c't 16/2021
S. 132
Wissen
Satellitennavigation
Bild: Rudolf A. Blaha

Ganz genau!

Zentimetergenaue Positionsbestimmung mit Satelliten

Dass man mit Satellitensystemen wie GPS Positionen auf einige Meter genau bestimmen kann, ist nichts Neues. Fürs autonome Fahren, für Lieferdrohnen und anderes braucht man aber mehr Genauigkeit.

Von Dr. Dirk Koller und Michael Link

Für die Jogging-Runde, die Routenberechnung und das Loggen von Fotostandorten reicht die übliche Genauigkeit von einigen Metern aus, die satellitengestützte Positionsbestimmungssysteme wie GPS, Glonass und Galileo liefern. Dienste, die eine Ortsbestimmung per Satellit ermöglichen, fasst man eigentlich mit dem Summenkürzel GNSS (Global Navigation Satellite Systems) zusammen. Weil aber Nichtfachleute das Kürzel nicht kennen, benutzen diese öfter das Kürzel GPS, auch wenn sie sich per Galileo oder anderen Satelliten lokalisieren lassen.

Während fürs Joggen ein paar Meter Genauigkeit reichen, sieht es beispielsweise im sogenannten Precision Farming in der Landwirtschaft anders aus. Dort müssen Mähdrescher zentimetergenau fahren, damit nicht abgemäht wird, was stehen bleiben soll, etwa Grünstreifen. Wenn Landmaschinen autonom fahren, braucht man eine hohe Präzision mindestens im Dezimeterbereich. Ähnliches gilt für Lieferdrohnen, denn das ersehnte Paket soll ja nicht in Nachbars Birnbaum landen.

Noch genauer muss es bei der Vermessung zugehen, Positioniergenauigkeiten von einem Zentimeter und weniger sind gefragt. Hier stehen die Positionsbestimmungs- und Vermessungsmöglichkeiten per Satellit in Konkurrenz zu bewährten, aber arbeitsintensiven Geräten wie Tachymeter und Theodolit.

Die Vermessung der Welt

Genauigkeiten im Zentimeterbereich waren auf große Distanz lange Zeit undenkbar. Entfernungsangaben zwischen zwei Punkten in Europa und Amerika schwankten üblich um mehr als 100 Meter. Die genaueste geodätische Methode, die Triangulation, überwand nun mal keine Ozeane, weil die Eckpunkte sich wegen der großen Entfernungen außer Sicht befinden.

Satellitennavigationssysteme haben eine recht lange Vorgeschichte. Schon seit der Mitte der Neunzigerjahre ist das bekannteste, das GPS, voll funktionsfähig. Jeweils vier Satelliten bewegen sich dabei auf sechs Hauptorbits, auf einigen Bahnen gibt es weitere als Reserve. Sie sind gegenüber dem Äquator um 55 Grad geneigt und befinden sich in 20.200 Kilometern Höhe. Mit dieser Konstellation umlaufender Satelliten ist es unter freiem Himmel in der Regel möglich, die Funksignale von mindestens vier, oft aber mehr GPS-Satelliten zu empfangen. Mithilfe ihrer Signale vollzieht der Empfänger die eigentliche Positionsbestimmung.

Das erste GPS-Gerät, das Macrometer V-1000 aus dem Jahr 1982, hatte die Abmessungen eines Kühlschranks und ermöglichte Positionsbestimmungen mit einer Unsicherheit von mehreren Metern. Aus den sündhaft teuren und riesigen Klötzen sind preisgünstige, in winzige Chips integrierte Funktionen geworden. Bei der Genauigkeit hat sich grundsätzlich aber nicht viel verändert, auch wenn sich das für zivile Nutzer mit Wegfall der absichtlichen Verschlechterung des GPS-Signals (Selective Availability) ab 2000 durchaus anders anfühlen mag.

Herkömmliche Satellitennavigationsgeräte aktualisieren die errechnete Position einmal pro Sekunde, einige wenige Modelle auch häufiger. Wie weit die von den vom GPS-Gerät berechneten Positionen streuen, wird mit der englischsprachigen Prägung „Dilution of Precision“ ausgedrückt, abgekürzt DOP. Sie steht nicht pauschal für die Ungenauigkeit der Messung, sondern für die Streuung der Messwerte infolge der vom Empfänger aus betrachteten geometrischen Position der Satelliten zueinander.

Stehen die Satelliten eng zusammen oder erscheinen sie im Extremfall fast wie in einer Perlenkette aufgereiht, attestiert das GPS-Gerät dafür einen höheren DOP-Wert, weil sich die Schnittlinien zur Positionsberechnung (siehe Kasten) in einem ungünstigen flachen Winkel treffen und somit schleifende Schnitte wahrscheinlicher werden. Erscheinen die Satelliten über einen weiten Bereich des Himmels, treffen die Schnittlinien für die Positionsberechnung in einem günstigeren Winkel aufeinander, oft sogar fast senkrecht. Der DOP-Wert wird somit kleiner und die Streuung der Positionen geringer.

Um die Richtung der Streuung einzugrenzen, erhalten DOP-Werte Bezeichner: Die PDOP (Position Dilution of Precision) beziffert dabei den Gesamtfehler, der sich aus der horizontalen Ungenauigkeit (HDOP) und der vertikalen Ungenauigkeit (VDOP) errechnen lässt: PDOP2 = HDOP2 + VDOP2. Für Anwendungen als Zeitnormal kommt auch eine zeitliche (temporale) Unschärfe zum Tragen, die sich im TDOP-Wert ausdrückt. Da der vertikale Fehler außer bei der Luftfahrt und bei einigen Vermessungsaufgaben weniger interessiert, ist der Begriff HDOP bekannter. Die DOP-Werte sind Geräte-Logs, die sogenannte NMEA-Daten enthalten, und zwar unter dem Bezeichner $GPGGA.

Selbst wenn DOP-Werte anzeigen, dass die Satellitenkonstellation günstig ist, erhält man oft größere Abweichungen. Ein gewisses Maß an Abweichung ist eingeplant. Nach den Spezifikationen der US-Regierung darf der Fehler bei handelsüblichen GPS-Geräten 7,8 Meter während 95 Prozent der Zeit betragen. Den größten Anteil daran haben Fehler durch Beugungs- und Dämpfungseffekte der Signale beim Durchqueren der Ionosphäre: Befindet sich ein Satellit vom Empfänger aus gesehen nah am Horizont, müssen seine Signale eine längere Strecke durch die Ionosphäre zurücklegen als Satelliten, die quasi direkt über dem Empfänger stehen. Daraus ergibt sich eine zeitliche Verzögerung, die einen Messfehler von fünf Metern und damit den Löwenanteil aus dem besagten Fehlerbudget bewirken kann. Zum Vergleich: Ein Uhrenfehler von 1 Nanosekunde im Satelliten bewirkt einen Ortsfehler von nur rund 30 Zentimeter.

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