Bloß nicht bewegen – die RZ-Branche vorm Karren der Energielobby

Wie man energieeffiziente Rechenzentren verhindert, führen Vertreter der RZ- und Energiebranche gerade am geplanten EnEfG vor. Eine Bestandsaufnahme.

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(Bild: charles / Adobe.com)

Lesezeit: 14 Min.
Von
  • Susanne Nolte
Inhaltsverzeichnis

Viel Gegenwehr aus der RZ- und Energiebranche erlebt gerade das Gesetzesvorhaben der Bundesregierung, die Energieeffizienz in Rechenzentren zu steigern und deren Abwärmenutzung voranzutreiben. Fast könnte man meinen, sie hätte es gerade frisch und an den Betroffenen vorbei aus dem Hut gezaubert.

Ein Kommentar von Susanne Nolte

Susanne Nolte beschäftigt sich mit Servern, Rechenzentren, Storage und Green-IT.

Doch weit gefehlt: Bereits zum Amtsantritt hatte sie ihr Vorhaben klar formuliert: „Wir werden Rechenzentren in Deutschland auf ökologische Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausrichten, unter anderem durch Nutzung der Abwärme. Neue Rechenzentren sind ab 2027 klimaneutral zu betreiben. Öffentliche Rechenzentren führen bis 2025 ein Umweltmanagementsystem nach EMAS (Eco Management and Audit Scheme) ein. Für IT-Beschaffungen des Bundes werden Zertifizierungen wie der Blaue Engel Standard.“

Was die Bundesregierung 2021 da in ihrem Koalitionsvertrag schrieb, taugte zwar dazu, auf Veranstaltungen oder in Veröffentlichungen beiläufig zitiert zu werden, aber wir wissen alle: Papier ist geduldig. Und falls nicht, wusste die FDP noch jedes klimafreundliche Vorhaben der Koalition zu torpedieren. Also: Wie ernst sind solche Versprechungen und Willensbekundungen schon zu nehmen, vor allem, wenn es doch bloß um den Klimaschutz geht?

Knapp ein Jahr später, im Oktober 2022, startete das BMWK (Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) Phase Zwei des Vorhabens und veröffentlichte den ersten Referentenentwurf zum „Gesetz zur Steigerung der Energieeffizienz und zur Änderung des Energiedienstleistungsgesetzes“ (EnEfG). Auch hier blieb es zumindest vordergründig noch ziemlich ruhig, denn immerhin setzt das EnEfG lediglich die Energieeffizienzrichtlinie (EED) der EU um.

Doch machte der Entwurf deutlich, dass das Gesetz nicht nur Rechenzentrumsbetreiber betreffen wird, sondern auch die Energiedienstleister. Das rief natürlich ihre Lobbyvertreter auf den Plan. Wie rührig – und erfolgreich – die hinter den Kulissen agierten, zeigte sich erst ein halbes Jahr später, als am 3. April der zweite Referentenentwurf des EnEfG erschien.

Erwartungsgemäß ist die größte Rolle rückwärts an der Stelle zu finden, die die größte Auswirkung auf die Energiedienstleister und ihre Infrastruktur gehabt hätte, nämlich bei der Abwärmenutzung. Nach dem ersten Referentenentwurf, kurz RefE1, hätten Rechenzentren, die ab dem 1. Januar 2025 den Betrieb aufnehmen, in den ihren ersten zwei Jahren einen geplanten Anteil an wiederverwendeter Energie von mindestens 30 Prozent und Rechenzentren, die ab dem 1. Januar 2027 in Betrieb gehen, von mindestens 40 Prozent aufweisen müssen. Im zweiten Referentenentwurf, kurz RefE2, verschieben sich die Fristen nach hinten und die geforderte Menge der Abwärmenutzung sinkt: Bei einer Inbetriebnahme ab dem 1. Juli 2026 muss der ERF (Energy Reuse Factor) mindestens bei 10 Prozent liegen, ab dem 1. Juli 2027 bei 15 Prozent und ab dem 1. Juli 2028 bei 20 Prozent.

