c't 19/2018
S. 33
News
Spielerwerbung der Bundeswehr

Kommentar: Krieg ist Frieden!

Wie jedes Jahr lockte die Bundeswehr in Köln junge Spieler auf ihren Stand der Gamescom. Dazu wurden in der Stadt zwei Plakate verklebt. „Multiplayer at its best!“ stand auf dem ersten, „Mehr Open World geht nicht!“ auf dem zweiten. Man wolle damit „zum Nachdenken anregen, was wirklich zählt: Krieg spielen oder Frieden sichern?“, hieß es dazu in einem offiziellen Twitter-Post, der zu Recht einen Sturm der Entrüstung auslöste.

Offenbar suchen die Werbestrategen nach dem Wegfall der Wehrpflicht so verzweifelt nach jungem Nachwuchs, dass sie sich der Gamifizierung bedienen. Andere Industriezweige haben deren Potenzial schon lange erkannt und steigern damit etwa die Motivation von Arbeitern. Warum sie also nicht auch bei Soldaten einsetzen?

Die Slogans suggerieren, ein Einsatz sei noch spaßiger als eine Partie Battlefield. Wenn Soldaten tödliche Drohnen fernsteuern, verschwinden die realen Opfer tatsächlich hinter Bildschirmen. Doch auch wenn die Technik alles versucht, die Tötungshemmung zu beseitigen, leiden Tausende in der Bundeswehr an einer posttraumatischen Belastungsstörung. Alle zwei bis drei Wochen nimmt sich ein Soldat das Leben, weil er mit der Belastung nicht mehr zurechtkommt. Selbst dem letzten Rekruten in seiner maroden Kaserne ist bewusst: Das ist kein Computerspiel.

Im Tweet definiert die Bundeswehr en passant die Bedeutung von Worten um: Aus Spielen wird Krieg und aus Krieg wird Friedenssicherung. Bei George Orwell heißt es in „1984“: „Krieg ist Frieden! Freiheit ist Sklaverei! Unwissenheit ist Stärke!“ In diesem Sinne ist die Bundeswehr tatsächlich eine starke Truppe. Wer jedoch die Bundesrepublik seriös verteidigen will, darf Jugendliche nicht für dumm verkaufen. Und die Kölner Messe sollte nächstes Jahr das THW und das Rote Kreuz einladen, denn zivile Alternativen für Erlebnishungrige gibt es zuhauf. (hag@ct.de)