c't 22/2021
S. 46
Aktuell
Prozessoren

Bit-Rauschen

Chip-Hamsterer unter Druck, Coreboot statt UEFI, Chip-Riesen

Die USA gehen gegen (vermutete) Chip-Hamsterer vor. Taiwanische Chipfirmen arbeiten immer erfolgreicher. Endlich konnten wir in der c’t-Redaktion von einer selbst kompilierten Coreboot-Firmware starten.

Von Christof Windeck

Um den weiterhin grassierenden Chipmangel zu bekämpfen, hatte die US-Regierung bereits Anfang des Jahres ein Bündel von Aktionen gestartet. Mittlerweile schätzt man die Umsatzausfälle von Firmen, die wegen fehlender Chips ihre Produkte nicht liefern können, auf mehrere Hundert Milliarden US-Dollar weltweit. Als eine von vielen Ursachen der Halbleiterknappheit vermutet die US-Regierung das Hamstern von Chips, was erhebliche zusätzliche Probleme verursacht: In der Lieferkette geht Vertrauen verloren und Chiphersteller können schlechter planen, weil die Nachfrage nach nur vermeintlich knappen Bauelementen plötzlich einbrechen kann.

Der Intel-Chef als Baggerführer: Pat Gelsinger bei der Grundsteinlegung für zwei neue Chip-Fabs in Arizona.
Bild: Intel

Das US-Handelsministerium greift nun durch und fragt bei Chipherstellern, Distributoren und wichtigen Einkäufern nach: Sie sollen Bestände und Aufträge melden. Falls sie nicht spuren, droht die US-Regierung, ein altes Gesetz aus Zeiten des Koreakriegs anzuwenden, um die Kooperation zu erzwingen: den Defense Production Act of 1950. Die USA fahren aber nicht nur schweres juristisches Geschütz auf, sondern verteilen auch Fördermittel, um die Chipversorgung zu verbessern. Tesla-Chef Elon Musk hofft sogar, dass der Chipmangel 2022 enden könnte, wenn viele neue Halbleiter-Fabs den Betrieb aufnehmen. Man hört auch bereits Stimmen, die vor hohen Überkapazitäten ab 2023 warnen, etwa vom Marktforscher IDC.

Intel-Chef Pat Gelsinger ließ sich von solchen Unkenrufen nicht verschrecken und erklomm anlässlich der Grundsteinlegung für zwei neue Chip-Fabs am Intel-Standort Chandler (Arizona) ein Baufahrzeug. Sorgen wegen knapper Wasserversorgung dort zerstreut Intel mit dem Hinweis, ab 2030 wolle man „wasserneutral“ produzieren.

Das Projekt Coreboot für eine offene Alternative zum (UEFI-)BIOS hat mittlerweile 22 Jahre auf dem Buckel und wir haben in c’t auch schon einige Notebooks und Mini-PCs mit Coreboot vorgestellt. Doch nun hat es Kollege Ernst Ahlers auch geschafft, einen Mini-PC mit selbst kompilierter Coreboot-Firmware zu booten (siehe Seite 108). Dabei zeigte sich wieder einmal, wie schwierig es wird, wenn die Dokumentation zu alt ist. Die Auswahl an bezahlbaren und aktuellen Hardwareplattformen, für die sich ein angepasster Coreboot-„Rohling“ findet, ist weiterhin winzig. Coreboot bleibt damit in der Nische, etwa bei speziellen Servern oder Embedded Systems. Ausnahmen bestätigen die Regel, etwa Chromebooks und die wenigen Coreboot-Notebooks von Purism, Nitrokey und System 76.

Unbekannte Giganten

Der Name Novatek Microelectronics sagt Ihnen vermutlich wenig, ebenso wie mir, jedenfalls bis zum 15. September. Da fiel mir das Unternehmen in einem Halbleiter-Marktbericht der taiwanischen Marktforschungsfirma Trendforce auf, die auch das DRAM- und Flash-Preisbarometer DRAMeXchange.com betreibt. Laut Trendforce machte Novatek im zweiten Quartal 2021 über 1,2 Milliarden US-Dollar Umsatz und war damit nach Qualcomm, Nvidia, Broadcom, MediaTek und AMD der weltweit sechstgrößte „Fabless“-Chiphersteller. Auf dieser Top-Ten-Liste steht mit Realtek noch ein weiteres taiwanisches Unternehmen – beeindruckend für das vergleichsweise kleine Taiwan, das ähnlich viele Einwohner hat wie Bayern und Baden-Württemberg zusammen (rund 24 Millionen). Novatek entwickelt vor allem Chips, die LCD-Panels in Displays und TV-Geräten ansteuern, und arbeitet dabei eng mit Herstellern von Fernsehern, Monitoren und Panels zusammen. MediaTek wiederum ist für seine Smartphoneprozessoren bekannt, kooperiert aber etwa auch mit AMD und Intel bei 5G-Modems für Notebooks. Angeblich planen AMD und MediaTek sogar ein Joint Venture.

In Europa hingegen gibt es zwar große Automobil-Chiphersteller wie Bosch, Infineon und ST, aber nur kleinere „Fabless“-Entwickler, die die Produktion ihrer High-End-Halbleiter an Auftragsfertiger auslagern. Daher fördert die EU Projekte wie die European Processor Initiative (EPI), die mit dem EPAC gerade einen großen Schritt geschafft hat, siehe Seite 47. Darin stecken unter anderem Beschleuniger mit RISC-V-Technik. Und als „eProcessor“ entwickeln europäische Institute einen starken Out-of-Order-Kern mit RISC-V-ISA.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton liegen Halbleiter wohl am Herzen, schließlich führte er schon seit den 1990er-Jahren mehrere IT-Konzerne, darunter die französische Firma Atos. Just deren Sparte Bull SAS koordiniert die erwähnte EPI; der Weg von Brüssel nach Paris ist kurz. Allerdings wurden die Verträge unterschrieben, als Breton noch nicht EU-Kommissar, sondern Atos-Chef war. (ciw@ct.de)

Audio-Podcast Bit-Rauschen: ct.de/y3zv

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