c't 14/2019
S. 60
Kaufberatung
Ergonomie
Aufmacherbild

Gesund vorm Bildschirm

Eingabegeräte, Sensoren und andere Helfer für Ergonomie am Schreibtisch

Es muss nicht gleich ein teurer, höhenverstellbarer Schreibtisch sein. Schon kleine Upgrades und die Umstellung schlechter Gewohnheiten gestalten den Arbeitsplatz ergonomischer. Diese nützlichen Tools helfen dabei.

Der Rücken zieht, das Handgelenk schmerzt: Wer am PC arbeitet, macht fast unweigerlich früher oder später Bekanntschaft mit unerwünschten Nebenwirkungen. Manchmal hilft ein neues Eingabegerät – oder ein überraschend hilfreiches Gadget. Wir haben uns Lösungen für mehr Ergonomie vor dem Bildschirm angesehen, die Beschwerden lindern oder von vornherein vermeiden. Sie warnen vor der falschen Sitzposition, motivieren zu mehr Bewegung oder sorgen für saubere Luft. Die vorgestellten Produkte stehen exemplarisch für ihre jeweilige Kategorie und sind empfehlenswerte Vertreter ebendieser, aber nicht notwendigerweise das Beste für Ihre individuellen Bedürfnisse. Wir haben uns unter anderem ergonomische Mäuse und Tastaturen, einen Gamingstuhl, einen Dokumentenhalter und Sensoren angeschaut.

Insbesondere mangelnde Bewegung und statische Belastung beim Sitzen sind Gründe, warum in Fehlzeitenstatistiken an vorderster Stelle Erkrankungen des Muskel-Skelettsystems stehen. Laut Deutscher Gesetzlicher Unfallversicherung (DGUV) klagen Bürobeschäftigte vor allem über Verspannungen im Bereich der Halswirbelsäule mit Beteiligung des Schulter-Arm-Systems sowie der Lendenwirbelsäule. Der Bewegungsmangel erhöht zudem das Risiko von Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Einrichtung ist Trumpf

Je besser ausgestattet das Büro ist, desto geringer die Gefahr. Die Mindestanforderungen sind dabei relativ klar umrissen. 14 Punkte hat die DGUV gemeinsam mit Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretern in der Branchenregel „Bürobetriebe“ formuliert, um das Risiko arbeitsplatzbezogener Erkrankungen zu minimieren. Empfehlungen für Temperatur und Luftfeuchtigkeit (20 bis 22 Grad, maximal 50 Prozent), Möblierung (Bürostuhl, Tischfläche mindestens 1,60 mal 0,8 Meter, 72 bis 76 cm hoch), Lautstärke (55 bis 70 dB), Beleuchtung (500 bis 750 Lux) und Monitor (alles zur richtigen Einstellung des Monitors ab S. 68) sind festgehalten. Einen gesunden Rücken garantiert jedoch auch die beste Einrichtung nicht.

Denn außer der richtigen Ausstattung braucht es vor allem Bewegung. „Muskeln freuen sich, wenn sie auf der ganzen Länge bewegt werden und zwar möglichst häufig“, sagt Dr. Christoph Korallus, Facharzt für Rehabilitationsmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover und Experte für Arbeitsmedizin. Und genau das passiert am Bildschirm zu selten. Während einige Muskeln wie Wirbelsäulenaufrichter über lange Zeit die Spannung halten können, sind Bewegungsmuskeln nicht dafür geeignet. „Wenn diese Muskeln den ganzen Tag auf einer Länge anspannen müssen, dann verspannen die sich und verursachen Schmerzen“, sagt Korallus.

Einige Handgriffe empfiehlt der Experte vor weiteren Optimierungen des Arbeitsplatzes. „Jeder hat einen ergonomischen Stuhl, aber keiner weiß, wie man ihn einstellt“, hat Korallus beobachtet. „Das Wichtigste ist die Sitzhöhe, die Füße sollten mit der ganzen Sohle den Boden berühren, die Oberschenkel in einem leicht zum Körper ansteigenden Winkel liegen, sodass das Becken in die Aufrichtung gezogen wird.“ Für die Armlehnen empfiehlt er eine Höhe auf einer Ebene mit der Tastatur, die nah vor dem Körper platziert sein sollte. Die Oberkante des Bildschirms sollte sich auf Augenhöhe befinden, die Ellenbogen die Armlehnen leicht berühren, sodass die Oberarme entspannt nach unten hängen. „Es geht darum, Stuhl, Schreibtisch und Bildschirm so einzustellen, dass die statische Belastung gering bleibt, dass der Kopf sich in einer Ebene mit dem Rest der Körpers befindet und nicht aktiv gehalten werden muss.“

Der perfekte Stuhl

Ergonomische Schreibtischeinrichtung: Rollmaus vor schmaler, weißer Tastatur vor Dokumentenhalter vor dem Bildschirm.

