Krebspatientin: "Ich möchte meine Daten teilen können​"

Welche Auswirkungen die schleppende Digitalisierung im Gesundheitswesen für Patienten haben kann, erzählt Paulina Ellerbrock im Gespräch mit heise online.

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Frau mit Kind

(Bild: Lenar Nigmatullin/Shutterstock.com)

Lesezeit: 13 Min.
Inhaltsverzeichnis

(Bild: Ellerbrock)

Bei Paulina Ellerbrock wurde 2017 eine seltene Form von Brustkrebs diagnostiziert. Wir haben mit ihr über die medizinischen Herausforderungen ihres wenig erforschten Krankheitsverlaufs, die schleppende Digitalisierung und die elektronische Patientenakte gesprochen.

Ansichten zur elektronischen Patientenakte und Gesundheitsdaten

heise online hat mit Experten über den Fortschritt der Digitalisierung im Gesundheitswesen gesprochen.

heise online: Sie engagieren sich intensiv und aktiv in der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Wie kam es dazu?

Paulina Ellerbrock: Ich habe mit 30 Jahren die Diagnose Brustkrebs erhalten. Überfordert und mit einem kleinen Kind zuhause, begann ich eine Chemotherapie, die jedoch nicht wirkte und der Tumor wuchs weiter. Neben der bekannten und aggressiven triple-negativen Klassifizierung der Zellen, entdeckte man auch die selteneren metaplastischen Eigenschaften. Diese betreffen etwa 0,8 Prozent aller Krebsarten. Es gab keine klaren Behandlungsrichtlinien und die Ärzte mussten experimentieren. Trotz fortgesetzter Chemotherapie kam es zu einem aggressiveren Rückfall.

Der Tumor teilte sich unkontrolliert, und es gab kaum Referenzfälle für meine Situation. Trotz der Risiken entschieden die Ärzte sich für eine gleichzeitige Chemotherapie und Bestrahlung, was zu schweren Verbrennungen führte (Radiation Recall Effect). Diese intensive Behandlung, zusammen mit einer Brustamputation, rettete jedoch mein Leben – ich bin jetzt krebsfrei.

In dieser Zeit fehlten mir Referenzen und Austauschmöglichkeiten. Viele Blogs, die ich online fand, wurden nicht fortgeführt, was Fragen aufwarf. Meine Schwester brachte mich dann irgendwann zum Bloggen, indem sie sagte: "Vielleicht musst du gefunden werden!". Über Instagram vernetzte ich mich dann mit anderen Betroffenen, tauschte Erfahrungen aus und beantwortete Fragen. Mein Blog wurde sogar für Ärzte mit ähnlichen Patientenfällen eine Informationsquelle. Obwohl meine Krebsgeschichte erzählt ist, gibt es noch viel zu teilen.

Was sollte sich Ihrer Ansicht nach ändern?

Es gibt zu viele Themen, die einfach unbefriedigend sind, die in einem eigentlich sehr privilegierten Gesundheitssystem schlecht umgesetzt wurden. Die Kluft zwischen dem, was medizinisch möglich ist und zwischen dem, wo ich als Patient niedrigschwellig überhaupt herankomme, wird immer größer. Das macht mir Angst und da schaue ich hin. Mit meiner Freundin habe ich dann einen Podcast gestartet. Unser Konzept war, Patienten zu bilden, weil wir festgestellt haben, dass das Wissen um eine Erkrankung, gepaart mit der Vernetzung mit anderen, die Selbstbestimmung unglaublich stärkt.

Das Wissen, um eine Entscheidung treffen zu können?

Der Trend zur gemeinsamen Entscheidungsfindung zwischen Patienten und Ärzten ist wichtig, aber oft fehlt die Zeit dafür. Deshalb habe ich Informationen für Krebspatienten nach Hause gebracht, um zu zeigen, wie ein Alltag mit Krebs aussehen kann. Diese Erfahrung fehlte mir früher. Krebs ist nicht nur eine medizinische, sondern auch eine sehr persönliche Erfahrung – von Gesprächen zu Hause bis hin zu emotionalen Momenten. Ich wollte praktische Tipps für den Alltag geben, wie das Ausleeren einer Spülmaschine oder den Kauf eines Blumenstraußes.

In unserem Podcast haben wir Experten eingeladen, um authentische Einblicke in den Umgang mit Krebs zu geben. Mit yeswecancer haben wir die erste YesCon deshalb mit lebensnahen Themen und Inhalten gefüllt und gezeigt, dass die Krankheit sich durch alle Lebensbereiche wie Politik, Sport und Musik zieht und nicht nur in meinem eigenen Wohnzimmer stattfindet.

Nach sechs Jahren, davon zwei in schwerer Krebstherapie, lebe ich heute mit den Folgen der Krankheit, habe einen Pflegegrad und bin teilweise erwerbsgemindert. Krebs hat mein Leben verändert, aber ich habe mir auch vieles zurückerobert.