Kommentar: Der EU fällt endlich die Abhängigkeit von China auf – aber zu spät

Jetzt kommt endlich ein Gesetz zu kritischen Rohstoffen, das die EU unabhängiger von China machen soll. Doch es ist zu spät und zu wenig, meint Bernd Schöne.

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Ein Kohle-Abbaugebiet von oben

(Bild: Mark Agnor/ Shutterstock.com)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Bernd Schöne
Inhaltsverzeichnis

Zum Rohstoff drängt, am Rohstoff hängt doch alles! Ach wir Armen! Das dichtete einst Goethe mit Blick auf den Rohstoff Gold. China hat diese Weisheit auf Lithium, Silizium, Seltene Erden und vieles andere schon vor Jahrzehnten ausgeweitet. Was das Reich der Mitte nicht im eigenen Land abbaut, importiert es über gute Beziehungen und intensive Handelskontakte aus Asien, Afrika und Südamerika und bereitet dies dann zu wertvoller Handelsware auf. Als hochreine Raffinade wird die Ware dann an die Industrienationen des Westens verkauft. Bleibt der Nachschub aus, stehen in Europa schnell die Bänder still. Das bewies der Corona-Lockdown. Mit einem neuen Gesetz will die EU ihre Abhängigkeit verringern und politische Handlungsfreiheit zurückgewinnen, denn längst nutzt China sein de facto Monopol auch politisch. Aber man muss klar sagen: zu wenig und zu spät, wie Kritiker berechtigterweise bemerken. Denn längst brennt der Hut.

Ein Kommentar von Bernd Schöne

Bernd Schöne ist freier Journalist der Informationstechnik.

Aktuell blockieren Huthi-Rebellen das Nadelöhr Suezkanal. Seitdem im Februar die "Rubymar" mit 41.000 Tonnen Düngemittel manövrierunfähig geschossen wurde, und eine Umweltkatastrophe auslöste, traut sich kaum noch wer ins Rote Meer. Hightech-Firmen prügeln sich um Kapazitäten in Frachtflugzeugen und stehen in Konkurrenz zu chinesischen Bekleidungsproduzenten. Laut Branchenexperten fliegen Hersteller wie Shein und Temu jeweils 4000 bis 5000 Tonnen Billigklamotten pro Tag aus.

Ohne hochreines Silizium verlässt aber kein Wafer die Fab, ohne Lithium der Extraqualität funktioniert keine Hochleistungsbatterie. Solange die Handelswege sicher, die Preise niedrig und die politischen Beziehungen stabil waren, florierten die Geschäfte und niemand machte sich Sorgen um die allseits gepriesene Globalisierung. Seit dem Zerwürfnis zwischen Trump und Xi Jinping sind die Beziehungen mies, der Handelskrieg eskaliert, die Preise steigen und die Handelsrouten sind dank Pandemie und Krieg höchst unsicher geworden.

Der EU ist mit gebührender Verspätung aufgefallen, dass es nicht sonderlich nachhaltig ist, 97 Prozent des Nickelbedarfs in China zu decken. Ohne Nickel kein Aluminium. Ohne Aluminium kein Leichtbau beim Auto, beim Flugzeug und der Eisenbahn. Die Zahlen auf der Homepage der EU zeigen, wie abhängig die Globalisierung die Industrienationen gemacht hat. 63 Prozent des Weltbedarfs an Kobalt stammen aus dem Kongo, das meiste wird in China aufbereitet. Bei Seltenen Erden, die in Permanentmagneten eingesetzt werden, hat China de facto ein Weltmonopol. Ohne Magnete schnappt aber nicht nur die Kühlschranktür nicht zu. Auch Elektromotoren, Aktoren und Sensoren sind darauf angewiesen.