c't 13/2018
S. 28
News
Bitcoin-Kursanalyse
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Kurskapriolen

Was den Bitcoin-Kurs beeinflusst

Kein immanenter Wert, unkontrollierbar und hoch spekulativ: Skeptiker behaupten, der Bitcoin-Kurs sei nur vom Glauben der Bitcoin-Fans befeuert, dass die Kryptowährung etwas wert sei. Doch wer genau hinsieht, findet etliche politische, realwirtschaftliche und sogar religiöse Einflüsse.

Hatten all die Bitcoin-Skeptiker doch Recht? Seit ihrem Höhenflug im Dezember 2017 hat die Kryptowährung rund zwei Drittel ihres Werts verloren und pendelt zwischen rund 6000 und 7500 Euro pro Bitcoin. Das verunsichert Anleger, und mancher Unkenrufer verkündet sogar den Untergang aller Kryptowährungen. Doch vollkommen willkürlich, wie manche Skeptiker behaupten, ist der Kursverlauf nicht. Der Wert der virtuellen Währung wird von vielen realen Ereignissen beeinflusst – negativ wie positiv.

Negative Schlagzeile, negativer Kurs

Facebooks Entscheidung Anfang Februar etwa, keine Werbung mehr für Initial Coin Offerings (ICO) und Kryptowährungen zuzulassen, brachte den ohnehin schwächelnden Bitcoin-Kurs zusätzlich ins Wanken. Was zum Schutz der Anleger vor Werbung mit vermeintlichen betrügerischen Absichten gedacht war, erschütterte allgemein das Vertrauen in Kryptowährungen: Ebenso wie ein Aktienkurs sich bewegt, wenn ein Politiker sich zu einem potenziellen Handelskrieg äußert, reagierte der Bitcoin-Kurs auf den Schlag aus der Richtung der sozialen Netzwerke.

Einflüsse auf den Bitcoin-Kurs

Zusätzlich sind Bitcoin und andere Kryptowährungen seit Anfang des Jahres massiv in den Fokus von Aufsichtsbehörden geraten. Gleich Anfang Januar verkündete China den Ausstieg aus dem Bitcoin-Mining, obwohl zwei Drittel der weltweiten Mining-Leistung aus dem Land kamen. Wenige Tage später gab es Gerüchte, Südkorea wolle den Handel mit Kryptowährungen gänzlich verbieten – zum Schutz von Investoren und Anlegern. Das schickte den Anfang Januar wieder angestiegenen Bitcoin-Kurs gehörig auf Talfahrt.

Die Kursumkehr kam erst, als Südkoreas Regierung in der zweiten Februar-Woche bekräftigte, dass doch kein Handelsverbot für Kryptowährungen geplant sei. Stattdessen wollte man eine größere Transparenz und Anlegersicherheit in einer Handelswelt schaffen, in der Kryptowährungen nach wie vor im Verdacht stehen, für Machenschaften zwielichtiger Natur als Zahlungsmittel eingesetzt zu werden.

Sieht man sich an, wie Initial Coin Offerings neuer Kryptowährungen üblicherweise ablaufen, sind Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit durchaus angebracht: Da werden von zuvor völlig ungekannten Start-ups digitale Token erzeugen, die sie dann mit dem Versprechen auf eine hohe Rendite via Crowdfunding verkaufen. Das Risiko eines solchen Investments ist hoch, denn Anleger erhalten mit dem Token nur das Versprechen auf einen hohen Gewinn. Darüber hinaus sind die besagten Start-ups ihnen gegenüber zu nichts verpflichtet, denn die Investoren erwerben über die Token keinerlei Firmenanteile. Dementsprechend könnten Start-ups bequem darauf verzichten, ihren Investoren einen Businessplan vorzulegen. So lässt sich nicht einmal abschätzen, ob das Geschäftsmodell des Start-ups überhaupt funktioniert.

Nepper und Betrüger

ICOs bieten viel Potenzial für Betrügereien, denn sie sind praktisch unreguliert. Allein im vergangenen Jahr entstanden Anlegern dadurch Schäden von insgesamt 20 Millionen US Dollar. Sie sind für Firmen eine Möglichkeit, an bestehenden Finanzkontrollmechanismen vorbei völlig unkontrolliert und unreglementiert Gelder bei Investoren einzusammeln.

