c't 22/2018
S. 24
News
Umweltschutz
Aufmacherbild
Bild: The Ocean Cleanup/Twitter

Müllsammler im Meer

Wie The Ocean Cleanup die Ozeane reinigen will

Mit einem ambitionierten Projekt will das Team um einen jungen Niederländer die Weltmeere von Plastikmüll befreien. Wie gut das funktioniert, ist unklar – und auch sonst häuft sich Kritik.

Der erste, voll einsatzfähige Prototyp von The Ocean Cleanup ist System 001: eine 600 Meter lange Röhre aus verdichtetem Polyethylen, an der ein Vorhang aus dicht gewebtem Kunststoff drei Meter tief unter Wasser hängt. Dieser soll Treibmüll vor sich her schieben und zwischen den Röhrenauslegern der Anlage sammeln, sodass er leichter einzusammeln ist. Die Anlage treibt auf der Wasseroberfläche und folgt so den gleichen Strömungen wie der Müll, der eingefangen werden soll. Der Schwimmkörper ist mit solarbetriebenen Kameras, Positionslampen und Sensorik ausgestattet. Diese soll unter anderem Wetter- und Navigationsinformationen sammeln und erkennen, wenn das System gefüllt und der Müll bereit zum Einsammeln ist. Den Abtransport werden dann wiederum Schiffe übernehmen müssen, die zwischen Küste und System hin und her pendeln.

Der damals 19-jährige Boyan Slat hatte das Ocean-Cleanup-Projekt 2013 ins Leben gerufen. Im Laufe der vergangenen fünf Jahre entwickelte und testete sein Team mehrere Prototypen. Auf Miniaturmodelle folgte 2016 ein erstes, 100 Meter langes Testsystem, das auch in der Nordsee ausprobiert wurde. Erweist sich das nun gestartete System 001 als erfolgreich, sollen über 50 weitere, identische Systeme folgen. Laut Schätzungen von The Ocean Cleanup könnte so bis 2040 bis zu 90 Prozent allen größeren Plastikmülls aus den Weltmeeren verschwinden.

Jungfernfahrt

Nachdem System 001 Anfang September den Hafen von San Francisco verlassen hatte (siehe ct.de/yfsg), machte es 500 Kilometer vor der Küste Halt für finale Tests. Ungünstiges Wetter hielt den Testplan auf, daher hatte sich das Team auf tägliche Inspektionen der Anlage konzentriert, wobei aber keine Probleme aufgetreten sind. Abgehakt waren bereits die Bildung der U-Form des Systems sowie Tests seiner Stabilität, Manövrierbarkeit und Fähigkeit der Reorientierung. Nebenbei wurden Probeläufe mit einem autonomen Drohnenschiff durchgeführt, das den Schwimmkörper bei der Arbeit begleiten soll.

Anfang Oktober wurden die Tests beendet und es ging auf die 2000 Kilometer lange Reise zum Einsatzort zwischen Hawaii und der amerikanischen Südostküste: dem Pazifischen Müllwirbel – einer Treibmüllfläche viermal so groß wie Deutschland.

Im U-förmigen System von The Ocean Cleanup soll sich Müll sammeln. Ein Vorhang erwischt auch unter der Wasseroberfläche treibendes Plastik und sammelt es für den Abtransport. Bild: The Ocean Cleanup/Twitter

Pläne und Kritik

„Angesichts der Größe des Plastikmüllproblems ist ein Scheitern einfach keine Alternative“, sagte Boyan Slat im Zuge des Startschusses für System 001. Die Sammelschiffe sollen – Müllwagen ähnlich – ihre Plastikladungen an Häfen direkt in Verarbeitungsanlagen abladen, die es in der Form jedoch noch nicht gibt. Dann sind ein umfangreiches Recycling und die Verarbeitung zu diversen Produkten angedacht. Durch deren Verkauf solle sich das ursprünglich durch Investoren und Crowdfunding ermöglichte Projekt letztendlich selbst finanzieren.

Auch über die vagen Pläne zur Endverarbeitung des Mülls hinaus erntete das Projekt viel Kritik aus den Reihen von Nachhaltigkeitsexperten und anderen Umweltprojekten. Unter anderem sei unsicher, welchen Einfluss die Sammelsysteme auf die Meeresfauna haben werden. Laut dem Ozeanologen Laurent Lebreton, der mit The Ocean Cleanup zusammenarbeitet, sollen Meerestiere einfach unter dem Sammelvorhang der Anlage wegtauchen können – es handle sich dabei schließlich nicht um Netze. Ob das der Fall ist, soll sich nun beim Einsatz von System 001 zeigen.

Darüber hinaus steht auch die tatsächliche Effizienz der Verschmutzungsreduktion in Frage. So werde etwa Mikroplastik – winzige Kunststofffasern, zu denen größere Teile nach und nach zerfallen – nicht durch das System aufgesammelt, da es schlicht zu klein für die Systeme von The Ocean Cleanup ist und sich auch tiefer unter der Wasseroberfläche ablagert. Kritische Stimmen weisen außerdem darauf hin, dass eine simpel anmutende Herangehensweise wie die von The Ocean Cleanup von wichtigeren, effektiveren, aber auch komplexeren ablenkt – nämlich zu vermeiden, dass so viel Plastikmüll überhaupt erst produziert wird und dann in die Weltmeere gelangt.

Boyan Slat zeigt sich gegenüber der Kritik einsichtig, ist aber optimistisch, dass der Einsatz von The Ocean Cleanup ein richtiger Schritt sei. Schließlich müsse der bereits in die Meere gelangte Müll entfernt werden, sodass dieser dann auch nicht mehr zu Mikroplastik zerfallen kann. Außerdem hoffe er, dass sein Projekt mehr Aufmerksamkeit auf Umweltverschmutzung und deren Bekämpfung zieht. Er pflichtet aber bei, dass die Produktion von Müll zu verringern und zu vermeiden, dass dieser überhaupt in die Meere gelangt, ebenfalls immens wichtig ist – davon wolle sein Projekt keinesfalls ablenken. (jube@ct.de)