Missing Link: China – Aus Tech-Unternehmen und Zulieferern werden Autohersteller

Im Windschatten von BYD sind weitere branchenfremde chinesische Unternehmen dabei, in den E-Auto-Sektor vorzustoßen. Darunter Foxconn, Huawei und Xiaomi.

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Auto mit chinesischer-Flagge-Lackierung und Schukostecker in einem Einkaufswagen

(Bild: Tada Images/shutterstock.com)

Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Timo Daum
Inhaltsverzeichnis

In den vergangenen Jahren machten immer wieder Gerüchte über ein bevorstehendes Elektroauto des kalifornischen Unternehmens Apple die Runde. Bislang ist davon aber nichts zu sehen.

Nun kommt ausgerechnet dasjenige Unternehmen Apple zuvor, das etwa 70 Prozent aller iPhones von Apple fertigt: Der taiwanische Auftragsfertiger Foxconn, der in erster Linie auf dem chinesischen Festland Fabriken unterhält.

"Missing Link"

Was fehlt: In der rapiden Technikwelt häufig die Zeit, die vielen News und Hintergründe neu zu sortieren. Am Wochenende wollen wir sie uns nehmen, die Seitenwege abseits des Aktuellen verfolgen, andere Blickwinkel probieren und Zwischentöne hörbar machen.

Die Foxconn Technology Group ist der weltweit größte Auftragshersteller für Elektronik. In Zhenghou, der Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Henan, steht auch die weltweit größte iPhone-Fabrik. Hier fanden im Jahr 2022 Arbeitsniederlegungen und gewalttätige Auseinandersetzungen statt, welche die Abwanderung zehntausender Mitarbeiter zur Folge hatten. Genau hier hat Foxconn ein neues Autounternehmen gegründet, die Foxconn New Energy Automobile Industry Development (Henan) Co., die den Einstieg des Unternehmens in die Automobilindustrie markiert.

Zu den geplanten Aktivitäten des neuen Unternehmens zählen unter anderem die Herstellung und Entwicklung von Autokomponenten, die Motorenproduktion und der Vertrieb von "New-Energy"-Fahrzeugen (NEV), unter denen in China neben batterieelektrischen auch Hybrid-Fahrzeuge firmieren. Gleich drei Fahrzeuge, ein Fließheck, eine Limousine und einen Kleinbus stellte das Unternehmen 2021 der Öffentlichkeit vor.

Angesichts rückläufiger iPhone-Verkäufe in China ein plausibler Schritt. Denn Apple hatte seine Spitzenposition auf dem chinesischen Smartphone-Markt im dritten Quartal 2023 an Huawei abgeben müssen, unter anderem durch den großen Erfolg der Mate-60-Serie. Der Autoindustrieexperte und Professor an der IESE Business School in Barcelona, Marc Sachon, meint, "wenn Foxconn das schaffen kann, werden es etablierte OEMs extrem schwer haben, preislich zu konkurrieren". Kaum ein Unternehmen weltweit ist in der Lage, auf höchstem Qualitätsniveau zuverlässig und günstig komplexe Hi-Tech-Produkte zu fertigen.

Anders ausgedrückt: Wer ein iPhone bauen kann, für den dürften Elektroautos nicht allzu schwierig sein.

Foxconn steht nicht allein. Bereits 2021 hob Huawei, der weltweit größten Hersteller von Telekommunikationsgeräten, die Automobilmarke AITO (Adding Intelligence To Auto) aus der Taufe. Im gleichen Jahr dann die Vorstellung des AITO M5, eines elektrischen Crossover-SUV. Kürzlich folgten dann die Modelle AITO M7 und AITO M9, mit denen man sich zunächst auf dem Heimatmarkt China zu etablieren sucht. Für den Vertrieb kommen Huawei seine über 800 Showrooms in ganz China gelegen, die es für den Direktvertrieb nutzen kann. Diese werden derzeit so umgestaltet, dass dort auch Fahrzeuge präsentiert und verkauft werden können.

Laut Unternehmensangaben sind vom M5 bislang mehr als 120.000 Einheiten ausgeliefert worden. Für den M9, ein SUV der Luxusklasse, vermeldet das Unternehmen 54.000 Bestellungen seit Beginn des Vorverkaufs am 25. September 2023.

Huawei selbst baut die Fahrzeuge nicht, versucht aber zunehmend Schlüsselkomponenten für Elektrofahrzeuge zu liefern und sein Betriebssystem Harmony OS in diesen zu etablieren. Gebaut werden die Fahrzeuge von Seres aus Chongquing, einer von über 200 – bei uns meist unbekannten – Autohersteller in China. Seres wurde ursprünglich im Silicon Valley etabliert und verfügt auch über eine Lizenz zum Testen von autonomen Fahrzeugen im US-Bundesstaat Kalifornien. Seit 2020 produziert es in seinem Werk in Liangjiang in der Provinz Chongqing den Seres SF 5.

Neu im Rennen ist auch Xiaomi, der 2010 gegründete drittgrößte chinesische Smartphone-Hersteller. Kürzlich stellte es seinen SU 7 vor, eine Luxuslimousine mit einer Reichweite von über 800 Kilometern. SU steht dabei für "Speed Ultra", dank innovativer Elektromotoren beschleunige das Modell schneller als die Konkurrenz von Tesla, so Xiaomi-CEO Lei Jun anlässlich der Vorstellung des Modells. In den kommenden Monaten wird mit der Testproduktion der Elektrolimousine gerechnet. Im Frühjahr 2024 soll es auf den chinesischen Markt erhältlich sein.

Lei Jun will hoch hinaus: "Durch harte Arbeit in den nächsten 15 bis 20 Jahren werden wir einer der fünf größten Automobilhersteller der Welt werden und danach streben, die gesamte Automobilindustrie Chinas anzukurbeln" verkündete er, wie Reuters berichtete.

Dass solche Ziele nicht völlig aus der Luft gegriffen sind, meint der Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer: Er sieht durchaus die Möglichkeit, dass China in den nächsten Jahren zur dominierenden Autobaunation werden könnte. Denn die chinesischen Newcomer gingen den Autobau aus der Perspektive eines umfassenden digitalen Ökosystems an, wie er am 4. Februar 2024 in einem Interview mit dem Wall Street Journal erklärte.

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