c't 13/2022
S. 3
Standpunkt

Notfallradios: Analog schlägt digital

Mit der Vorbereitung auf womöglich kommende Katastrophen kann man es übertreiben. Hamsterkäufe von Klopapier riefen das zu Beginn der Pandemie ins Bewusstsein. Nun reichen schon vage Gerüchte, und Max und Martina Mustermann horten Nudeln, obwohl sie sonst keine essen, bunkern Mehl zentnerweise im Keller, obwohl sie weder backen noch sonst etwas mit dem weißen Zeug anfangen können. Und seit der Dieselpreis in die Höhe geschossen ist, kaufen sie kanisterweise Rapsöl zu einem Literpreis, der sogar den von Diesel mit Einhornpups bei Weitem übersteigt. Irre, einfach nur irre, was losbricht, wenn ein Politiker die Plattheit sagt, dass es immer eine gute Idee sei, einen Notfallvorrat zu haben. Was Politiker schon ganz oft gesagt haben.

Die einschlägig damit befassten Behörden empfehlen für Notfälle aber nicht nur Vorräte anzulegen, sondern auch ein Notfallradio für Batterie- oder Kurbelbetrieb zu kaufen. Sie setzen dabei – klar, wir sind in Deutschland – nicht auf moderne digitale Lösungen (siehe S. 114), sondern auf bewährte Technik: das gute alte Dampfradio. Dass sowas Neumodisches wie eine Notfall-App, Cell-Broadcast oder gar Warnmeldungen via DAB+-Radio im Ernstfall funktioniert, damit rechnet nach Pannen bei Maut, digitaler Gesundheitskarte und dem missglückten Warntag wohl niemand mehr. Selbst Sirenen werden wieder entstaubt.

Bevor das Radio im Notfall zum Einsatz kommen kann, benötigt die jüngere Generation, die sowas ja gar nicht mehr kennt, aber unbedingt eine Einweisung: Man muss einen Knopf drehen zur Sendersuche! Es gibt keine Push-Meldungen, man muss so lange zuhören, bis die Nachrichten kommen! Man kann nicht mal kommentieren!

Sei’s drum, die Regierung rät zum Analogradio. Deshalb haben wir uns solche Geräte mit Kurbeldynamo, Solarzellen und LED-Lampe angeschaut (siehe S. 108). Wenn gerade mal keine Katastrophe ist, beglücken sie die stolzen Notfallradiobesitzer immerhin noch mit unterhaltsamem Dudelfunk. Die behördliche Empfehlung, dass man Kurbelradios für den Notfall haben soll, sollte ich auch den Hamsterern im Supermarkt stecken. Die wären danach erst mal stundenlang damit beschäftigt, die Akkus der Geräte vollzukurbeln. Und ich hätte endlich freie Bahn, um Mehl, Nudeln, Öl und Klopapier zu kaufen.

Michael Link
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