Querlenker: Porsche Taycan mit Heckantrieb

Porsche bietet für rund 20.000 Euro weniger ein neues Einstiegsmodell des Taycan an. Es fehlt ihm der Allradantrieb, doch das ist eher gut als schlecht.

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Porsche Taycan

Den Taycan gibt es nun auch ohne Allradantrieb. Es fehlt ihm damit nichts, ganz im Gegenteil.

(Bild: Gleich)

Lesezeit: 8 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Das Auto hängt uns am Herzen. Deshalb gibt es so viel Ideologie in der Diskussion darum. Es ist uns ein steter Quell der Kommentar-Datenbankgröße, dass jede Erwähnung eines Elektroautos die ideologische Grundsatzdebatte neu befeuert, und ich lade Sie alle hiermit herzlich ein, das zu diesem Anlass wieder zu tun. Die Gräben sind gezogen, Feuer frei!

Doch eigentlich geht es mir um eine andere Ideologie, die der Endantriebsart. Porsches Taycan ab dem 4S aufwärts hat einen Allradantrieb, fährt beim Cruisen jedoch die meiste Zeit mit – Moment, ich brauche meinen Caps-Lock-Hammer – FRONTANTRIEB! Die Hinterachse hängt er aus. Es gibt keinen fahrdynamischen oder sonstigen vernünftigen Grund, das bei Konstantfahrt nicht zu tun, wohl aber einen ideologischen: Frontantrieb ist doof und wird sich niemals durchsetzen, zumindest nicht bei Porsche, dem letzten gallischen Dorf der Hinterachsantriebsideologen. Deshalb ist es schön, dass es jetzt den Taycan mit Heckantrieb gibt. Er heißt einfach "Taycan" ohne "4S" oder gar "Turbo (S)". Um dessen Vorteile voll auszukosten, rodelte ich eine schneebedeckte Kurvenpiste damit hinunter und wieder hinauf.

Porsche stellt den Taycan ohne alles als Einstiegsmodell der Baureihe hin, denn er kostet ab 83.520 Euro, während die Allrad-Modelle beim 4S bei über 100.000 Euro anfangen. Allen Modellen ist gemein, dass sie a) oberhalb der Elektroautoförderungspreise liegen und b) dass sie sich trotzdem wie geschnitten Gold verkaufen. Porsche hat 2020 weltweit über 20.000 Taycans ausgeliefert.

Aufgrund des hohen Gewichts (selbst der neue Taycan ohne Allrad wiegt über zwei Tonnen) ist der Taycan weniger ein Sportwagen und mehr ein Granturismo-Auto, und gerade deshalb passt ein reiner Heckantrieb ganz gut. Der neue Taycan kommt aus der Modellfamilie am weitesten pro kWh. Er sorgt außerdem dafür, dass das Fahrverhalten sehr lebendig werden kann, denn Porsche erlaubt es zum Glück immer noch, alle Fahrhilfen (außer ABS) abzuschalten.

An der Hinterachse hat sich nichts verändert. Der Taycan schaltet per Lamellenkupplung zwischen zwei Gängen hin und her. Das hat den Vorteil geringerer Drehzahlen bei hoher Geschwindigkeit mit der damit einhergehenden höheren Effizienz bei gleichzeitig hohem Raddrehmoment in niedrigen Geschwindigkeiten. Es hat den Nachteil des Schaltvorgangs. Beim Allrad wird dieser verschliffen, beim Taycan RWD fällt er etwas mehr auf, zum Beispiel beim Kickdown aus dem Range-Modus, wenn der längere Gang in den kürzeren wechselt, etwa für einen Überholvorgang.

Wie bei den Allradlern schickt die Lamellenkupplung ein leises "dschiu" beim Gangwechsel in die Kabine. Der Motor ist ein besonders kompakt gewickelter Synchronmotor mit Permanentmagnetläufer, der Boost-Leistungen bis 300 kW (Batterie mit 79,2 kWh) oder bis 350 kW (Batterie mit 93,4 kWh) liefert. Ein elektronisch gesteuertes Sperrdifferenzial rundet das E-Achsen-Paket ab. Damit hat der Taycan alles, was seine Allradgeschwister besonders macht – nur mit weniger Leistung für weniger Geld. Und natürlich fährt das Auto mit Heckantrieb sehr gerne quer.

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(Bild: Clemens Gleich)

Um das Thema der Auto-verrückten Zielgruppe nahezubringen, fuhr Porsches Instruktor Dennis Retera auf der Kreisbahn des Porsche Experience Center Hockenheim 42,2 Kilometer im Drift. Damit steht der Taycan im Guinness-Buch mit dem längsten Drift eines Elektroautos. Den Rekord des längsten Drifts überhaupt hat sich BMW für die nächste absehbare Zeit gesichert, indem sie einen M5 (F90) 374,2 Kilometer quer fuhren und dabei zweimal im Paralleldrift nachtankten.

Bis das jemand toppt, wird wohl noch etwas Zeit vergehen, doch auch Porsches deutlich erreichbarerer Elektrorekord fällt wahrscheinlich nicht morgen. Sie können ja einmal die Kataloge durchblättern: Welches andere E-Auto mit Hinterachsantrieb (oder einem hinterachslastigen Allradantrieb) gibt es, bei dem man die Fahrhilfen komplett ausschalten kann? Der Renault Twizy fällt mir ein, der bei sowas nach etwa zehn Minuten bereits leer ist und daher für einen Rekord während des Drifts mit Strom versorgt werden müsste (vielleicht von einem Taycan) – nur, falls Renaultsport sich gerade langweilt.