c't 4/2018
S. 56
Hintergrund
Trends 2018
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Revolutiönchen

Was die digitale Welt im Jahr 2018 zu bieten hat

Mit dem digitalen Assistenten in die Schöner-wohnen-Landschaft: Nachdem das Smartphone ausentwickelt ist, leitet die Vernetzung von Handy mit allen möglichen Gadgets, Unterhaltungselektronik und Einrichtungsgegenständen den nächsten Schritt in der digitalen Revolution ein.

Sind Sie zufrieden mit Ihrem Smartphone? Ja, wirklich? Ach, da gibt es doch so einige Ungereimtheiten und Umständlichkeiten? Da geht es Ihnen wie vielen anderen Usern. Die Smartphone-Revolution ist erst in evolutionäre Detailentwicklung und dann in mit viel lautem Brimborium verbrämten Stillstand übergegangen. Aber je intensiver wir die Smartphones einsetzen, desto mehr fällt auf, dass ihre Bedienung zwar schön einfach, aber immer noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein kann. So grummelt es unter den Usern: Und Revolutionen kündigen sich durch steigende Unzufriedenheit an.

Wir befinden uns in einer Umbruchphase, einer Phase vor entscheidenden neuen Verbesserungen, möglicherweise auch tatsächlich vor der nächsten Revolution. Ähnlich wie 2006, als die halbe Welt und jedenfalls alle Technikinteressierten auf ein endlich mal vernünftig einsetzbares Smartphone warteten: 2007 kam das iPhone, dessen Techniken (vor allem Multitouch) schon vereinzelt in anderen Geräten oder in universitären Forschungsprojekten zu sehen waren. Bis dahin waren sie aber nicht so in einem Gerät kombiniert, dass ein neues Bedien- und Nutzungskonzept real wurde. Das leistete erst das iPhone.

Falt-Handy? Echt jetzt?

Und nun? Das Smartphone ist ausentwickelt. Neuerungen gibt es praktisch nicht mehr – wenn man nicht noch bessere Kameras, noch dünnere Gehäuse (mit den spätestens seit Samsungs Note-7-Debakel bekannten Problemen) und ähnlichen Schnickschnack als großartige Errungenschaft verkaufen will.

Dienstleistungsroboter allenthalben: In den verschiedensten Ausprägungen bieten mechanische Helfer bereits ihre Dienste an. So richtig viel können sie aber noch nicht.

Aber perfekt ist das alles nicht, wie immer mehr User feststellen. Kleiner werden die Geräte kaum noch. Und wenn man ständig online ist, nervt es, dafür immer wieder das Smartphone zücken zu müssen. Wen vor allem die Größe stört, der kann sich 2018 freuen: Neue Gehäuseformen sollen die Geräte wieder schrumpfen lassen, ohne dass sie Funktionen verlieren. So bringt ZTE sein Klapp-Handy mit zwei Bildschirmen in Europa auf den Markt. Und Samsung möchte noch 2018 mit dem Galaxy X einen entscheidenden Schritt weitergehen: Das Display ist so faltbar, dass man das Smartphone zusammenklappen kann – ohne dass man den Nachteil eines zweigeteilten Bildschirms mit den dafür notwendigen Anpassungen in System und Apps in Kauf nehmen muss.

Klapphandy mit zwei Bildschirmen: ZTEs Axon M ist auch nicht der Weisheit letzter Schluss.

Mit Fug und Recht kann man bezweifeln, dass diese Ansätze sich wirklich breit durchsetzen. Die Smartphones in Barren-Bauweise mit einer Bildschirmdiagonale zwischen 5 und 6 Zoll haben sich durchgesetzt, jeder Anwender, jede Anwenderin kommt damit recht gut klar. Unter anderem iPhone 8, iPhone X und die Android-Verteilung zeigen, dass diese Gehäuseform weitgehend akzeptiert ist.

