c't 19/2019
S. 64
Hintergrund
Recruiting-Trends
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Begehrte Bewerber

Wie Firmen neue Mitarbeiter rekrutieren

Der IT-Arbeitsmarkt ist ein Bewerbermarkt. Kandidaten haben hohe Erwartungen und Unternehmen müssen sich einiges einfallen lassen, um geeignete Bewerber zu finden. Unser Schwerpunkt wirft einen Blick auf neue Recruiting-Methoden und gibt Tipps zur Jobsuche.

Die Zahl der offenen Stellen für IT-Fachkräfte steigt und steigt. Eine Arbeitsmarktstudie des Digitalverbands Bitkom von Ende 2018 nennt 82.000 freie IT-Stellen. 2017 waren in diesem Bereich laut Bitkom 55.000 Stellen vakant – eine Steigerung um 49 Prozent. Bitkom Research befragte für die repräsentative Studie mehr als 800 Geschäftsführer und Personalverantwortliche aus allen Branchen. Sie gaben an, dass die Besetzung bei IT-Stellen länger dauert als in anderen Unternehmensbereichen und rechnen mehrheitlich damit, dass sich dieser Fachkräftemangel künftig noch weiter verschärfen wird.

In diesem Artikel geht es darum, welche neuen Wege Unternehmen gehen, um am dynamischen Jobmarkt bestehen zu können. Sie experimentieren mit ungewöhnlichen Methoden der Bewerberansprache und sind auf neuen Recruiting-Kanälen aktiv.

Video: Nachgehakt

Für Bewerber entsteht durch die hohe Zahl der freien Stellen eine komfortable Ausgangsposition. Die neuen Recruiting-Trends ändern allerdings auch für sie einiges. Eine gute Präsentation auf Karriereportalen wird zunehmend wichtig. Worauf Bewerber bei der Jobsuche achten sollten, ist Thema des Artikels auf Seite 70.

Für die meisten IT-Stellen erwarten Arbeitgeber Programmierkenntnisse. Dabei ist es aber nicht damit getan, im stillen Kämmerchen Code produzieren zu können. Wie man seine Fähigkeiten trainiert, in agilen Teams mit anderen zusammenzuarbeiten und wie man unter Beweis stellt, dass man auch bei größeren Projekten den Überblick behält, erklärt der Artikel auf Seite 82.

Besetzbarkeit von offenen Stellen Quelle:CHRIS-Studie 2019/Monster Deutschland

Die Unternehmensberatung Accenture beschäftigt weltweit 482.000 Mitarbeiter. Dr. Jochen Malinowski ist hier Geschäftsführer für den Bereich New IT und zuständig für etwa 1700 IT-Fachkräfte. Die Cloud und der starke Trend zur Automatisierung brächten bei seinen Kunden große Veränderungen mit sich, berichtet er. „Es geht darum, verfügbare Werkzeuge zu verstehen, zu analysieren und anzupassen. Softwareentwicklung allein reicht nicht mehr aus“, so Malinowski. Gleichzeitig stellen sich Unternehmen die Frage: „Wie können wir so schnell werden wie Google, Apple, Amazon?“ Accenture suche daher ständig nach „Full-Stack-Entwicklern, die in kurzen Zyklen mit den Kunden vollständige Systeme entwickeln.“

Anspruchsvolle Bewerber

Seine Kollegin Yalda Shojai ist Recruiting Manager bei Accenture. Für sie ist die Konsequenz aus der derzeitigen Situation des IT-Arbeitsmarktes klar: „Wir müssen uns auf das einstellen, was die Kandidaten möchten. Die Ansprüche sind gestiegen, die Vereinbarkeit von Job und Privatleben hat einen hohen Stellenwert.“

Shojai erlebt Bewerber in der Regel als selbstbewusst. Viele bringen Auslandserfahrung mit. „Die Social Skills der Absolventen sind besser geworden, da hat sich bei vielen Unis etwas geändert“, sagt auch Malinowski. Allerdings stellt er fest, „dass es weniger Leute gibt, die wirklich coden können.“ Stattdessen höre er von Informatik-Absolventen häufig den Wunsch, strategisch zu arbeiten.

Speed Hiring

Bei den sogenannten Accenture Auditions können Interessenten während einer Karriere- oder Fachmesse direkt am Messestand einen mehrstufigen Rekrutierungsprozess durchlaufen. Im offen gestalteten Empfangsbereich sprechen die Kandidaten zunächst mit Recruitern und können mitgebrachte Unterlagen digital erfassen lassen. Schritt zwei führt in die Meeting Zone. Hier geht ein Recruiter mit dem Kandidaten den Lebenslauf durch und fragt seine Ziele ab. Bei gegenseitigem Interesse folgt in der Coaching Zone eine Kurzschulung: Schauspieler oder Dramaturgen bereiten die Bewerber auf die Selbstpräsentation vor.

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