Mit eingebautem "Fotokopierer": Neue mRNA-Impfstoffe wirken länger

Studien mit neuem selbstverstärkendem mRNA-Impfstoff zeigen vielversprechende Ergebnisse. Im Vergleich mit Biontechs Comirnaty schneidet er sogar besser ab.

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(Bild: M-Foto/Shutterstock.com)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Cassandra Willyard

Eine neue Form von mRNA-Impfstoff bewirkt eine stärkere und länger anhaltende Immunantwort als die herkömmliche Variante. Diese Wirkung erreicht er mit einer deutlich geringeren Impfdosis. Das meldeten die beiden Biotechnologie-Unternehmen Arcturus Therapeutics (aus den USA) und CSL (aus Australien), die den Impfstoff entwickelt haben, Anfang Februar. Die mit dem neuen Vakzin geboosterten Probanden bildeten mehr Antikörper, die zudem auch länger im Körper patrouillierten.

Der neuartige Impfstoff liefert ähnlich wie bisherige mRNA-Vakzine die genetische Bauanleitung für das Spike-Protein von Sars-CoV-2. Genauer gesagt enthielt er die zwei Spike-Bauanleitungen: einen für die Original-Sars-CoV-2-Variante und für die Omicron-Variante BA.4/5. Sobald diese Eiweiß -Bauanleitung in den Körper gelangt, wird sie von der gleichen zellulären Maschinerie bearbeitet, die auch unsere eigene Boten-RNA in Eiweiße wie Hormone, Antikörper und Enzyme übersetzt. Die entstehenden Spike-Kopien lösen eine Immunantwort aus und sorgen dafür, dass sich die Körperabwehr beim Kontakt mit den echten Sars-CoV-2-Viren erinnert und die Keime bekämpft.

Das Besondere an dem neuen Impfstoff ist jedoch, dass er dem Körper auch sagt, wie er mehr von der Spike-RNA herstellen kann, damit der Körper das Protein länger bildet. Forscher nennen solche mRNA selbst-amplifizierend, das heißt selbst-verstärkend (saRNA). Dafür enthielt das Vakzin auch die Bauanleitung für ein Replikase genanntes Enzym, das gleichsam wie ein Fotokopiere funktioniert.

Der Gedanke an einen Impfstoff, der sich im Körper selbst kopiert, mag beunruhigend klingen. Allerdings können auf diesem Weg keine kompletten Viren entstehen. Darüber hinaus wird saRNA, genau wie mRNA, immer noch relativ schnell vom Körper abgebaut. Sie hält sich zwar etwas länger als mRNA, aber sie vermehrt sich nicht unbegrenzt.

Selbstverstärkende RNA-Impfstoffe sollen wichtige Vorteile gegenüber herkömmlichen mRNA-Impfstoffen bieten. Da saRNA-Impfstoffe sozusagen über einen eingebauten Fotokopierer verfügen, kann die Impfdosis viel niedriger sein als bisher. Das könnte die Nebenwirkungen mindern. Zweitens können saRNA-Impfstoffe eine dauerhaftere Immunreaktion hervorrufen, weil die RNA länger im Körper verbleibt. Während mRNA einen oder zwei Tage hält, bis sie vom Körper abgebaut wird, kann selbstvervielfältigende RNA einen Monat lang überdauern.

Japan hat den neuen Impfstoff mit dem Namen LUNAR-COV19 bereits Ende November zugelassen, basierend auf Studienergebnissen mit 16.000 Personen aus Vietnam. Inzwischen haben Forscher von Arcturus auch die Ergebnisse eines direkten Vergleichs zwischen LUNAR-COV19 und Comirnaty (dem Impfstoff von Biontech/Pfizer) im Fachjournal "Lancet" veröffentlicht. In dieser Studie mit 800 Personen erhielten die geimpften Teilnehmer entweder fünf Mikrogramm LUNAR-COV19 oder 30 Mikrogramm Comirnaty als vierte Auffrischungsdosis. Die Dosis an saRNA betrug also gerade mal ein Sechstel der mRNA-Dosis.

Die Reaktionen auf beide Impfungen waren in der Regel mild und klangen schnell ab. Das selbstverstärkende saRNA-Vakzin löste jedoch bei einem größeren Prozentsatz der Testpersonen die Bildung von Antikörper aus als Comirnaty. Dazu waren die Antikörperspiegel gegen die Omicron-Variante BA.4/5 einen Monat später bei Personen, die LUNAR-COV19 erhielten, höher. Das könnte ein Zeichen für die etwas längere Haltbarkeit sein. Anfang Februar schließlich legten die Lancet-Autoren die neuen Daten über Immunantwort vor.

Die beiden Entwickler-Unternehmen Arcturus Therapeutic und CSL haben bereits einen Zulassungsantrag in Europa gestellt. Sie arbeiten auch an selbstverstärkenden mRNA-Impfstoffen für die saisonale Grippe und die seltener auftretende aber schwerer verlaufende pandemische Grippe mit weitaus mehr Infizierten. Andere Unternehmen erforschen die Möglichkeit, selbst-amplifizierende mRNA bei seltenen genetischen Erkrankungen einzusetzen, um für die Produktion fehlender, lebenswichtiger Proteine zu sorgen.

(jle)