Je weniger Menschen mitreden, desto leichter kommt ein Vorschlag durchs Parlament. Obgleich das dem Wesen einer Demokratie arg zuwider läuft, scheint es das Credo bei Verhandlungen in der EU zu sein. Dort hat das Verhandeln hinter geschlossenen Türen sogar einen offiziellen Namen: Im Trilogverfahren feilschen Vertreter von Parlament, Kommission und zuständigem Ministerrat. Das soll die Gesetzgebung bei inhaltlich komplexen Plänen vereinfachen. Denn was hier vorverhandelt ist, wird in der Regel nicht mehr aufgeschnürt und geht reibungsarm durchs Parlament.

Mithilfe des Trilogverfahrens baut man gerade an einer Reform der eIDAS-Verordnung. Erbrütet haben die Verhandler einen Verordnungsentwurf für eine europäische digitale Identität (mehr dazu ab Seite 33). Ganz nebenbei hat es auch der Zwang zu einer speziellen Art von Zertifikaten für verschlüsselte Datenübertragung in den Entwurf geschafft: Die Zertifikate heißen QWACs, sind in der Security-Szene schon vor Jahren als untauglich durchgefallen und wurden von Browserherstellern stets kritisch beäugt. Jetzt sollen Google, Mozilla & Co. ihnen und dazu passenden, staatlich kontrollierten Zertifizierungsstellen per Gesetz vertrauen müssen. Eine blaue Hintertür mit gelben Sternen für europäische Geheimdienste und eine reale Gefahr für die Sicherheit im Netz. Mehr zu den technischen und politischen Fragen lesen Sie ab Seite 16.

Schwielen vom ständigen Händereiben dürften derweil Vertreter der europäischen Zertifizierungsstellen haben. Sie können sich darauf freuen, bald teure QWACs an alle zu verkaufen, die eine Website betreiben. Das Verhandlungsergebnis trägt unverkennbar ihre Handschrift, auch wenn man ihnen das kaum nachweisen kann.

Dass die Nutznießer der Reform mit ihrer Idee so weit kommen konnten, verdanken sie einem Verhandlungsprozess, der nicht öffentlich ist, aber externe technische Expertise benötigt – ein perfekter Nährboden für Lobbyisten. Sie füllen die Wissenslücken mit druckreifen Texten, die man bequemerweise direkt in Verordnungen übernehmen kann. Dankbar sein müssen sie auch für das chronische Desinteresse an EU-Politik, das in den Mitgliedsstaaten vorherrscht. Doch das kann sich die Zivilgesellschaft nicht leisten: Digitalpolitik wird fast ausschließlich in Brüssel gemacht und sie gelingt eben doch besser, wenn sie öffentlich diskutiert wird.

Jan Mahn
Jan Mahn

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