c't 15/2018
S. 44
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E-Mobilität
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Blätter-Update

Fahrerfahrungen mit dem E-Auto Nissan Leaf der 2. Generation

Schick schaut er aus – da sind sich alle einig. In der zweiten Version streift das weltweit meistverkaufte Elektroauto Knubbelheck und Glubschaugen ab. Der auf 40 KWh angewachsene Akku sorgt für einen Aktionsradius von 270 Kilometern. Doch schneller am Ziel ist man nur, wenn die Akkutemperatur mitspielt – was sie bei unserer Testfahrt nicht immer tat.

Nissans Leaf der zweiten Generation kommt optisch in neuem Gewand daher. Die aus der Motorhaube vorstehenden Frosch-Scheinwerfer haben tief angesetzten LED-Strahlern Platz gemacht, das rundliche Heck ist deutlich kantiger geworden. Nach eigenen Angaben will Nissan auch weniger auffällige Änderungen vorgenommen haben – die bisherige Plattform blieb jedoch unverändert.

Statt bisher 30 kWh liefert der Akku aus demselben Volumen nun 40 kWh Strom und kommt nach dem nicht besonders praxistauglichen NEFZ-Zyklus auf eine Reichweite von 378 Kilometer. Dieser wird ab 1. September bei einer Neuzulassung durch den WLTP-Zyklus abgelöst (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure). Er soll für realistischere Verbrauchsangaben sorgen, was wir für unseren getesteten Leaf2 bestätigen können. Tatsächlich lässt er sich wie vom WLTP versprochen im Mischbetrieb Stadt/Land 270 Kilometer mit einer Batterieladung bewegen.

Unser Testfahrzeug war ein Leaf2 in der Topausstattung Tekna, der mit dem Sonderzubehör Zweifarben-Lackierung und dem Assistenzsystem ProPilot Park 42.100 Euro kostet. In der Basisversion ZE1 für rund 10.000 Euro weniger fehlen dann die Schnelllademöglichkeit, der adaptive Tempomat und das vernetzte Infotainment-System NissanConnect EV. Wichtig zu wissen: Der ZE1 kann über den Typ2-Stecker nur mit 3,6 kW laden – für eine volle Ladung benötigt man so mindestens 12 Stunden.

Innenraum

Im Innern hat sich wenig verändert. Die Verarbeitung ist solide, das Navi wirkt mit seinem pixeligen Screen und der trägen Bedienung allerdings nicht mehr zeitgemäß – gerade beim Auffinden von Ladestationen stört das. Eine Streckenplanung mit mehreren Tankstopps ist kaum möglich.

Immerhin versteht sich das Entertainment-System inzwischen auf Android Auto und Apple CarPlay. Wahrscheinlich werden die meisten Nutzer also ihr Smartphone zur Navigation nutzen – trotz der auch hier leicht unscharfen Darstellung. CarPlay funktionierte bei unseren Tests zuverlässig, aber bei mehreren Android-Geräten fror die Darstellung ab und zu unvermittelt ein. Auf längeren Fahrten mussten wir regelmäßig das USB-Kabel abziehen und wieder anstecken.

Den Tachobereich hat Nissan komplett überarbeitet. Statt eines angepassten Tacho-Displays mit Segmentanzeigen werden die meisten Informationen nun von einem rechteckigen Standard-Display angezeigt. Es lassen sich verschiedene Informationen einblenden; oft wirken die unterschiedlichen Icons auf dem Display lose verstreut.

On the Road

Fahrspaß ist garantiert: Der Leaf2 liegt gut auf der Straße und kommt mit seinem maximalen Drehmoment von 320 Nm flott vom Fleck. Für den Stadtverkehr besonders bequem ist das neue E-Pedal. Dabei kombiniert das Fahrzeug die Bremswirkung von E-Motor und mechanischer Bremse, sobald man vom Gas geht. Den Fuß vom Gaspedal zu nehmen reicht zum Anhalten völlig aus, wenn man nicht gerade eine Notbremsung einleiten muss.

Bei Fahrten auf Autobahnen und Landstraßen hilft der adaptive Tempomat ProPilot. Der Leaf2 hält selbstständig die Spur und den Abstand zum vorherfahrenden Fahrzeug. Das ist besonders praktisch, wenn man stromsparend über längere Strecken hinter einem Lkw oder Reisebus hersegeln will. Der ProPilot ist gut auf deutsche Autobahnen abgestimmt. Der Abstand zum vorausfahrenden Verkehr könnte in der maximalen Einstellung allerdings ein wenig größer sein, denn das gemütliche Hinterherzuckeln ohne wirkliche Fahraufgabe lässt einen auf langen Fahrten schneller ermüden, und ein paar Meter mehr Abstand würden das Sicherheitsgefühl dann erhöhen. Tatsächlich sollte der ProPilot den Leaf selbst bei einer Vollbremsung des vorausfahrenden Fahrzeugs zum Stehen bringen – uns blieb dieses Szenario glücklicherweise erspart.

Nach längerer Fahrt und einer vorherigen Schnellladung zeigte der Leaf2 das Erreichen der maximal zulässigen Batterietemperatur.

Reichweite ungleich Reichweite?

Die stärkere Batterie sorgt nicht automatisch dafür, dass man auf Langstrecken schneller ans Ziel kommt: Da ist zum einen die Reichweite, die man mit einer vollgeladenen Batterie an einem Stück zurücklegen kann. Die ist im direkten Vergleich zum alten Leaf deutlich gestiegen. Zum anderen gibt es die Strecke, die man beispielsweise innerhalb von 12 Stunden zurücklegen kann – und da kommen die Ladevorgänge ins Spiel. Auf Fernstrecken kommt man nur mit der Schnellladefunktion zügig voran. Das Problem: Lädt die Batterie trotz Schnellladesäule statt mit 50 kW nur mit 15 kW, um die Erwärmung des Akkus zu begrenzen, wird aus dem eigentlich kurzen Boxenstopp ein mehrstündiger Aufenthalt.