Am 7. März kündigte die amerikanische Börsenaufsicht SEC deshalb an, bei ICOs noch genauer hinsehen zu wollen: Plattformen, die den Handel und Dienstleistungen rund um ICO-Token ohne Genehmigung der SEC anböten, würden gegen amerikanisches Recht verstoßen, warnte die US-Börsenaufsicht die Branche. Nur zwei Tage später erteilte die SEC dem ersten Indexfonds eine Absage, der Anlegern Investitionen in die Kryptowährung an der Börse ermöglicht hätte. Das Finanzprodukt sei wegen der mangelnden Regulierung des Bitcoin-Handels zu anfällig für Manipulationen und Betrügereien. Für den Bitcoin-Kurs, der sich seit Anfang Februar wieder leicht erholt hatte, bedeutete dies die nächste Talfahrt.

Dass Google am 14. März ankündigte, ab Juni 2018 keine Werbung für ICO und Kryptowährungen mehr anzubieten, drückte den Bitcoin-Kurs nochmals spürbar. Dabei geht es Google genau wie Facebook darum, sich nicht unterstellen zu lassen, für den Kauf von Tokens von Unternehmen zu werben, deren Rechtschaffenheit teils zutiefst bezweifelt werden darf.

Verrufen

Nicht nur ICOs, auch Kryptowährungen sind anrüchig, eignen sie sich doch auf den ersten Blick hervorragend für illegale Transaktionen und Geldwäsche. Illegale Geschäfte könnten mit Kryptowährungen abgewickelt werden, welche dann in gesetzliche Währungen (sogenanntes Fiatgeld) umgetauscht und ausgezahlt werden, woraufhin sich die Spur verliert.

Die meisten wichtigen Kryptowährungen wie Bitcoin oder Ethereum werden diesem schlechten Ruf jedoch nicht gerecht. Immer mehr Wallets können identifiziert werden, da die Wallet-Adressen und die Zahlungsflüsse in den Blockchains für jeden sichtbar sind. Es gibt aber auch einige wirklich anonyme virtuelle Zahlungsmittel wie Zcash, Monero oder Dash.

Um illegalen Machenschaften und Geldwäsche zu begegnen, reagierten zahlreiche Länder und Behörden mit härteren Regulierungen. Die Financial Services Commission (FSC) prüfte kürzlich vier südkoreanische Banken, die Kryptowährungen in gesetzliche Währungen wechseln. Ziel war es, unter anderem sicherzustellen, dass mithilfe der Kryptowährungen keine Geldwäsche betrieben wird. Darüber hinaus will Südkorea ab Juni eine Steuer für den Handel mit Kryptowährungen erheben. Die Schweiz kündigte eine Kampagne zur Identifizierung von Geldwäsche durch ICOs an.

Diese Ereignisse schienen weitere Sargnägel für Kryptowährungen zu sein, denn im Sog des Bitcoin-Kurs sanken auch die Kurse anderer Kryptowährungen. Nach den lauten Lobeshymnen im letzten Jahr mögen viele denken: als Tiger gesprungen und als Bettvorleger gelandet. Und während sich einige schon auf eine Welt ohne Bitcoin, Ethereum und Litecoin freuten, brachten Entscheidungen von Großinvestoren, religiösen Autoritäten und Finanzunternehmen neuen Wind in die Entwicklung.

Lichtblicke

Nur einen Tag, nachdem Google sein künftiges Werbeverbot aussprach, verkündete die britische Barclays-Bank ihre gerade geschlossene Partnerschaft mit Coinbase, einem der weltweit größten Händler von Kryptowährungen. Das beendete den Wertverfall des Bitcoin schlagartig und gab dem Kurs kurzzeitig wieder Auftrieb.

Durch den Einstieg von Barclays in den Handel mit Kryptowährungen wird es für neue Investoren leichter und sicherer, mit Kryptowährungen zu handeln. Außerdem begründet der Einstieg eines so namhaften Unternehmens ein gewisses Maß Vertrauenswürdigkeit. In der zweiten April-Woche kündigten zudem die Rockefeller-Familie und der Milliardär George Soros an, in Kryptowährungen investieren zu wollen – und verschafften dem Bitcoin-Kurs ein kleines Plus.

Eine regelrechte Kursrakete zündete der islamische Rechtsgelehrte Mufti Muhammad Abu Bakar am 12. April: Seine Studie „Is Bitcoin Halal or Haram“ kommt zum Ergebnis, dass Kryptowährungen durchaus mit der Scharia vereinbar sind. Damit öffnet sich der Zugang zu Bitcoin & Co. für mehr als zwei Milliarden Muslime, darunter solvente Investoren aus Saudi-Arabien, Katar oder dem Oman.

Es steckt also viel Dynamik in den Kryptowährungen, Anleger sollten also nach wie vor sensibel vorgehen. Für einen Abgesang auf Bitcoin ist es aber zu früh, bereits 2014 erlebte die Kryptowährung einen rasanten Aufschwung, gefolgt von einem Beinahe-Crash – und hat trotzdem überlebt. (mid@ct.de)