c't 19/2018
S. 3
Editorial
Software-Karussell
Ingo T. Storm

Software-Karussell

Wenn ich eine Sache benutzen möchte, die jemand anderem gehört, habe ich zwei (legale) Möglichkeiten: leihen oder kaufen. Unter Freunden und in Bibliotheken leiht man sich etwas ohne Gegenleistung aus. Muss ich bezahlen, heißt der Vorgang "Mieten". Handfeste Dinge wie Fahrräder und Bücher gibt man irgendwann zurück, wenn man sie geliehen oder gemietet hat. Man behält sie, wenn man sie kauft. Eine dritte Gattung sind regelmäßig gepflegte Dienstleistungen wie Netflix - die abonniert man. So weit, so einfach.

Software habe ich früher wie ein Buch oder ein Fahrrad gekauft: einmal zahlen, "ewig" benutzen. Nachträgliche Leistungen vom Hersteller habe ich nur in begrenztem Umfang erwartet. Grobe Fehler wurden meistens bereinigt. Kamen neue Funktionen hinzu, gab es das Angebot, den Nachfolger günstiger zu kaufen.

Dauerhaft genutzte Software ist heute jedoch keine einmalige Leistung mehr, sondern eine kontinuierliche Dienstleistung. Sicherheit ist der erste Knackpunkt: Heute ist alles vernetzt, fast jedes Programm kommuniziert und ist dadurch angreifbar. Erschwerend kommt hinzu: Beim Programmieren für die viel komplexer gewordenen Betriebssysteme brauchen Entwickler etliche Standardbibliotheken. Wird eine Lücke gefunden, müssen sie sehr schnell reagieren.

Aber auch ohne Sicherheitsprobleme braucht man Updates: Microsoft bringt halbjährlich mit einem Feature Update einiges durcheinander, Apple und Google mindestens einmal pro Jahr. Software-Hersteller müssen regelmäßig unter Zeitdruck nachjustieren.

Zu fast jeder wichtigen Software gehört zudem eine Server-Infrastruktur: zum Speichern von Einstellungen, zur Synchronisation von Dokumenten über mehrere Rechner oder Smartphones. So ein Aufwand ist mit einer Einmalzahlung nicht finanzierbar. Microsoft, Apple und Google sind groß genug, die Basisleistung - das Betriebssystem - kostenlos anzubieten und mit den Zusatzdiensten zu verdienen. Andere Firmen sind hingegen auf regelmäßige Einnahmen angewiesen und müssen von vornherein Abos verkaufen.

Ich kann damit leben. Was ich allerdings nicht akzeptiere, sind Abo-Käfige: Ich erwarte eine Testphase und kurze Kündigungsfristen. Proprietäre Dateiformate dürfen mich nicht zwingen, bei einem Programm zu bleiben. Die Software darf den Dienst nicht komplett einstellen, wenn ich das Abo kündige: Dokumente öffnen, drucken und insbesondere in ein freies Format exportieren sind auch danach noch Pflicht. So gute Bedingungen gibt es leider selten. Bei vielen Anbietern fühlt man sich wie im Karussell, bei dem man jede Runde nachzahlen muss, ohne aussteigen zu können.

Unterschrift Ingo T. Storm Ingo T. Storm

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