Höhenverstellbare Sitzfläche und Armlehnen und eine verstellbare Rückenlehne nennt Mediziner Korallus als Grundausstattung für einen Bürostuhl, eine einstellbare Lordosenstütze für die Lendenwirbelsäule und eine Kopflehne als nette Zusatzfunktionen. Wer dennoch nicht darauf verzichten möchte, muss diese Features meist teuer bezahlen. Eine günstigere Alternative zum Bürostuhl können voll einstellbare Gamingstühle sein. Ihre Optik ist Geschmackssache, die Funktionsvielfalt des von uns vorgestellten Maxnomic Ergoceptor OFC lässt keine Wünsche offen.

Besonders rückenfreundlich arbeitet, wer ergonomisches Sitzen mit Stehen abwechselt. Einige Unternehmen setzen nur noch höhenverstellbare Tische ein, deren nachträgliche Anschaffung ist aber kostspielig. Doch auch prophylaktisch ergibt die Investition aus medizinischer Sicht Sinn – einen ähnlichen Effekt erzielt ein höhenverstellbarer Tischaufbau. Beide ergänzt man sinnvollerweise mit einem Sattelstuhl oder einer anderen Stehhilfe.

Ein wirksames Mittel gegen die zu weit vom Körper entfernte Tastatur ist ein Dokumentenhalter. Als Rehabilitationsmediziner hat Korallus mit etwa 2000 MHH-Beschäftigten Arbeitsplatzsituationen thematisiert und etliche begutachtet. Der unscheinbare Aufbau gehört zu seinen am häufigsten geäußerten Empfehlungen. Zwischen Monitor und Tastatur platziert, verhindert er, dass die Tastatur zu weit weg vom Körper geschoben wird. Zudem soll er helfen, die Arbeitsgewohnheiten anzupassen – vor allem jener Leute, die nicht nur digital, sondern auch mit Papier arbeiten. Unterlagen auf dem Dokumentenhalter befinden sich in einer Sichtachse mit Tastatur und Monitor. Das vermeidet die statische Belastung auf der zu neben der Tastatur liegenden Unterlagen gedrehten Wirbelsäule. „Eine der schädlichsten Haltungen, weil die ganze Belastung auf den letzten Wirbeln liegt“, erklärt der Mediziner. Wer häufig vor dem Bildschirm auf Papier schreibt, erhält den Dokumentenhalter auch mit ausziehbarer Schreibfläche.

Einen anderen Ansatz gegen den krummen Rücken wählt das Start-up Upright mit seinem Tracker Upright Go. Der kleine Gyrosensor im Plastikgehäuse wird auf den Rücken gepappt. Dort registriert er, ob der Rücken gerade durchgestreckt oder krumm zum Bildschirm gezogen ist und vibriert im Trainingsmodus zur Warnung. Ist dieser nicht aktiviert, zeichnet der Tracker die Zeiten richtigen und falschen Sitzens auf. „Biofeedback wird in der Medizin viel benutzt, um zu signalisieren, in welchen Stresslagen sich der Körper befindet. Die Sensoren signalisieren, was der Körper unbewusst macht und dieser kann darauf relativ schnell reagieren“, erklärt Korallus. Für das Einüben sei das ein Ansatz, der sich bewährt habe. „Der Körper lernt relativ fix und kann Mechanismen, die er sich über eine lange Zeit antrainiert hat, innerhalb von Wochen umkehren.“ Ist die neue Haltung erst einmal eingeübt, kann man den Sensor weitergeben oder zur späteren Auffrischung aufbewahren.

Kleiner Antreiber

Dr. Christoph Korallus, Experte für Arbeitsmedizin an der Medizinischen Hochschule Hannover

Doch auch ein gerader Rücken hilft wenig, wenn man stundenlang auf einer Pobacke vor dem Monitor sitzt. Auch mal die andere zu belasten oder aufzustehen, um eine Übung zu machen, will der Sitzsensor Interstuhl S 4.0 animieren. Der mit allen Bürostühlen kompatible Lagesensor warnt, wenn man zu lange still sitzt und bringt in einer App passende Workouts für kurze Pausen mit. Allein das Wissen um den möglichen Sensoren-Tadel war beim Ausprobieren erstaunlich motivierend. Und es gibt Sensoren für alle erdenklichen Zwecke: Die Wetterstation von Netatmo warnt beispielsweise vor schlechter Luft.