Solche längeren Ladepausen sind kein unrealistisches Szenario: Nissan bestätigte auf Anfrage, dass sich die Batterie des Fahrzeugs durch die Schnellladung erwärmt und die Ladeleistung bei erwärmter Batterie zu deren Schutz heruntergeregelt wird. „Wenn aufeinanderfolgende Schnellladevorgänge mit 50 kW während einer Langstrecke durchgeführt werden müssen, dauern die ersten beiden Ladevorgänge in der Regel zwischen 40 und 60 Minuten, um einen Ladestand von 20 bis 80 Prozent zu erreichen“, so ein Unternehmenssprecher gegenüber c’t.

Eine aktive Akkukühlung besitzt das Fahrzeug – wie auch das Vormodell – nicht; so etwas gibt es erst bei deutlich teureren Elektrofahrzeugen wie dem Tesla oder dem von Audi angekündigtem E-Tron. Nun bringt der neue Leaf seinen 40-kWh-Akku auf demselben Volumen unter wie das Vormodell den 30-kWh-Akku und erzeugt allein durch die höhere Energiedichte mehr Abwärme.

Unser altes Testfahrzeug vor zwei Jahren ließ sich auf Fernstrecken mehrfach hintereinander schnell aufladen – unser Leaf2 regelte bei unserer Langstreckenfahrt nach Österreich nach einer zügig gefahrenen Etappe mit anschließender Schnellladung den Ladestrom herunter. Die Batterie kühlte sich während der gesamten Fahrt nicht mehr so weit ab, dass eine weitere Schnelladung möglich gewesen wäre, die diesen Namen auch verdient hätte. Denn mit 19 kW beim zweiten und nur noch 15 kW beim dritten Stopp lagen wir unter dem, was sich beispielsweise ein Renault Zoe über den Typ2-Stecker auch ohne Gleichstromanschluss ins Fahrzeug holt.

Nissan will unser brandneues Testfahrzeug überprüfen, eventuell habe das Akkumanagement den fast neuen Batterieblock geschützt. Er besteht aus 192 Zellen, aufgeteilt in 48 Module mit je 4 Zellen. Die per OBD2 angeschlossene Analyse-App LeafSpy zeigte in der Histogramm-Ansicht recht hohe Spannungsdifferenzen zwischen den in Reihe geschalteten Zellen an. Es ist nicht auszuschließen, dass man auch den Fahrzeugakku durch mehrmaliges Ent- und Aufladen zunächst einfahren muss.

Nissan sieht die Schwäche beim Mehrfachladen nicht als Problem „Nach unseren Kenntnissen nutzen 99 Prozent unserer europäischen Kunden die DC-Schnellladung höchstens einmal am Tag. Wer vom alten auf den neuen Leaf umsteigt, dürfte trotzdem verwundert sein, dass man trotz gestiegener Reichweite auf größeren Distanzen länger unterwegs sein könnte.

Die Ladeinfrastruktur wächst langsam, mittlerweile kann man sich aber nicht mehr darauf verlassen, an jeder Station eine freie Säule vorzufinden.

Genau beobachten muss man auch die Weiterentwicklung der Ladeinfrastruktur, denn noch immer fehlt beim Schnellladen der einheitliche Standard. Die deutschen Hersteller setzen weiter auf CCS, der Leaf nutzt Chademo. Zwar müssen öffentliche Ladestationen per Gesetz mit beiden Steckern ausgestattet sein, allerdings scheinen es die meisten Betreiber bei einem Pflicht-Chademo-Stecker zu belassen. Bei unserer Testfahrt mussten wir feststellen, dass oftmals mehrere CCS-Ladepunkte nur einem Chademo-Ladepunkt gegenüber standen. Ist die Chademo-Säule belegt, hat man Pech.

Hinzu kommt, dass auch die Modelle oberhalb der Einstiegsvariante ZTE mit schwachen Gleichrichtern ausgestattet sind. Selbst unser Top-Modell Tekna nimmt maximal 6 kW über den Typ2-Stecker an – ein Viertel von dem, was mit besseren Gleichrichtern möglich wäre. Die vielen mit Wechselstromtechnik arbeitenden Gratis-Ladepunkte lassen sich so nicht effizient nutzen. Das Thema Ladetechnik bleibt die Achillesferse – nicht nur des neuen Leaf.

Mit der Innogy-App soll man leicht Säulen finden und in der App bezahlen. In der Praxis brauchten wir mehrere Versuche und Anrufe bei der Hotline, bis der Strom floss.

Fazit

Der Leaf2 macht viel Freude, vor dem Kauf sollte man sich allerdings genau überlegen, wie man das Fahrzeug bewegen will. Für Langstreckenfahrten mit mehreren Schnellladungen hintereinander ist er nicht der ideale Wagen.

Prinzipiell gilt das für fast alle Elektrofahrzeuge: Eine Erwartungsanalyse nebst handgeklöppeltem Ladekonzept sind eigentlich Pflicht, sonst ist die Enttäuschung vorprogrammiert. Da der Steckerkampf in Sachen Gleichstromschnellladung noch nicht ausgestanden ist, hätte man sich auf der Wechselstromseite eine schnellere Lademöglichkeit gewünscht, denn der Typ2-Stecker wird bleiben.

Ansonsten beweist der Leaf auch in der zweiten Generation, dass man ein alltagstaugliches E-Fahrzeug zu einem halbwegs moderaten Preis bekommen kann. (spo@ct.de)