c't 18/2021
S. 132
Wissen
RNA-Impfstoffanalyse
Bild: Michael Luther

Zu kurz gezielt

Code-Vergleich: Warum der CureVac-Impfstoff durchgefallen ist

mRNA-Impfstoffe sind die bisher größte Hoffnung im Kampf gegen das grassierende Corona-Virus. Unter Herstellern gelten sie daher als Jahrhundertchance. Doch das Vakzin des Tübinger Unternehmens CureVac fiel in klinischen Tests durch. Unser Code-Vergleich legt einige Gründe offen.

Von Dušan Živadinović

Die Enttäuschung war groß als CureVac Mitte Juni einräumen musste, dass deren Impfstoff gegen SARS-CoV-2-Infektionen in klinischen Tests die Erwartungen deutlich verfehlt hatte. Nur 47 Prozent Schutzwirkung „gegen eine Covid-19-Erkrankung jeglichen Schweregrades“ verzeichnet die CVnCov genannte Substanz. Damit verfehlt sie die Zulassungskriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO, mindestens 70 Prozent) und sogar die der US-amerikanischen Food and Drug Administration (50 Prozent). Die Kollegen vom Fachblatt Nature haben CVnCov unverblümt als „Flop“ bezeichnet – den Link zu deren kurzem Beitrag finden Sie wie alle übrigen Quellen zu diesem Artikel über ct.de/yfdw.

Die beiden ersten mRNA-Impfstoffe der Welt, BNT162b2 von BioNTech/Pfizer und mRNA-1273 von Moderna, bringen es laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) auf 95 und 94,1 Prozent Schutzwirkung gegen eine Covid-19-Erkrankung. Zugegeben, dieser erste Vergleich hinkt etwas, denn CureVac gibt eine gemittelte Schutzwirkung gegen gleich mehrere Varianten des SARS-CoV-2-Virus an, während sich die ersten Angaben von BioNTech und Moderna auf den ursprünglich in Wuhan isolierten Wildtyp beziehen. Doch BNT162b2 erreicht auch gegen die zurzeit grassierende Delta-Mutante eine Schutzwirkung (auch Wirksamkeit genannt) von 85 bis 88 Prozent. Und selbst der vektorbasierte Impfstoff von AstraZeneca bringt es gegen die Delta-Variante auf immerhin 60 Prozent.​​

Ein Grund für die schwache Schutzwirkung des CVnCov könnte die niedrige Dosierung des CureVac-Wirkstoffs sein. CVnCov wurde in den entscheidenden klinischen Tests nur in Dosen zu 12 Mikrogramm gespritzt, BNT162b2 wird hingegen zu 30 Mikrogramm und mRNA-1273 zu sogar 100 Mikrogramm regulär verimpft.

In vielen Impfstoffen setzt man abgetötete oder abgeschwächte Erreger ein, um das Immunsystem gegen den tatsächlichen Erreger zu trainieren. RNAs sind Einzelstrangmoleküle aus den Bausteinen Adenin (A), Uracil (U), Guanin (G) und Cytidin (C). In Zellen von Lebewesen kommen mehrere Varianten vor, von denen sich heute etliche im Labor synthetisieren lassen. Von besonderem Interesse sind die informationstragenden Messenger-RNAs (mRNA).

Vereinfacht dargestellt, handelt es sich um Abschriften von Teilen der Erbgutinformation (Genen). Ribosomen lesen diese Abschriften ähnlich einem Festplattenlesekopf Byte für Byte ab – nur, dass in der Biologie ein Byte aus drei Basen besteht (Triplett, auch Codon). Ein Ribosom setzt gegenüber jedem Codon die zugehörige Aminosäure in die Kette ein und synthetisiert so das gesamte Protein. Als Daumenregel gilt: Für jedes Protein, das eine Zelle benötigt, gibt es die zugehörige mRNA.

Coole mRNAs

Besonders bemerkenswert daran ist, dass Ribosomen beliebige mRNAs ablesen, auch eingeschleuste. Darauf gründet die Vermehrung von Viren. Jahrzehntelang hat man daran geforscht, diese Proteinsynthese therapeutisch zu nutzen, also auch gegen Viren zu wenden. Mit BNT162b2 und mRNA-1273 ist das nun überzeugend gelungen.

Beide enthalten das Spike-Gen des Virus und bringen es in die Zellen zur massenhaften Produktion des Spike-Proteins. Anhand des Spikes wird dann das Immunsystem gegen das vollständige Virus trainiert. Besonders attraktiv an der Methode erscheint, dass mRNAs nicht in das Erbgut (DNA) eingebaut werden können, schon allein, weil sie gar nicht erst in den Zellkern gelangen, wo die DNA liegt. So bleibt das Erbgut unangetastet.

Vektor-Impfstoffe funktionieren zum Teil ähnlich, verwenden aber oft DNA als Datenträger, um das erforderliche Gen einzuschleusen. Die DNA wird in Virenhüllen verpackt, welche sie in die Zellen schleusen (in das Zytosol). Von dort reisen sie zunächst in den Zellkern. Dort werden mRNA-Abschriften erzeugt und in das Zytosol transportiert, wo die Ribosomen ans Werk gehen.

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