Neben mangelnder Bewegung können auch unergonomische oder falsch platzierte Eingabegeräte Fehlbelastungen in Fingern, Handgelenken und Armen verursachen und chronische Schmerzen auslösen. Bei einer einfachen Maus, auf der die Hand mit dem Rücken nach oben liegt, kann es schon die Aktivierung der Streckmuskeln gegen die Schwerkraft sein, die auf Dauer zum Mausarm führt. Korallus verweist auf Studien, „die zeigen, dass Vertikalmäuse deutlich weniger aktivieren“. Sowohl Haltung als auch Schwerkraft spielten eine Rolle. Sind die Beschwerden erst einmal da, braucht es Geduld, bis sich mit einer neuen Maus Erfolge einstellen.

Wer mit einer Handgelenksarthrose zu kämpfen hat, mag mit einem Trackball gut zurechtkommen, weil dieser nur mit den Fingern bewegt und das Handgelenk dabei abgelegt wird. Ein abrupter Systemwechsel auf einen Trackball, der vor allem per Daumen gesteuert wird, könnte allerdings die nächste Beschwerde auslösen: eine Reizung des Daumenstreckers. Der mit beiden Händen steuerbare Logitech-Trackball mit mittig platziertem Ball verteilt die Belastung gleichmäßig auf alle Finger. Eine ebenso klassische Alternative zum Trackball ist die Vertikalmaus. Die Evoluent C Right Wireless gibts zwar nur für Rechtshänder, ihre Schwestergeräte jedoch auch für Links und für verschiedene Handgrößen.

Eigenwilliger – und teurer – ist die Lösung, die Contour im Angebot hat: eine Rollmaus. Auf der RollerMouse Red plus gibt man Mausbefehle mit einer klick- und verschiebbaren Rolle ein, die an einer Leiste befestigt vor der Tastatur liegt. Hier sitzen auch weitere Tasten und ein Mausrad. Diese Tastatur-Maus-Kombination perfektioniert den Ansatz, den Mausarm nicht zu weit vom Körper abzuspreizen [1].

Richtig tippen

Zum Kasten: Ergo-Hilfen für Arbeitnehmer

Wer die Maus partout nicht wechseln möchte, kann auch eine herkömmliche Maus in ergonomischer Haltung bedienen – durch eine Tastatur ohne Nummernblock. Helle Tastaturen mit dunkler Beschriftung eignen sich laut DGUV besser für die Schreibtischarbeit, da sie zur Positivdarstellung auf dem Bildschirm passen und dem Auge unnötige Adaptionen ersparen. Eine solche weiße Tastatur hat neuerdings auch Razer im Angebot. Die Razer Blackwidow Lite Mercury richtet sich mit hohen Tasten, die bei 45 Gramm Druck präzise auslösen, an Vielschreiber.

Flache, leise auslösende Tasten hat die Microsoft Sculpt Ergonomic. Das zweigeteilte Tastenfeld mit Handballenauflage ermöglicht langes Schreiben. Noch radikaler setzt Hersteller Matias das Konzept des geteilten Tastenfelds um: Die Hälften der Ergo Pro sind durch ein Kabel miteinander verbunden und können unabhängig voneinander platziert werden.

Fehlt nur noch himmlische Ruhe zum konzentrierten Arbeiten: Liegt das Home-Office an der Durchfahrtsstraße oder sitzt man im Großraumbüro, kann ein Over-Ear-Kopfhörer mit Noise-Cancelling die Lösung sein. Kaum einer davon schirmt Geräusche so gut ab wie Sonys WH-1000XM2 [3].

Fazit

Es muss nicht immer ein neuer Bürostuhl oder höhenverstellbarer Tisch her, um gesünder am Bildschirm zu arbeiten. Manchmal können auch unscheinbare Gadgets die Lösung sein. Ein Sensor, der zur Bewegung animiert, ist verhältnismäßig günstig und hält fit. Ein höhenverstellbarer Tischaufbau macht auch den antiken Eichenschreibtisch zum ergonomischen Arbeitsplatz – und mit den richtigen Eingabegeräten bleiben die Handgelenke auch bei Schreibmarathons heil. Wunderdinge darf man von ergonomischen Helferlein aber nicht erwarten. Sind die Beschwerden erst einmal da, dauert es, bis die Umstellung Früchte trägt. Doch so lange braucht niemand zu warten. Wer rechtzeitig den Arbeitsplatz optimiert, bekommt die Beschwerden vielleicht gar nicht erst. (jube@ct.de/rbr@ct.de)