c't 26/2018
S. 3
Editorial
Georg Schnurer

Tote Pferde

Aus, vorbei, tot: 2019 wird es keine CeBIT, pardon, "Cebit", mehr geben. Ersatzlos gestrichen ist sie, die auch 2018 noch weltgrößte IT-Messe.

Als alter Sack der IT schwanke ich zwischen Weinen und wütendem Gebrüll. Jetzt haben sie das einstige Nerd-Paradies endgültig ruiniert. In den glückseligen Tagen, anno 1995, da war die IT-Welt ein Schlaraffenland. Meine Augen strahlten nach einem CeBIT-Besuch noch für Monate. Ach, ein Tränchen kullert über meine Wange - war das schön. Das alles soll nun plötzlich vorbei sein?

Na ja, "vorbei" ist das wohlige Nerd-Gefühl nach einem CeBIT-Besuch schon lange! Der Niedergang der einst tollsten Messe der Welt begann bereits 1996: Die Messe AG, unersättlich und erfolgstrunken, versuchte, mit der CeBIT Home ein zweites Pferd zu satteln. Endkunden und laute, spaßbringende Aussteller hatten auf der CeBIT nichts mehr zu suchen. Sie wurden abgeschoben zur CeBIT Home. Voller Arroganz und Selbstherrlichkeit glaubte die Messe AG, mit Ausgrenzung mehr Geld verdienen zu können. Das Pferd "CeBIT Home" war bereits 1998, nach der zweiten Runde, totgeritten.

Seither eiert die Messe AG herum: Mal soll die CeBIT eine reine Business-Messe sein, dann soll sie sich wieder für Endkunden öffnen und zum Schluss, 2018, soll sie dann ein irgendwie spaßorientiertes Business- und Konferenz-Event werden: Selbstmord auf Raten.

Messen haben heute nicht mehr die gleiche Bedeutung wie 1995. Trotzdem hätte die CeBIT der zentrale IT-Event in Europa bleiben können, wie etwa die Computex in Asien. Doch so eine zentrale Plattform entsteht nicht durch Ausgrenzung und Schubladendenken. Und ja, das ist dann der Punkt, wo ich laut aufschreien muss. Chance vertan - aus, vorbei, tot.

Ich weiß, über Tote soll man nichts Schlechtes sagen. Aber kommentarlos hinnehmen kann ich diese Kette von Fehlentscheidungen einfach nicht.

Unterschrift Georg Schnurer Georg Schnurer

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