c't 9/2021
S. 134
Wissen
WiFi-Calling
Bild: Albert Hulm

WLAN statt Mobilfunk

Telefonieren per WiFi-Calling

Moderne Smartphones können Telefonate nicht nur über das Mobilfunknetz, sondern auch über WLAN führen. Das hilft vor allem in Gebäuden mit schlechtem Empfang, spart aber anders als man glauben könnte keine Kosten – im Ausland drohen so­gar Kostenfallen. Die Netzbe­treiber haben die Funktion auch für Prepaid-Tarife freigegeben.

Von Urs Mansmann

Der Mobilfunkempfang in Gebäuden war schon immer schlecht. Dicke Außenmauern und metallbeschichtete Fensterscheiben dämpfen Funksignale massiv, in vielen Gebäuden hat man nur schlechten Empfang oder etwa in den unteren Geschossen oder im Keller gleich gar kein Netz.

Abhilfe schafft WiFi-Calling, in Deutschland auch oft „WLAN Call“ genannt. Dabei laufen die Gespräche per Voice over IP (VoIP) über das WLAN-Netz, man bezeichnet den Übertragungsweg daher auch als Voice over WiFi (VoWiFi). Obwohl das Mobilfunknetz gar nicht ­involviert ist, rechnen die Provider die WLAN-Telefonate so ab, als ob sie per Mobilfunk stattgefunden hätten.

Die zugrundeliegende Technik ist bei VoLTE (Voice over LTE) und VoWiFi sehr ähnlich. Allerdings muss das WLAN eine gute Verbindung ins Internet bereitstellen. An stark belasteten Hotspots, etwa in vollbesetzten ICEs oder an gut besuchten Flughäfen, kann es sinnvoll sein, VoWiFi zu deaktivieren und das Mobilfunknetz zu verwenden.

Die Sprachqualität bei WLAN-Calls ist, sofern die Netzanbindung stimmt, ausgezeichnet. Durch die Vermittlung per IP müssen nicht wie in früheren Jahren zigtausende Basisstationen im Mobilfunknetz auf einen neuen Software-Stand gebracht werden, um neue Verfahren oder Codecs einzuführen. Für Optimierungen von VoLTE und VoWiFi reichen Updates von wenigen, zentral gelegenen VoIP-Vermittlungseinheiten. Mobilfunknetze und WLANs sorgen nur noch für den Transport von Datenpaketen.

Auch der Rufaufbau geschieht sehr schnell. Im Mobilfunknetz muss man dafür im schlimmsten Fall mit knapp zehn Sekunden rechnen, wenn das Mobilfunkgerät im LTE-Netz eingebucht ist, aber kein VoLTE beherrscht und deswegen erst ins 2G- oder 3G-Netz wechseln muss. Erfolgt der Ruf direkt im 2G- oder 3G-Netz, dauert es immer noch rund fünf Sekunden. Voice over LTE schafft das in rund zwei und bei WiFi-Calling ist der Rufaufbau sogar in rund einer Sekunde erledigt.

In den Mobilfunknetzen steht seit ­einigen Jahren mit EVS (Enhanced Voice Service) ein sehr leistungsfähiger Sprachstandard für VoWiFi- und VoLTE-Verbindungen zur Verfügung. Oft wird EVS im Marketing als „HD Voice Plus“ bezeichnet, Vodafone nennt es „Crystal Clear“, kristallklar. Dieses Verfahren überträgt das Audiosignal bis zu 14 kHz, deckt also praktisch den kompletten Frequenzgang des menschlichen Ohrs ab.

Das ist nochmals eine deutliche Verbesserung gegenüber bisherigen HD-­Voice-Verfahren wie AMR-WB, das auch weiterhin im 2G- und 3G-Mobilfunknetz zum Einsatz kommt, oder G.722 im Festnetz. Umso drastischer fällt inzwischen auf, wenn die Gegenstelle nur ein normales Analog- oder ISDN-Telefon einsetzt, das nur 3 kHz abdeckt.

Telefonate in maximaler Qualität sind innerhalb Deutschlands netzübergreifend möglich, solange beide Gegenstellen EVS beherrschen und die Telefonate auf beiden Seiten per VoLTE oder VoWiFi vermittelt werden. Läuft das Telefonat auf mindestens einer Seite über Festnetz, UMTS oder GSM (3G, 2G) kommen jedoch ältere, weniger leistungsfähige Codecs zum Einsatz. In diesem Fall darf man maximal die einfache HD-Voice-Qualität erwarten, also ohne Plus. VoIP-Gegenstellen im Festnetz können im Idealfall 7 kHz Audio übertragen.

Um das WLAN für WiFi-Calling vorzubereiten, müssen im Router oder in der Firewall die Ports 500 und 4500 für UDP freigegeben sein, denn das System nutzt zur Sicherung der Verbindung IPsec und IKEv2. Durch eine Sperre dieser Ports kann man die Nutzung des Dienstes unterbinden. In öffentlichen WLANs sind die nutzbaren Ports häufig beschränkt. Probleme kann es bei der Verbindung mit ­Vodafone geben, wenn das LAN auf bestimmte ausländische DNS-Server konfiguriert ist, beispielsweise den von Google, weil Vodafone offenbar auch auf diese Information zurückgreift, um den Client zu lokalisieren und bei vermuteter Nutzung im Ausland das WiFi-Calling temporär sperrt. Vodafone räumt ein, dass die Geo-Lokalisierung teilweise ungenau ­arbeitet.

