c't Retro 2018
S. 59
Praxis & Wissen
Wählscheiben-Telefone
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Revival für die Scheibe

Wählscheibentelefone an VoIP-Anlagen einsetzen

Vielerorts schlummern alte Festnetztelefone in Kellern und Abstellräumen. Die unverwüstlichen Geräte lassen sich auch heute noch an VoIP-Anlagen wie der Fritzbox einsetzen, sofern man nur Gespräche annimmt. Aber auch fürs Hinauswählen gibt es Lösungen.

Seit den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts hat sich an der analogen Telefontechnik nicht viel verändert. Impedanz, Signalpegel und Klingelspannung sind heute genauso wie vor 100 Jahren. Nur die Herstellung der Verbindung änderte sich im Laufe der Zeit. Die Kurbeln zur Anwahl der Handvermittlung wurden ab den 20er-Jahren durch Wählscheiben für das Selbstwählverfahren in automatischen Vermittlungsstellen ersetzt. Die Wählscheibe wich ab den 80er-Jahren einer Tastatur, doch das Wählen durch die rhythmische Unterbrechung des Stromkreises zwischen Telefon und Vermittlungsstelle blieb. Erst Ende 1997 wurde das Impulswahlverfahren im Zuge der Digitalisierung des Telefonnetzes durch das Tonwahlverfahren (MFV, Mehrfrequenzwahlverfahren, englisch DTMF, Dual Tone Multi Frequency) ersetzt.

Jedes Telefon mit Wählscheibe lässt sich – sofern ein passender TAE- oder Western-Stecker (RJ11) montiert ist – problemlos mit dem Analoganschluss eines VoIP-Routers verbinden und klingelt bei eingehenden Anrufen. Nimmt man dann den Hörer von der Gabel, wird man sofort verbunden. Die Tonqualität der alten Geräte ist oft erstaunlich gut. Probleme gibt es bei älteren Sprechkapseln mit Kohlemikrofonen, die zwar einen hohen Pegel erzeugen, aber nicht linear arbeiten und dadurch nur eine schlechte Sprachqualität liefern. Außerdem verschleißen sie im Laufe der Jahre. Im Handel sind auch heutzutage noch transistorisierte Sprechkapseln erhältlich, die zu den Kohlekapseln kompatibel sind, eine deutlich bessere Sprachqualität bieten und viel länger halten als Kohlemikrofone.

Wahlverfahren

Ein ernstes Problem tritt aber dann auf, wenn man mit dem Telefon eine Nummer wählen will. Wählscheiben- und ältere Tastentelefone nutzen das Impulswahlverfahren (IWV). Das erkennt man an einem Klackern im Hörer, sobald man wählt, die Zahl der Wählpulse entspricht der gewählten Ziffer. Nur sehr alte VoIP-Anlagen, beispielsweise die Fritzbox 7170, können mit diesen Impulsen noch etwas anfangen und werten sie aus. Schon die veraltete Fritzbox 7390 beherrscht keine Impulswahl mehr. Das merkt man daran, dass der Wählton auch nach dem Wählen einer Ziffer noch ertönt.

Haben Sie ein Tastentelefon, sollten Sie prüfen, ob sich dieses auf das Tonwahlverfahren (MFV) umstellen lässt. Vor 1998 ausgelieferte Modelle wurden stets mit voreingestelltem Impulswahlverfahren ausgeliefert. Die Elektronik vieler Wählblöcke lässt sich aber nachträglich auf MFV umstellen. Das geschieht über eine Tastatureingabe oder über mechanische Schalter im Telefon. Oft ist das über von außen zugängliche DIL-Schalter möglich. In einigen Fällen muss dazu das Gerät aufgeschraubt werden. Anleitungen zu den gängigsten Telefonen finden Sie über ct.de/yj81. Gelingt die Umstellung, ist das Problem gelöst und auch * und # zur Steuerung der Telefonanlage lassen sich dann verwenden.

Externe Hilfsmittel

Bei Wählscheibentelefonen ist eine Umstellung auf MFV hingegen prinzipiell unmöglich. Es gibt aber Hilfsmittel, mit denen man diese Einschränkung umgehen kann. Man kann beispielsweise ISDN-Anlagen mit Analoganschlüssen und Impulswahlunterstützung der VoIP-Anlage vorschalten.

Ein anderer Weg ist der Einsatz sogenannter MFV-Tongeber. Diese waren in den 90er-Jahren verbreitet, als es bereits fernabfragbare Anrufbeantworter gab, aber viele Telefone noch kein MFV unterstützten. Die ungefähr kreditkartengroßen batteriebetriebenen Geber haben auf der Vorderseite eine Tastatur und auf der Rückseite einen Lautsprecher, üblicherweise von einem kleinen Polster umgeben, um ihn auf die Sprechmuschel zu drücken. Die üblicherweise als Codesender, DTMF- oder MFV-(Ton)-Geber bezeichneten Geräte werden jedoch nicht mehr hergestellt und sind gebraucht nur noch schwer erhältlich.

Als simple und konfigurationsfreie Lösung kann man auch Wandler zum Zwischenstecken einsetzen, die rund 50 Euro kosten. Diese werden wie das Telefon mit der Versorgungsspannung des Analoganschlusses gespeist. Sie werten die Wahlimpulse des Telefons aus und erzeugen nach jeder gewählten Ziffer die MFV-Töne für die VoIP-Anlage. (uma@ct.de)