Das Smartphone möglichst klein zu machen ist offensichtlich kein erstrebenswertes Ziel mehr. Ein nettes Gimmick also, so ein Falt-Handy, als mehr erscheint das nicht: Vor allem, weil man das Smartphone dann auch noch aufklappen muss, bevor man es einsetzen kann.

Schöner wohnen

Zumal: Die eigentliche Nerverei lösen auch solche Falt-Handys nicht. Wir brauchen ein neues Interface fürs Netz und fürs Smart Home. Dass Sprachsteuerung der nächste Schritt ist, zeigen die Erfolge von Amazon und Google mit ihren vernetzten Lautsprechern, die einen digitalen Assistenten mitbringen. In diesem Jahr werden wir vermehrt erleben, dass man aber nicht unbedingt einen eigenen Amazon Echo oder Google Home braucht, um seine Gadgets, seine Unterhaltungselektronik, seine Küche, ja selbst seine Möbel direkt anzusprechen.

Die digitalen Assistenten breiten sich in allen möglichen Geräten aus, teilweise sogar als Nachrüstsatz. Qualcomm liefert beispielsweise eine fertige Plattform mit Amazon Alexa und Google Assistant, um die herum ein Hersteller nur noch ein Produkt stricken muss.

Von der Stereoanlage, dem vernetzten Musiksystem bis hin zu Kühlschränken, Herden, Sofas – überall finden digitale Assistenten in einer vollständig vernetzten Umgebung ihren Platz. Der Vorteil: Die vernetzten Gadgets und Geräte brauchen keinen zentralen Kontroll-Server mehr, jedes Gerät mit digitalem Assistenten kann selbst die Steuerung des gesamten Netzes übernehmen. Ob nun durch Bluetooth, Mobilfunk, WLAN, Ethernet oder andere Netz-Techniken verbunden, derjenige Assistent, der gerade ansprechbar ist, stellt die zentrale Instanz dar. Ist man gerade im Keller, spricht man das smarte Weinregal an. Ist man unterwegs, verständigt man sich mit dem Auto-Assistenten. Vorausgesetzt natürlich immer, die Cloud ist in Reichweite …

Das Smarthome macht vor nichts halt, auch nicht vor dem Weinkeller: Das smarte Weinregal Caveasy empfiehlt den passenden Wein zum Essen.

Und wer sich ganz an der Spitze des technischen Fortschritts sehen will, der integriert in seinen smarten Alltag auch noch so einen niedliche Dienstleistungsroboter, wie sie allenthalben vorgestellt werden. Ob nun herzerweichend aufblickende Aibos, niedlichkeitsheischende Kuris (nein, ich kann wirklich nichts für den Namen …) oder tanzende Lynxs – viel mehr als ein Amazon Echo mit Rädern oder ein Google Home mit Beinen sind sie nicht. Wirklich zu Diensten sind die kleinen Kerle (männlich sind sie derzeit allemal) uns noch nicht. Es sind noch einige Grenzen in Robotermechanik, -elektronik und -KI zu überwinden, bis sie wirklich eifrige Helferlein im Smart Home sind.

Sprich! Mit! Mir!

Das Smartphone ist also 2018 nur noch eine Instanz von vielen im smarten Alltag. Die digitalen Assistenten helfen derzeit aber lediglich bedingt bei der Bedienung des Smartphones selbst. Nicht nur in der Öffentlichkeit kann es nerven, wenn man mit den Geräten sprechen muss. Zu Hause wünscht man sich möglicherweise auch eine Gestensteuerung. Mit Fernsehern haben das einige Hersteller ja schon probiert – mit wenig Erfolg, vor allem aber wegen der miesen Implementation. Auf dem Sofa zu sitzen und das Video per Geste vorzuspulen, anzuhalten oder in den Startbildschirm zu wechseln, das dürfte jedem einleuchten. Oder mit fettigen Händen in der Küche zu stehen und der Musikanlage per Wischen durch die Luft zu sagen, sie solle lauter machen – auch das erscheint praktisch.