Wenn man in der Fritzbox fürs Gastnetz „Internetanwendungen beschränken: Nur Surfen und Mailen erlaubt“ anklickt, sperrt das die fürs WiFi-Calling benötigten Ports. In allen anderen üblichen Heim-router-Konfigurationen sollte VoWiFi jedoch problemlos laufen.
Beim Aktivieren von WLAN-Anrufen auf den iPhone erscheint ein Hinweis, welche Daten an den Anbieter über­tragen werden.

Prepaid-Kunden sind dabei

Lange Zeit war WiFi-Calling den Vertragskunden vorbehalten. Inzwischen haben aber alle Netzbetreiber nachgelegt und das auch für Prepaid-Kunden zugelassen. Auch für die Kunden vieler Service-Provider ist WiFi-Calling bereits freigegeben, sowohl für Laufzeit- als auch für Prepaid-­Kunden. In manchen Fällen, vor allem bei Altverträgen, muss aber zunächst eine Freischaltung erfolgen. Im Zweifel hilft ein Anruf bei der Hotline.

Eine Ausnahme bildet der Sip­gate-Mobilfunkableger Simquadrat. Hier fehlt nach Angaben des Unternehmens noch eine IP-Anbindung zwischen Sipgate und Telefónica, die aber im Laufe des Jahres erfolgen soll. Auch der Provider Lebara bietet derzeit in Deutschland kein VoWiFi an, wohl aber beispielsweise sein Schweizer Ableger. Keine Angaben dazu findet man bislang auch bei der Vodafone-Tochter Fyve.

Die richtigen Smartphones

Die Technik fürs WiFi-Calling ist standardisiert und wird weltweit eingesetzt, in deutschen Mobilfunknetzen seit 2016. Bei einigen Smartphones muss man eine Einstellung in den Anrufoptionen aktivieren – doch längst nicht jedes Gerät beherrscht die neue Technik. Unter Android ist auch eine aktuelle OS-Version kein Garant dafür, dass WiFi-Calling funktioniert. Das 2017 eingeführte OnePlus 5 beispielsweise erhielt jüngst noch ein Update auf Android 10, dabei wurde aber die bis dato bestehende Möglichkeit abgeschaltet, WiFi-Calling in gut versteckten Tiefen der Menüs zu aktivieren. Google-Pixel-Smartphones aus dem gleichen Jahr hingegen beherrschen die Funktion. Auch andere ältere Geräte wie das Samsung Galaxy A3 (2017) oder A5 (2016 und 2017) sind bereits dazu in der Lage.

Es gilt die Faustregel: Je neuer und je hochwertiger das Gerät ist, desto größer ist die Chance, dass es WiFi-Calling beherrscht. Oft ist die Information, ob ein spezifisches Smartphone die Technik unterstützt, aber schwer zu finden oder auch davon abhängig, um welche Provider- und Firmware-Version es sich handelt. Beim iPhone ist es ganz einfach: Ab iPhone 6 und ab iOS 10.3 ist WiFi-Calling mit an Bord.

Ob WiFi-Calling dann tatsächlich genutzt werden kann, erkennt man an einem Symbol in der Informationsleiste am oberen Bildrand, das erscheint, sobald eine Verbindung mit dem Kernnetz des Anbieters per WLAN besteht. Allerdings gibt es hier keine einheitliche Kennzeichung, die genaue Anzeige ist von Gerät zu Gerät verschieden.

Umschaltfragen

Das WLAN zu Hause, am Arbeitsplatz oder im Supermarkt reicht nicht besonders weit. Schon kurz nach Verlassen des Gebäudes verliert man üblicherweise die WLAN-Verbindung. Das ist kein Problem, denn die Mobilfunk-Kernnetze können Telefonate unterbrechungsfrei zwischen WLAN- und 4G-Netz übergeben. Wo es kein 4G-Netz gibt, bricht das Gespräch allerdings ab. Auch im Roaming endet das Gespräch, sobald man das WLAN verlässt.

Notrufe lassen sich nicht über WLAN-­Calling abwickeln. Startet der Kunde einen Notruf, bucht sich das Handy zuerst in ein Mobilfunknetz ein und führt anschließend den Notruf aus. Ist kein Mobilfunknetz in Empfangsreichweite, lässt sich der Notruf nicht absetzen und ein Hinweis erscheint. Das ist technisch sinnvoll, denn anhand der WLAN-Verbindung kann der Netzbetreiber nicht zuverlässig feststellen, wo der Nutzer sich aktuell aufhält. Erst mit der Einbuchung ins Mobilfunknetz kann er den Standort zweifelsfrei ermitteln und den Anruf an die richtige Rettungsleit­stelle weiterleiten.

Fazit

WiFi-Calling sorgt für eine ausgezeichnete Gesprächsqualität und eine gute Ab­deckung in Gebäuden, die sonst gerne Mobilfunk-Problemzonen sind. Neuere Smartphones beherrschen diese Technik in der Regel, die meisten Mobilfunk­provider stellen sie bereit. Aufpassen muss man nur im Ausland: Außerhalb der EU können WLAN-Telefonate zwar kräftig beim Sparen helfen, aber in der EU können sie teurer sein als Telefonate über das ­Mobilfunknetz. (uma@ct.de)

Kommentare lesen (11 Beiträge)