c't 16/2018
S. 29
News
EU-Copyright-Reform

Zensurheberrecht

EU-Parlament erteilt Upload-Filtern eine Absage – vorläufig

Unter massivem Lobbydruck haben die Abgeordneten einen Entwurf zur Copyright-Reform vorerst zurückgewiesen, wonach Plattformen hochgeladene Inhalte überwachen und filtern sollten.

Es war eine knappe Entscheidung: Mit 318 zu 278 Stimmen hat das EU-Parlament Anfang Juli gegen einen umstrittenen Richtlinienentwurf zur Copyright-Novelle votiert, auf den sich zuvor der Rechtsausschuss des Parlaments verständigt hatte. Bei der Abstimmung handelt es sich um eine Premiere: Bisher folgten die Parlamentarier immer der Empfehlung des federführenden Gremiums.

Der Entwurf sah vor, dass die Betreiber von Online-Plattformen mit nutzergenerierten Inhalten verpflichtet werden sollen, mit Rechteinhabern „faire und angemessene Lizenzvereinbarungen“ abzuschließen. Ohne solche Verträge hätten die Verantwortlichen durch „angemessene und verhältnismäßige Maßnahmen“ dafür sorgen müssen, dass illegale Werke gar nicht erst öffentlich verfügbar sind. Sie hätten bei den Uploads also kontrollieren müssen, ob diese urheberrechtlich geschütztes Material enthalten. Erst wenn Rechtsverletzungen auszuschließen wären, hätten sie diese veröffentlichen dürfen.

Massive Kollateralschäden befürchtet

Im Entwurf des Rechtsausschusses gab es viele Ausnahmen und Sonderregelungen. Cloud-Anbieter und traditionelle Online-Marktplätze etwa sollten nicht erfasst werden. Letztlich wären die Bestimmungen angesichts der Fülle von Beiträgen, die Nutzer auf Portalen wie YouTube sekündlich hochladen, auf eine automatisierte Kontrolle und Durchleuchtung aller Inhalte durch Upload-Filter hinausgelaufen. Dabei wären massive Kollateralschäden zu erwarten gewesen. Heiß umstritten ist schon jetzt etwa das Erkennungssystem „Content ID“, mit dem YouTube vermeintlich illegale Werknutzungen blockiert.

CDU-Politiker Axel Voss hatte als Berichterstatter des Rechtsausschusses den Richtlinienentwurf mit vorangetrieben. Bild: www.axel-voss-europa.de

In der Praxis hilft es dabei auch nicht, wenn der Gesetzestext vage bleibt und theoretisch auch andere Instrumente zulässt. Im Zweifelsfall dürften Betreiber zu einer technischen Vorzensur tendieren und in Kauf nehmen, damit sogar legale Inhalte zu löschen, um für widerrechtlich online verbliebene Werke nicht zu haften.

Die Reform sah neben den umstrittenen Upload-Filtern auch die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverleger in der EU vor, das es bislang nur in Deutschland und Spanien gibt. Danach sollen Plattformen wie Google künftig nicht mehr ohne Erlaubnis Überschriften oder kurze Ausschnitte von Pressetexten in ihren Ergebnissen anzeigen dürfen.

Anders als beim bisher weitgehend wirkungslosen deutschen Leistungsschutzrecht umfasst das EU-Leistungsschutzrecht auch kleinste Auszüge aus Texten in Form sogenannter Snippets. „Legitime private und nicht kommerzielle Verwendungen von Pressepublikationen durch individuelle Nutzer“ sollte die Regelung unberührt lassen. Ebenso bleibe die Linkfreiheit erhalten, also das Recht, andere Websites zu verlinken. Doch schon Blogger, die sich über Werbung zu finanzieren versuchen, wären vom Leistungsschutzrecht erfasst worden. Und auch die Linkfreiheit dürfte in der Praxis kaum tragen, da in Webadressen von Presseartikeln oft schon geschützte Überschriften eingebaut sind.

Lobbyschlacht

Dem Beschluss war eine heftige Lobbyschlacht vorausgegangen, dreht es sich beim Urheberrecht doch nicht nur um Persönlichkeitsrechte, sondern auch um viel Geld. Die Rechteinhaber beklagen eine Lücke zwischen den Werbeeinnahmen von Online-Plattformen wie YouTube und den noch überschaubaren Vergütungen für die Künstler und Produzenten, die durch die Gesetzesinitiative verkleinert werden soll. Die Verwertungsgesellschaften hatten namhafte Künstler wie Placido Domingo oder Paul McCartney einfliegen lassen, die sich für die neue Richtlinie und eine stärkere Vergütung über Online-Plattformen aussprachen.

Gegen die Einführung des Leistungsschutzrechts und von Upload-Filtern hatte sich eine breite Allianz von Netzaktivisten, Wirtschaftsverbänden und Digitalpolitikern verschiedener Parteien stark gemacht. Eine Petition gegen „die Zensurmaschine“ kam bis zur Abstimmung auf 870.000 Unterstützer. Axel Voss (CDU), der den Richtlinienentwurf als Berichterstatter des Rechtsausschusses mit vorangetrieben hatte, beklagte „Fake News“ der Gegner und extreme Beeinflussungsversuche bis hin zu „Todesdrohungen“. Selbst Kinder von Abgeordneten seien angerufen worden.

Mit dem Nein des EU-Parlaments ist das Dossier wieder offen und die Abgeordneten können über die Sommerpause neue Änderungsanträge zum ursprünglichen Entwurf der EU-Kommission einbringen. Die Position des Parlaments müssen sie im September im Plenum festzurren. Dieser neue Entwurf würde dann in die Verhandlungen zwischen Rat, EU-Kommission und Parlament eingebracht werden. Kommission und Ministerrat hatten sich in der Vergangenheit bereits für einen verschärften Medienrechtsschutz inklusive Leistungsschutzrecht ausgesprochen. (jo@ct.de)