Einen neuen Anlauf mit Gestensteuerung kann man sich wünschen (trotz möglicher Datenschutzprobleme angesichts ständig laufender Kameras), absehbar ist er für dieses Jahr nicht. Auch dass Smartwatches als Behelfs-Interface noch einen richtigen Boom erleben, ist unwahrscheinlich. Sie verkomplizieren die Handhabung des Netzes eher als sie zu vereinfachen. Andere Versuche neben Sprach- und Gestensteuerung breiten sich dagegen aus. So können die digitalen Assistenten im Smartphone etwa über die Kopfhörer bedient werden – klopfen und wischen kann man auch über berührungsempfindliche Oberflächen an den In-Ears.

Die Smartphone-Kopfhörer haben ja meist auch noch ein Mikrofon eingebaut, eigentlich zum Telefonieren. Das kann man für den digitalen Assistenten nutzen – eine Ansprache über das Kopfhörer-Mikro ist in der Öffentlichkeit wohl noch eher akzeptabel, als das Smartphone anzuschreien. Der Weisheit letzter Schluss ist es auch nicht. Zumal die bisherigen Versuche etwa von Google, den Sprachassistenten über In-Ears zugänglich zu machen, untauglich sind: „Wegen der unausgereiften Hardware werden die Pixel Buds dem Google Assistant kaum zu weiterer Popularität verhelfen. Sie sitzen schlecht, klingen mäßig, dämpfen kaum und lassen sich fummelig im Lade-Case verstauen“, kritisiert Hannes Czerulla im c’t-Test (c’t 1/2018, S. 50). Bessere Ansätze, etwa über Bedienschnittstellen im Nackenband, mit angenehmeren Gehäuseformen und längeren Akkulaufzeiten, sind aber für dieses Jahr zu erwarten.

Nachbrenner

Bis wirklich einfache und gut bedienbare Lösungen für die Steuerung unserer vernetzten Umwelt entstehen (oder gar Biohacking-Interfaces in den Bereich des Machbaren gelangen), dauert es wohl noch etwas länger – und wird auch ganz neue Diskussionen über die Konsequenzen und das Umfeld erfordern (siehe den nachfolgenden Artikel auf S. 60 über die langfristigen Trends der digitalen Gesellschaft).

Möglicherweise haben wir alle aber das Potenzial von Google Glass unterschätzt. Die Augmented-Reality-Brille mit Kamera war aus Datenschutzgründen sehr umstritten, zudem war ihre Hardware und ihr Akku nicht wirklich für das geeignet, was sie leisten sollte – ein in die Realität eingeblendetes Interface fürs Netz, mit Bedienfunktionen direkt an der Brille. Im Ansatz aber liefert solch ein AR-Gerät Lösungen für diverse Probleme, die das Leben in einer vernetzten Welt mit sich bringt. Andere Versuche, etwa von Microsoft, mit Augmented oder Mixed Reality gehen in die gleiche Richtung, treiben es aber nicht so weit wie die Google Glass. Es bleibt zu hoffen, dass wir dieses Jahr noch weitere Bestrebungen für AR als Interface fürs Netz sehen.

Bei allen Gimmicks und aufmerksamkeitsheischenden Assistenten dürfen wir eines nicht vergessen: All das braucht eine stabile und schnelle Netz-Infrastruktur, sowohl in den Backbones als auch im Mobilfunk- oder Festnetz. Man kann nur hoffen, dass die (zum Zeitpunkt, zu dem dieser Artikel geschrieben wird, immer noch nicht gebildete) neue Regierung mehr Schwergewicht auf einen vernünftigen und technisch zukunftssicheren Netzwerkausbau legen wird. Im Mobilfunk wird die weitere Entwicklung von LTE erst einmal für genügend Bandbreite sorgen, bis dann 2019, 2020 mit der Einführung der nächsten Mobilfunkgeneration 5G begonnen wird. Noch mehr als bei LTE wird dies aber nicht auf einen Schlag passieren, sondern sich über Jahre hinweg immer weiter entwickeln.

Mehr Licht!