Doch auch gegen diese geradezu homöopathische Menge der vorgeschriebenen Abwärmenutzung wettern Lobbyisten und Branchenvertreter lautstark. Es seien keine Wärmenetze dafür vorhanden. Im Klartext heißt das: Weil die Branche die Energiewende seit Jahrzehnten verpennt und ihre Infrastruktur veralten lässt, darf sich auch künftig nichts ändern. Eine Modernisierung der Infrastruktur wäre schlicht unzumutbar. Dort, wo Betreiber ihre RZ in unmittelbarer Nähe von Fernwärmenetzen gebaut hatten und ihre Wärme abgeben wollten, haben Energiekonzerne das jederzeit zu verhindern gewusst. Das möchten sie auch weiter tun.

Dem hinzu gesellen sich weitere Ausreden, wie sie nun wirklich in jeder Debatte rosenkranzgleich runtergebetet werden, nämlich, warum man die Abwärme nicht selbst nutzen könne. Der All-Time-Klassiker: Heizungen laufen nur im Winter, RZ auch im Sommer, vorgetragen etwa von Staffan Reveman, seines Zeichens Energy Consultant. Das ist ungefähr so konstruktiv wie seine Polemik, nach der nämlich das Energieeffizienzgesetz von Menschen geschrieben sei, die kaum ihre eigene Stromrechnung verstünden.

Da wollen also „Energieexperten“, die sich so weit aus dem Fenster lehnen, nicht wissen, dass Wärme hierzulande nicht nur zum Heizen benutzt wird? Schade. Dann ist ihnen bislang wohl entgangen, dass unter anderem Kantinenküchen und Adsorptionskältemaschinen auch im Sommer mit der Wärme etwas anfangen können. Für sie deshalb in Langform: Adsorptionskältemaschinen erzeugen aus Wärme Kälte, weshalb etwa Firmen, die ihre eigenes RZ betreiben, im Sommer eigene Räume und Anlagen kühlen und Warmwasser erzeugen oder eben die Wärme auch zum Kühlen an Nachbarn verkaufen könnten. Und selbst, wenn man erst einmal nur das Heizgas im Winter einspart, wäre das besser als gar nichts.

Klassiker Nr. zwei: die Temperaturdifferenz. Da wird über Wärmepumpen in Wohnhäusern diskutiert, die mit dem Einsatz von 2 kW Strom und mehr aus der Winterluft vor der Haustür auch bei Minustemperaturen Heizwärme erzeugen, aber RZ-Abwärme, die weit über 20 °C aufweist, ist zu kalt zum Heizen?

Als Spielverderber endgültig in die Ecke geschickt wird, wer dann auch noch einwendet, dass ein längst überfälliger Umstieg auf Wasserkühlung oder servernahe Reihen- und Schrankkühlung nicht nur wesentlich effizienter ist, also jede Menge der Energie spart, die RZ zum Abtransport der Wärme aufwenden, sondern die Abwärme zudem in verdichteter Form als bei der weit verbreiteten Raumluftkühlung abführt, also mit höherer Temperatur anliefert. An die Wand gemalt wird dann gern der Teufel „Wasser im RZ, oh mein Gott!“ – bei manchen RZ-Verantwortlichen so was wie der Untergang der Zivilisation.

Sie ignorieren, dass diese Techniken inzwischen tausendfach zum Einsatz kommen. Niemand baut heute noch ernsthaft Supercomputer ohne Wasserkühlung, weil die dortige Wärmedichte jede Luftkühlung schlicht überfordert. Auch jenseits des HPC (High-Performance Computing) sind Flüssigkeitskühlungen für Server oder Racks zu finden, übrigens ohne dass es bisher zu Zwischenfällen kam. Deshalb weiß man auch, dass solche Anlagen Warmwasser zwischen knapp 30 und 60 °C liefern können. Moderne Flächenheizungen für Wand und Boden, das sei den „Energieexperten“ gesagt, arbeiten mit etwa 30 °C, alte Heizkörper mit 60 °C.