Mutation oder Rekombination: Tool analysiert Evolution des Coronavirus

Yatish Turakhia entwickelte eine Software, um die Entwicklung neuer Covid-Varianten präzise zu verfolgen. Jetzt lässt er die Algorithmen auf andere Erreger los.

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(Bild: PhotoSGH / Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Rhiannon Williams

Schon zu Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2020 war Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern klar, dass es von entscheidender Bedeutung sein würde, die Mutationen des Virus zu verfolgen. Denn neue Stämme können einen noch schwereren Krankheitsverlauf bedeuten. Yatish Turakhia, damals Postdoktorand am Genomics Institute der Universität von Kalifornien in Santa Cruz, half bei der Entwicklung einer Software, um Covid-Varianten zu verfolgen, indem er sie innerhalb von Minuten nach Einreichung jeder neuen Probe in einen Stammbaum aller bekannten SARS-CoV-2-Genome einordnete. Für seine Arbeit zählt Turakhia nun zu den Preisträgern des Wettbewerbs "Innovatoren unter 35", den die US-Ausgabe von MIT Technology Review jährlich ausrichtet. Ebenfalls unter ihnen ist Sharon Li, die KI-Sicherheitsforscherin erhielt zudem den Titel "Innovator of the Year".

Yatish Turakhia

(Bild: Damon Casarez)

Das Tool namens UShER, das seit 2021 online zugänglich ist, erfasst inzwischen mehr als 15 Millionen virale Sequenzen, fast täglich kommen neue hinzu. Es hilft der Forschung und den Gesundheitsbehörden, neue Stämme zu entdecken, ihnen Namen zu geben und ihre Entwicklung zu verfolgen. Dadurch können sie das Virus weltweit in Echtzeit und präzise überwachen.

Vor kurzem hat das Team ein weiteres Software-Tool namens RIPPLES entwickelt, das die umfangreiche Stammbaumstruktur von UShER untersucht und feststellt, ob es sich bei bestimmten "Zweigen" von Covid-Varianten um sogenannte Rekombinationen handelt – um genetisch unterschiedliche Hybridvarianten. Eine Rekombination könnte zum Beispiel einen Teil ihres Genoms von der Delta-Variante und einen anderen Teil von der Omikron-Variante übernehmen. Da sie im Wesentlichen zwei "Eltern" haben, sind Rekombinationen sowohl seltener als auch schwieriger zu identifizieren.

Vor der Entwicklung von RIPPLES konnten Wissenschaftler potenzielle Rekombinationen nur dann identifizieren, indem sie sich an gezielte Mutationen erinnerten, die sie bei anderen Varianten entdeckt hatten. RIPPLES automatisiert diesen Prozess und ermöglicht es Experten, die Evolutionsgeschichte des Virus zu rekonstruieren. Es hilft ihnen auch herauszufinden, ob es sich bei einer bisher unbekannten Sequenz um eine wirklich unabhängige Mutation oder um eine Kombination bestehender Varianten handelt.

"Unser Verständnis von der Ausbreitung des Coronavirus wäre ohne Yatishs Arbeit weniger stark ausgeprägt", sagt David Haussler, wissenschaftlicher Direktor des UCSC Genomics Institute, der mit Turakhia an dem Projekt gearbeitet hat. "Sein Algorithmus zeigt, wie sich das Virus in allen genetischen Details entwickelt hat."

Seit der Veröffentlichung des Tools im Jahr 2022 hat RIPPLES dazu beigetragen, Hunderte neuer SARS-CoV-2-Rekombinationen aufzudecken. "Ich habe erst während der Pandemie mit der Arbeit daran begonnen, nur weil ich nützlich sein wollte", sagt Turakhia. "Wenn wir jetzt eine neue Sequenz erhalten, haben Experten bereits UShER benutzt, um Modelle zu trainieren, die vorhersagen können, ob diese neue Variante ansteckender und immuninvasiver als Omikron sein wird oder nicht. Und das nur auf der Grundlage dieser großen Datenbank."

UshER und RIPPLES wurden aus der Notwendigkeit heraus geboren, Covid aufzuspüren. Sie könnten den Wissenschaftlern aber auch bei der Bekämpfung von Ausbrüchen anderer Krankheitserreger helfen. Yatish Turakhia und sein Team nutzen sie bereits zur Verfolgung des Respiratorischen Synzytialvirus, auch bekannt als RSV, und der Affenpocken. Bald wollen sie auch Tuberkulose und Grippe erfassen. Beide Infektionen sind schwer zu verfolgen, denn ihre Stämme sind genetisch vielfältiger als die der meisten Krankheiten, weshalb etwa die Grippe jedes Jahr eine neue Impfung erfordert. Bei beiden Erregern mache das Team aber gute Fortschritte, sagt Turakhia.

"In Zukunft werden wir Werkzeuge entwickeln, die im Grunde genommen für jeden Erreger geeignet sind. Das ist unser Ziel", fügt er hinzu. "Wir wollen die Krankheitserreger besser in den Griff bekommen und Impfstoffe entwickeln, die besser auf die Entwicklung der Erreger reagieren und somit Menschenleben retten können."

Yatish Turakhia ist einer der Preisträger des Wettbewerbs "Innovators under 35". Der von der US-Ausgabe der MIT Technology Review ausgerichtete Wettbewerb zeichnet junge Menschen aus, die Innovationen vorantreiben. Die vollständige Übersicht der ausgewählten Talente findet sich hier. Ausgezeichnet und in einem Porträt dargestellt wurden außerdem Young Suk Jo, Lerrel Pinto und Sharon Li, die zudem den besonderen Titel "Innovator of the Year" erhielt.

(jle)