Auf der Suche nach den Hinweisen auf die nächste IT-Revolution übersieht man manchmal die Kleinigkeiten, die das Leben leichter machen, auch in Digitalien. So dürfen wir uns 2018 endlich auf vernünftige Lösungen fürs drahtlose Laden freuen, nachdem sich der Standard Qi faktisch durchgesetzt hat. Immer mehr alltägliche Einrichtungsgegenstände kommen nun auf den Markt, auf die man das Smartphone (oder andere Mobilgeräte) einfach nur noch legen muss, um sie aufzuladen.

Die Kuri-Evolution. Die Macher von Roboter Kuri haben alle Niedlichkeits-Register gezogen, er taugt aber ähnlich wie Aibo eher als Haustier-Ersatz.

Und immer weiter geht es auch bei den Displays. Mag man sich angesichts verschiedener Standards, unklarer Definitionen und divergierenden Sprachgebrauchs diverser Hersteller auch manches Mal die Haare raufen – der Weg ist klar: HDR, 4K, 8K. An der Sinnhaftigkeit von 8K fürs heimische Wohnzimmer mag man zweifeln – HDR und 4K werden in diesem Jahr aber zum Standard, auch bei den Inhaltsproduzenten und -Providern. Entsprechend kommen auch immer lichtstärkere Displays auf den Martk, Sony demonstrierte auf der CES sogar einen 85-Zoll-Bildschirm mit 10.000 Candela pro Quadratmeter. Für Ultra-HD mit HDR sind 1000 Candela pro Quadratmeter Mindestbedingung.

Niedlich ist er ja schon, der Aibo. Sony hat dem Roboterhund auch in der Neuauflage aber kaum nützliche Funktionen spendiert.

Und bei den Wohnzimmer-Displays ergeben dann auch die faltbaren oder besser: flexiblen Displays Sinn. LG zeigte erstmals sein aufrollbares TV: In einem schmalen Kasten untergebracht, fährt es wie eine Leinwand nach oben. Ob solche Bildschirme allerdings dieses Jahr für jeden erschwinglich werden, wenn sie überhaupt auf den Markt kommen, das ist eine andere Frage. LGs biegbares Wallpaper-Display kostet je nach Diagonale bis zu 20.000 Euro. Ein richtig aufrollbares Display dürfte anfangs kaum billiger sein.

Große und kleine Gespenster

Was sich auf dem PC-Markt tut, wird in diesem Jahr wieder einmal spannend zu beobachten sein. Ausnahmsweise, muss man schon sagen, nachdem in den vergangenen Jahren vor allem über Absatzrückgänge diskutiert wurde. Das Chaos nach Bekanntwerden der Prozessorsicherheitslücken Meltdown und Spectre hat sehr viele Anwender verunsichert. Einen Neukauf von PC oder Notebook dürften viele Anwender zurückstellen, bis Updates und mögliche neue Prozessormodelle, die die Lücken vermeiden, gesichert und wirklich verfügbar sind.

Andererseits kann das weitere Verhalten der Hardwarehersteller auch dazu führen, dass dann doch Neukäufe vorgezogen werden – aber nur dann, wenn besonders die Prozessorfabrikanten, allen voran Intel, es schaffen, verlorenes Vertrauen wiederzugewinnen. So bleibt der PC-Markt dieses Jahr turbulent – und das nicht etwa wegen revolutionärer Neuerungen, sondern wegen des Durcheinanders, das die Hersteller selbst angerichtet haben.

Lassen wir uns also überraschen. Von neuen Ideen und Bauformen, die vielleicht doch noch einen Sprung in der Smartphone-Entwicklungen bringen. Von Displays und AR-Geräten, die andere Zugangsmöglichkeiten eröffnen. Vom vernetzten Zuhause, dessen Gadgets und Roboter endlich das Leben erleichtern. Von Prozessoren, denen man wieder vertrauen kann. Revolutionen kündigen sich an, wenn man genau hinschaut. Sie kommen trotzdem immer überraschend. (jk@ct.de)